Ernst, Richard

Richard Ernst

Porträt, Schwarz-Weiß-Foto
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1.2.1885 Eger / Cheb, Böhmen – 7.7.1955 Wien

Johann Nikolaus Richard Ernst, Sohn eines Kaufmanns, absolvierte Schule und Studium in Prag und promovierte 1909 in Kunstgeschichte und klassischer Archäologie. Nach kurzer Tätigkeit als "wissenschaftlicher Hilfsarbeiter" am kunsthistorischen Institut der deutschen Universität Prag kam Richard Ernst am 29. November 1911 als Kustosadjunkt und Abteilungsvorstand an das k. k. Österreichische Museum für Kunst und Industrie und war hier vorerst für Metallarbeiten zuständig. 1915 bis 1918 war er als Soldat der k. u. k. Armee eingerückt. In den folgenden Jahren übernahm er die nun dem Museum zugeordnete Hoftafel- und Silberkammer, die Sammlungen Glas und Keramik sowie die Teppich- und Textilsammlung und verfasste u. a. 1923 den ersten Führer durch die Hofsilber- und Tafelkammer sowie 1925 eine Monografie zum Wiener Porzellan des Klassizismus aus der Sammlung Bloch-Bauer. 1928 wurde Ernst zum Vizedirektor ernannt. Ab 1931 leitete er nach der krankheitsbedingten Beurlaubung von Direktor August Schestag interimistisch das Museum, am 5. August 1932 erfolgte seine offizielle Ernennung zum Direktor. Ab Februar 1936 war Ernst zusätzlich als Experte für altes Kunstgewerbe im Dorotheum tätig, im Jänner 1938 gab er aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit der Leitung des Auktionshauses diese Funktion wieder auf. Parallel zur Weltausstellung 1937 präsentierte sich Österreich mit einer Ausstellung im Musée du Jeu de Paume in Paris, bei der Ernst den Bereich zum österreichischen Kunstgewerbe u. a. mit Leihgaben aus den Porzellansammlungen von Ferdinand Bloch-Bauer, Anton Redlich und Franz Ruhmann kuratierte. Während 1937 die Werke Oskar Kokoschkas in der NS-Propagandaschau Entartete Kunst in München desavouiert wurden, stellte Ernst im selben Jahr das Österreichische Museum für eine Ausstellung anlässlich des 50. Geburtstags des Künstlers zur Verfügung. Nach dem "Anschluss" wurde Ernst daher vorgeworfen, politisch unzuverlässig zu sein. Das konnte aber seine Position als Direktor des im Mai 1938 in Staatliches Kunstgewerbemuseum in Wien umbenannten Hauses kaum gefährden. Sowohl in Wien als auch international etabliert und gut vernetzt erhielt er u. a. positive Bewertungen durch Robert Schmidt, Direktor des Schlossmuseums Berlin, und Adolf Feulner, Generaldirektor der kunstgewerblichen Museen von Köln. Ernst agierte bis 1945 einerseits durchaus im Sinn des NS-Regimes und erweiterte die Bestände des Kunstgewerbemuseums um zahlreiche Objekte aus entzogenen bzw. zwangsverkauften Sammlungen, wobei er auf sein Wissen um die privaten Sammlungsbestände in Wien zurückgreifen konnte. Andererseits unterstützte er z. B. den aus "rassischen Gründen" zwangspensionierten Leiter der Bibliothek des Staatlichen Kunstgewerbemuseums Hans Ankwicz-Kleehoven, indem er ihm weiterhin einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellte. Ab Februar 1940 war Ernst für zwei Jahre auch kommissarischer Leiter der Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe, der heutigen Kunstkammer, im Kunsthistorischen Museum in Wien und wickelte in dieser Zeit eine schon seit den 1920er-Jahren geplante Tauschaktion von kunsthandwerklichen und antiken Objekten zwischen dem Kunsthistorischen Museum und dem Staatlichen Kunstgewerbemuseum ab. Ernst gelang es sogar, während des Kriegs eine Sonderdotation von 250.000 Reichsmark in Devisen für Ankäufe des Museums in Italien zu bekommen. Bei zwei Reisen nach Florenz, Pisa, Rom und Bologna im Frühjahr und im Herbst 1942 erwarb er 16 Renaissancemöbel. Dass Ernst auch in Frankreich für den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg und in den Niederlanden für die Dienststelle Mühlmann tätig war, wie Berichte aus der unmittelbaren Nachkriegszeit nahelegen, konnte bisher nicht verifiziert werden. Laut eigenen Angaben verhinderte Ernst Ende März / Anfang April 1945 die Einlagerung von Waffen und Sprengmaterial im Museumsgebäude sowie am 7. April 1945 gemeinsam mit Museumsmitarbeitern und einer Widerstandsgruppe die Sprengung der Stubenbrücke.

Auch in der wieder errichteten österreichischen Republik behielt Ernst seinen Direktionsposten. Im Zuge von Erhebungen der österreichischen Staatspolizei 1946 bestritt Ernst den Vorwurf, er sei Mitglied der NSDAP gewesen. Vielmehr habe man ihn 1943 "ungebeten" in den Reichsbund der Deutschen Beamten eingereiht, seine Gegnerschaft gegen die NSDAP sei vor wie nach 1938 bekannt gewesen. Bereits unmittelbar nach Ende der Kampfhandlungen in Wien am 16. April 1945 hatte Ernst die Instandsetzungsarbeiten am von Bombentreffern beschädigten Museum eingeleitet, die erst Anfang der 1950er-Jahre abgeschlossen wurden. Weitere wichtige Aufgaben Ernsts von 1945 bis 1948 waren die Rückführung der zum Schutz vor Luftangriffen ausgelagerten Objekte und die Restitutionen. Die von 1946 bis 1948 gemäß der Vermögensentziehungs-Anmeldungsverordnung und im Auftrag des Alliierten Rats erstellten Listen erfassten nahezu alle Objekte, die aus in der NS-Zeit entzogenen Sammlungen ins Museum gelangt waren. SammlerInnen, die er persönlich kannte, unterstützte Ernst zum Teil nicht nur bei den Rückstellungen jener entzogenen Objekte, die sich das Kunstgewerbemuseum angeeignet hatte, sondern half auch bei der Auffindung weiterer Stücke. In anderen Fällen folgte er allerdings der damals gängigen Praxis, Objekte zwar rückzustellen, diese dann aber für die Ausfuhr zu sperren und so für die österreichischen Museen zu sichern. Am 31. März 1949 konnte Ernst das 1947 in Österreichisches Museum für angewandte Kunst umbenannte Haus offiziell wiedereröffnen. 1950 wurde mit Große Kunst aus Österreichs Klöstern die letzte Ausstellung unter der Direktion von Richard Ernst gezeigt, mit 31. Dezember 1950 erfolgte seine Pensionierung.

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Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Rainald Franz/Leonhard Weidinger, Die Direktion Richard Ernst. Vom Österreichischen Museum für Kunst und Industrie zum Österreichischen Museum für angewandte Kunst, in: Gabriele Anderl/Christoph Bazil/Eva Blimlinger/Oliver Kühschelm/Monika Mayer/Anita Stelzl-Gallian/Leonhard Weidinger (Hg.), … wesentlich mehr Fälle als angenommen. 10 Jahre Kommission für Provenienzforschung (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 1), Wien-Köln-Weimar 2009, 412–430, URL: doi.org/10.7767/boehlau.9783205118862.412.

Publikationen der Person / Institution

Richard Ernst, Führer durch die ehemalige Hoftafel- und Silberkammer, Zürich-Leipzig-Wien 1923.
Richard Ernst, Wiener Porzellan des Klassizismus. Die Sammlung Bloch-Bauer, Wien 1925.

Richard Ernst/Ernst Garger, Die früh- und hochgotische Plastik des Stefansdoms. Tafelband, München 1927.

Archivalien

MAK-Archiv, Akten 1932–1950.
MAK-Archiv, NL Richard Ernst.

MAK-Personalakten, PA Ernst, Richard.

OeStA/AdR, UWK, BMU, Personalakten Sign 3, Ernst, Richard.
OeStA/AdR, ZNsZ, GA 935, Ernst, Richard.