Österreichisches Museum für angewandte Kunst

Österreichisches Museum für angewandte Kunst

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weitere Bezeichnungen: k. k. Österreichisches Museum für Kunst und Industrie (1863–1918), Österreichisches Museum für Kunst und Industrie (1918–1938), Staatliches Kunstgewerbemuseum in Wien (1938–1947), Österreichisches Museum für angewandte Kunst (1947–1986), MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst (1986–2007), MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst (2007–2019), MAK – Museum für angewandte Kunst (seit 2019)

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Nach dem Vorbild des Londoner South Kensington Museums, des heutigen Victoria & Albert Museums, wurde 1863 das k. k. Österreichische Museum für Kunst und Industrie gegründet. Direktor des ersten staatlichen Museums Österreichs war Rudolf von Eitelberger, der erste Professor für Kunstgeschichte an der Universität Wien. Das Museum umfasste die kunstgewerblichen Sammlungsbereiche Holz, Glas, Metall, Porzellan und Textil, eine Kunstblättersammlung sowie eine Bibliothek und sollte eine Mustersammlung für KünstlerInnen, Industrielle und Publikum sowie Aus- und Weiterbildungsstätte sein. 1864 provisorisch im Ballhaus neben der Wiener Hofburg eröffnet, übersiedelte das Museum 1871 gemeinsam mit der 1867 gegründeten Kunstgewerbeschule in den von Heinrich von Ferstel im Stil der Neorenaissance errichteten Gebäudekomplex am Stubenring. Nach Eitelbergers Tod wurde 1885 dessen Stellvertreter Jacob von Falke zum Direktor ernannt. Ihm folgten 1895 Bruno Bucher, langjähriger Kustos des Museums für Metall, Keramik und Glas, und 1897 Arthur von Scala, zuvor Direktor des k. k. Österreichischen Handelsmuseums, dessen Bestände das Museum für Kunst und Industrie 1907 zum großen Teil übernahm. 1909 wurde der Neubau am Wienfluss mit weiteren Ausstellungsräumen eröffnet, die Kunstgewerbeschule vom Museum getrennt und der Kunsthistoriker Eduard Leisching als neuer Direktor berufen.

In der Ersten Republik musste sich das nunmehrige Österreichische Museum für Kunst und Industrie, das dem Handelsministerium zugeordnet war, auf die eingeschränkten budgetären Möglichkeiten – vor allem für Neuerwerbungen – einstellen. Neben Zuweisungen von ehemals kaiserlichem Besitz an das Museum, u. a. von Orientteppichen, konnten ab 1922 in Tauschaktionen, in die das Museum Dubletten einbrachte, neue Objekte von Kunsthandlungen und PrivatsammlerInnen erworben werden. 1925 wurde der bisherige Vize-Direktor Hermann Trenkwald zum Direktor bestellt, allerdings schon 1927 nach einem kritischen Rechnungshofbericht von August Schestag, bereits seit 1899 am Österreichischen Museum, abgelöst. Ab 1932 war der seit 1911 u. a. als Spezialist für Silber und Porzellan am Museum tätige Richard Ernst Direktor. In den 1920er- und 1930er-Jahren konnte das Museum wichtige Ausstellungen realisieren, wie 1926 die Ausstellung Gotik in Österreich und 1930 die Werkbundausstellung. Eine wesentliche Erweiterung der Bestände brachte die Übernahme großer Teile der Figdor-Stiftung vom Kunsthistorischen Museum (KHM). Im Mai und Juni 1937 wurde im Österreichischen Museum die Ausstellung zu Oskar Kokoschkas 50. Geburtstag gezeigt, während zeitgleich in München Werke Kokoschkas in der NS-Propagandaschau Entartete Kunst diffamiert wurden.

Nach dem "Anschluss" Österreichs im März 1938 wurde Richard Ernst u. a. die Kokoschka-Ausstellung vorgehalten. Trotzdem gelang es ihm, im Amt zu bleiben, auch sonst änderte sich vorerst personell nichts. Im Dezember 1938 wurde schließlich eine Angestellte der Bibliothek "wegen jüdischer Versippung mit Mischling 1. Grades" gekündigt. Auch Hans Ankwicz, Leiter der Bibliothek und der Kunstblättersammlung des Museums, galt als "Mischling", der aus dem Staatsdienst auszuscheiden hatte. Mit Unterstützung von Ernst konnte Ankwicz vorerst seine Stelle behalten, im April 1939 wurde er aber mit Bescheid des Reichsstatthalters in den Ruhestand versetzt. Die Leitung der Bibliothek und Kunstblättersammlung übernahm Viktor Griessmaier. Durch die Unterstützung von Ernst behielt Ankwicz weiterhin einen Arbeitsplatz in der Museumsbibliothek, den er allerdings nach einer anonymen Anzeige im April 1941 aufgeben musste. Bereits am 20. Mai 1938 war das Haus in Staatliches Kunstgewerbemuseum in Wien umbenannt worden und in die Zuständigkeit des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten übergegangen. Der stellvertretende Direktor Ignaz Schlosser arbeitete ab 1938 an der Aufnahme der Objekte im Zentraldepot für die beschlagnahmten Sammlungen in der Neuen Burg mit. Als diese schließlich verteilt wurden, erhielt auch das Kunstgewerbemuseum bedeutende Stücke. Darüber hinaus erwarb das Museum vor allem über den Kunsthandel weitere Objekte. Insgesamt übernahm das Museum in der NS-Zeit rund 1.000 Kunstgegenstände aus entzogenen Sammlungen. Ab 1940 setzte das Kunstgewerbemuseum die seit den 1920er-Jahren entwickelten Pläne zur Schärfung der Sammlungsprofile der Staatlichen Sammlungen weiter um: Mit der Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe, der heutigen Kunstkammer, im Kunsthistorischen Museum wurden jeweils fast 600 Objekte abgetauscht, die antiken Vasen und Terrakotten der Antikensammlung des KHM übergeben. Rund 900 Objekte kamen 1942 aus dem Mobiliendepot in das Kunstgewerbemuseum. Ziel war die Übernahme der gesamten musealen Bestände des Mobiliendepots. Dies konnte aber nicht umgesetzt werden, obwohl der Reichsstatthalter im November 1942 dessen Auflösung bekanntgab. Nach dem Ende des Kriegs 1945 nahm das Mobiliendepot seine Tätigkeit wieder auf. Waren die wichtigsten Stücke des Kunstgewerbemuseums bereits zu Kriegsbeginn 1939 ausgelagert worden, wurden ab 1943 mit der steigenden Gefahr von Luftangriffen sukzessive nahezu alle Objekte des Kunstgewerbemuseums in Kellern von Gebäuden in Wien sowie in Schlössern und Klöstern vor allem in der Umgebung der Stadt geborgen. Im Herbst 1944 und im Winter 1944/1945 wurde das Kunstgewerbemuseum von Bomben getroffen, die u. a. den Lesesaal und Schausäle im Gebäude am Stubenring schwer beschädigten.

Auch nach dem Ende des Krieges und der Wiederrichtung der Republik blieb Ernst Direktor des Museums. Hans Ankwiczs Zwangspensionierung wurde aufgehoben, er verließ aber noch 1945 das Museum, um die Leitung der Bibliothek der Akademie der bildenden Künste in Wien zu übernehmen. Hauptaufgabe des Kunstgewerbemuseums war es nun, die Kriegsschäden an den Gebäuden zu beheben und den Rücktransport der ausgelagerten Bestände in die Wege zu leiten. Die überwiegende Zahl der Stücke hatte den Krieg unbeschadet überstanden. An einigen Bergungsstellen war es durch Kriegshandlungen und Plünderungen zu Verlusten und Beschädigungen von Objekten gekommen. Das Schloss Immendorf im nördlichen Weinviertel, wo hunderte Gegenstände des Kunstgewerbemuseums deponiert waren, wurde durch einen Brand völlig zerstört. Eine wesentliche Aufgabe war für das Museum auch die Rückstellung von Werken, die unter dem NS-Regime entzogen worden waren. Insgesamt wurden nach 1945 fast 500 Kunstwerke an die früheren EigentümerInnen zurückgestellt. Rund 90 Stücke, die für die Ausfuhr gesperrt worden waren, verblieben im Museum, dazu übernahm das Haus zusätzlich zirka 60 Widmungen von Clarice Rothschild, die im Austausch für Ausfuhrgenehmigungen erfolgt waren. 1947 wurde das Haus in Österreichisches Museum für angewandte Kunst umbenannt und am 31. März 1949 nach Abschluss der Instandsetzungsarbeiten wiedereröffnet. 1951 übernahm Ignaz Schlosser die Direktion, ihm folgten 1959 Viktor Griessmaier, 1968 Wilhelm Mrazek, 1979 Gerhart Egger und 1981 Herbert Fux. 1984 wurde Ludwig Neustifter als interimistischer Direktor eingesetzt und 1986 Peter Noever zum Direktor bestellt. Noever begann mit dem Aufbau der Sammlung Gegenwartskunst und leitete die Generalsanierung der Museumsgebäude sowie die Errichtung eines zweigeschoßigen Tiefspeichers. 1996 fand im nunmehrigen MAK die "Mauerbach-Auktion" statt, in der Kunstwerke, Münzen, Waffen, Bücher etc., die als "herrenlos" galten, zugunsten von NS-Opfern versteigert wurden. Seit 1998 werden die Sammlungen des MAK im Auftrag der Kommission für Provenienzforschung bezüglich in der NS-Zeit entzogener Objekte systematisch überprüft. Seit 1999 empfahl der Kunstrückgabebeirat in den Fällen Gittel und Samuel Bauer, Michael Berolzheimer, Rudolf Bittmann, Ferdinand Bloch-Bauer, Emma Budge, Ernst Bunzl, Paul Cahn-Speyer, Willibald Duschnitz, Nathan Eidinger, Siegfried Fuchs, David Goldmann, Erny und Richard Gombrich, Stift Heiligenkreuz-Neukloster, Friederike und Siegfried Herzel, Emil Iwnicki, Anna Kutscher, Elise und Erich Müller, Wilhelm Müller-Hofmann, Stefan Poglayen-Neuwall, Ernst Pollack, Albert Pollak, Siegfried Radin, Anton Redlich, Heinrich Rothberger, Alphonse und Clarice Rothschild, Louis Rothschild, Emma Schiff-Suvero, Hermine Schütz, Alice Stein, Isak Wunderlich und Jacques Ziegler die Rückgabe an die jeweiligen RechtsnachfolgerInnen, über 500 Objekte wurden bereits restituiert.

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Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Rainald Franz/Leonhard Weidinger, Die Direktion Richard Ernst. Vom Österreichischen Museum für Kunst und Industrie zum Österreichischen Museum für angewandte Kunst, in: Gabriele Anderl/Christoph Bazil/Eva Blimlinger/Oliver Kühschelm/Monika Mayer/Anita Stelzl-Gallian/Leonhard Weidinger (Hg.), … wesentlich mehr Fälle als angenommen. 10 Jahre Kommission für Provenienzforschung (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 1), Wien-Köln-Weimar 2009, 412–430, URL: doi.org/10.7767/boehlau.9783205118862.412.

Rainald Franz/Leonhard Weidinger, "… dass sich in der Sammlung auch kunstgewerbliche Objekte befunden haben." Provenienzforschung im MAK, in: Gabriele Anderl/Christoph Bazil/Eva Blimlinger/Oliver Kühschelm/Monika Mayer/Anita Stelzl-Gallian/Leonhard Weidinger (Hg.), … wesentlich mehr Fälle als angenommen. 10 Jahre Kommission für Provenienzforschung (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 1), Wien-Köln-Weimar 2009, 150–159, URL: doi.org/10.7767/boehlau.9783205118862.150.

Leonhard Weidinger, "hiebei muß die Möglichkeit eines Luftangriffes und die Konservierungsfrage in gleicher Weise die Wahl bestimmen" – Die Bergungsmaßnahmen des Staatlichen Kunstgewerbemuseums in Wien, in: Pia Schölnberger/Sabine Loitfellner (Hg.), Bergung von Kulturgut im Nationalsozialismus. Mythen – Hintergründe – Auswirkungen (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 6), Wien-Köln-Weimar 2016, 197–217, URL: doi.org/10.7767/9783205201564-011.

Leonhard Weidinger, Kunst und Industrie I Kunstgewerbe I angewandte Kunst. Das MAK und seine Bibliothek und Kunstblättersammlung von 1937 bis 1949, in: Gertrude Enderle-Burcel/Alexandra Neubauer-Czettl/Edith Stumpf-Fischer (Hg.), Brüche und Kontinuitäten 1933–1938–1945. Fallstudien zu Verwaltung und Bibliotheken (= Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Sonderband 12), Wien 2013, 403–407.

Leonhard Weidinger, MAK-Bibliothek und Kunstblättersammlung, in:  Bruno Bauer/Christina Köstner-Pemsel/Markus Stumpf (Hg.), NS-Provenienzforschung an Österreichischen Bibliotheken. Anspruch und Wirklichkeit (= Schriften der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 10), Graz-Feldkirch 2011, 413–424, URL: fedora.phaidra.univie.ac.at/fedora/objects/o:290050/methods/bdef:Content/download (3.12.2020).

Publikationen der Person / Institution

MAK – Museum für angewandte Kunst, Provenienzforschung und Restitution im MAK, URL: mak.at/provenienzforschung (3.12.2020).

K. k. Österreichisches Museum für Kunst und Industrie (Hg.), Das Kaiserlich Königliche Österreichische Museum für Kunst und Industrie 1864–1914, Wien 1914.

Österreichisches Museum für Angewandte Kunst (Hg.), 100 Jahre Österreichisches Museum für Angewandte Kunst. Kunstgewerbe des Historismus. Ausstellung veranstaltet vom Verein der Museumsfreunde, durchgeführt vom Österreichischen Museum für Angewandte Kunst, Wien 1964.

Archivalien

MAK-Archiv.
MAK-Bibliotheksarchiv.
MAK-Personalakten.

OeStA/AdR, Bundesministerium für Handel und Verkehr.
OeStA/AdR, UWK, Bundesministerium für Unterricht 2. Republik, 1940–2005.
OeStA/AdR, ZNsZ, Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten, 1938–1940.
OeStA/AdR, ZNsZ, Reichsstatthalter in Wien – Staatliche Verwaltung des Reichsgaues Wien, 1940–1945.