Das Jahr 1368 markiert mit der Fertigstellung des Evangeliars des Johannes von Troppau den Ausgangspunkt der habsburgischen Büchersammlungen – die prunkvolle Handschrift gilt als Gründungscodex der Österreichischen Nationalbibliothek. Erst 1575 wurde der erste kaiserliche Hofbibliothekar bestellt und die habsburgische Büchersammlung damit als Institution ausgewiesen. Ein entscheidender Wendepunkt in der Geschichte der Hofbibliothek fällt ins 18. Jahrhundert: Kaiser Karl VI. veranlasste den Umbau des bisherigen Reitschulgebäudes am heutigen Josefsplatz, Wien 1, zu einer Bibliothek, die von 1723 bis 1726 nach Plänen des Hofarchitekten Johann Bernhard Fischer von Erlach errichtet wurde. Die Hofbibliothek fand in diesem imperialen barocken Saal ihre erste dauerhafte Bleibe – und befindet sich mit erheblichen räumlichen Erweiterungen noch heute an dieser Stelle. Der Erste Weltkrieg bedeutete eine Zäsur für die Hofbibliothek. Mit dem Untergang des Habsburgerreiches wurde aus der zentralen Bibliothek des österreichischen Kaiserreiches die Nationalbibliothek der Ersten Republik, der Bestand der Bibliothek in Staatsbesitz übernommen und die ehemalige Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen als "Porträtsammlung" der Nationalbibliothek angegliedert.
Am 16. März 1938, nur wenige Tage nach dem "Anschluss", verhaftete die Gestapo den seit 1923 im Amt befindlichen Generaldirektor der Nationalbibliothek, Josef Bick, und überstellte ihn in das KZ Dachau. Bicks Verhaftung war eine Folge seines politischen Engagements im austrofaschistischen Regime: Er war 1934 zum Präsidenten des Bundeskulturrates und Vizepräsidenten des Bundestages ernannt worden. Das kulturpolitisch wichtige Amt des Generaldirektors der Nationalbibliothek übernahm noch am selben Tag mit Paul Heigl ein überzeugter Nationalsozialist. 1938 war die Nationalbibliothek mit einem Bestand von rund 1,3 Millionen Objekten die größte Bibliothek der "Ostmark" und nach Berlin und München die drittgrößte Bibliothek des Deutschen Reiches. Sie umfasste neben der Druckschriftensammlung acht Sondersammlungen: die Handschriftensammlung, die Papyrussammlung, die Musiksammlung, die Theatersammlung, die Kartensammlung, die Porträtsammlung, das Bildarchiv und eine Orient-Südosteuropa-Abteilung. Letztere bestand nur während der NS-Zeit und hatte vor allem die Aufgabe, beschlagnahmte Literatur aus dem südosteuropäischen Raum aufzunehmen. Mit Kriegsbeginn waren die Möglichkeiten des Handels und Tausches mit dem Ausland weitgehend unterbrochen, diese Lücke versuchte Heigl durch die Aufnahme von beschlagnahmten Werken zu kompensieren. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass von 70.000 in der NS-Zeit für Druckschriften vergebenen Signaturen, über 10.000 aus beschlagnahmten Beständen stammten. Hinzu kam die heute nicht mehr schätzbare, jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach wesentlich höhere Zahl an entzogenen Bänden, für welche die Nationalbibliothek nur eine Durchgangsstation war: Aus Zeit- und Personalmangel wurde ein großer Teil der entzogenen Bibliotheken nicht einsigniert, sondern verkauft, getauscht oder im Aufbau befindlichen Bibliotheken des Deutschen Reiches zugewiesen. Heigls gute Beziehungen zu Gestapo, SS und SD waren zweifellos seiner offensiven Erwerbungspolitik in den folgenden Jahren dienlich. Im Aktenbestand der Bibliothek sind zahlreiche Ansuchen Heigls an die für Beschlagnahme und Verwertung jüdischen Vermögens zuständigen Stellen erhalten. Zwischen 1938 und 1945 ist von einem Zuwachs von 400.000 bis 500.000 geraubten Objekten auszugehen, die aber nur teilweise in den Bestand inventarisiert wurden. Hinsichtlich der Herkunft der entzogenen Bibliotheken sind mehrere Gruppen von Geschädigten zu unterscheiden: An erster Stelle waren jüdische Privatpersonen und Institutionen, wie zum Beispiel die Israelitische Kultusgemeinde Wien und die ihr angeschlossenen Landesgemeinden von der Beschlagnahme ihrer Bibliotheken und Sammlungen betroffen. Zu nennen sind ebenso große Privatbibliotheken und Sammlungen jüdischer Verfolgter, darunter die Bibliothek Oskar und Gerhard Ladners im Umfang von ca. 5.000 Bänden, die Bibliothek Harald Reininghaus/Stefan Auspitz im Umfang von ca. 4.800 Bänden, die Bibliothek und Exlibrissammlung Marco Birnholz mit ca. 1.500 Bänden und 30.000 Exlibris, die große theatergeschichtliche Sammlung und Bibliothek Fritz Brukners, die über 6.000 Bände umfassende Notensammlung des Gottlieb Kaldeck, die Bibliothek Heinrich Schnitzlers mit etwa 6.000 Bänden, 3.000 Bände und eine Manuskriptesammlung von Norbert Jokl, mehre tausend Bände aus dem Eigentum Moritz Kuffners und die umfassende Privatbibliothek von Alphonse Rothschild. Nicht in Vergessenheit geraten sollen aber auch die konfiszierten Büchermassen anonymer Herkunft. Betroffen waren vor allem kleine Privatbibliotheken ausgewanderter oder deportierter Verfolgter, die in deren Wohnungen zurückgelassen worden waren; weiters die Bibliotheken von der nationalsozialistischen Ideologie entgegenstehenden Vereinen und Organisationen, wie zum Beispiel der Freimaurerlogen und des Psychoanalytischen Verlags. Gemäß der Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich vom 18. November 1938 wurden auch die Bibliotheken von kulturellen Institutionen und staatlichen Einrichtungen der vom Deutschen Reich besetzten Gebiete beschlagnahmt. Der diesbezüglich umfangreichste Bestand welchen die Nationalbibliothek beanspruchte, war die über 120.000 Bände umfassende Bibliothek des Wiener Komensky-Schulvereins. Ebenfalls der Nationalbibliothek zugewiesen wurden die Bibliotheken tschechischer Schulen und jene der Tschechischen Kulturhistorischen Kommission in Wien. Als im Sommer 1943 die ersten Luftangriffe auf Orte in der Umgebung Wiens einsetzten, stellte sich auch in der Nationalbibliothek die Frage nach einer Bergung ihrer Bestände. Bereits seit Kriegsbeginn waren die kostbarsten Objekte in 90 Kisten verpackt in eigenen Schutzräumen in den Kellern der Nationalbibliothek gesichert worden. 1943 entschloss sich Generaldirektor Heigl die Bücher des Prunksaals (200.000 Bände, darunter die Bibliotheca Eugeniana) und die wertvollsten Stücke aus den Sammlungen ebenfalls in den Kellerräumen unter dem Prunksaal einzulagern. Erst Ende Jänner 1945 verlagerten die nicht zum Kriegsdienst eingezogenen MitarbeiterInnen der Nationalbibliothek schließlich die wertvollsten Handschriften und Druckwerke nach Lauffen bei Bad Ischl, die Bestände der Porträtsammlung kamen nach Pulkau in Niederösterreich. Die Nationalbibliothek selbst erlitt im Gegensatz zu umliegenden Gebäuden wie Staatsoper und Albertina keine direkten Bombenschäden, hatte jedoch durch das Bombardement der US-Luftwaffe vom 12. März 1945 geringe Verluste am Bestand der Musiksammlung, des Bildarchivs und der Handbibliothek der Papyrussammlung zu verzeichnen.
Die Rückgabe entzogener Bibliotheken nach 1945 war mit großen Schwierigkeiten verbunden: Jene umfangreichen Bibliotheken bekannter SammlerInnen und Institutionen, die noch als Einheit in den Magazinen deponiert waren, konnten relativ leicht festgestellt und restituiert werden. Problematisch gestaltete sich die Suche im Fall der aussortierten und zur weiteren Verwertung bestimmten Dubletten sowie hinsichtlich der inventarisierten Bestände. Die Österreichische Nationalbibliothek meldete zwar einen Großteil der bekannten übernommenen Bibliotheken gemäß der Vermögensentziehungs-Anmeldungsverordnung bei den zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden an, konnte aber in den wenigsten Fällen Umfang und Inhalt näher präzisieren. Insgesamt restituierte die Österreichische Nationalbibliothek in der Nachkriegszeit aus den inventarisierten beschlagnahmten Buchbeständen circa 5.420 Titel. Ungeachtet der Tatsache, dass noch zahlreiche unrechtmäßig erworbene Bücher und auch Sammlungsobjekte in den Magazinen lagerten, stellte die Österreichische Nationalbibliothek die Restitutionen 1950 ein. Erst 1998 mit Erlass des Österreichischen Kunstrückgabegesetzes (KRG) wurde das Thema der unerledigten Restitutionen aus Bundeseigentum wieder aufgegriffen und auf Initiative der 2001 bestellten Generaldirektorin Johanna Rachinger im Jahr 2002 ein Projekt zur Erfassung von NS-Raubgut initiiert. Im Zuge des Projekts erfolgte eine Generalautopsie der 150.000 Bände Druckschriften und 50.000 Sammlungsobjekte umfassenden fraglichen Bestände. Zudem stützte sich die Provenienzforschung auf hausinterne Inventare, Eingangsbücher und Archivalien, als unschätzbare Quelle erwies sich dabei das weitgehend vollständig erhaltene Archiv der Generaldirektion. Gut dokumentiert fanden sich die Zuweisungen größerer und wertvoller Bibliotheken und Sammlungen, schlecht bis überhaupt nicht hingegen die Zulieferung jener Unzahl an Druckschriften und Sammlungsobjekten, die aus kleinen Sammlungen vertriebener oder deportierter Verfolgter stammten. 52.403 Einzelobjekte – Bücher, Fotos, Negative, Autografen, Handschriften, Karten und Musikalien – mussten nach Abschluss der Erhebungsarbeiten als bedenkliche Erwerbungen der NS-Zeit eingestuft werden. Ein 2002/03 erstelltes Verzeichnis von etwa 800 verschiedenen Eigentumszeichen von Privatpersonen und Institutionen bildete die Grundlage der weiteren Recherchen. In 72 Fällen gelang es, die Entziehungsgeschichten und die damit verbundenen Schicksale der Verfolgten zu recherchieren; diesen großen Fällen sind rund drei Viertel der oben genannten 52.403 Einzelobjekte zuzuordnen.
Seit Projektbeginn 2002 wurden 56 Einzelfälle abgewickelt und zusammen 49.591 Objekte restituiert, darunter auch 11.005 Druckschriften und Kartenwerke, die mangels eines Besitzzeichens als erblos gelten und entsprechend den Vorgaben des KRG vom Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer der Nationalsozialismus verwertet werden.