Bloch-Bauer, Ferdinand

Ferdinand Bloch-Bauer

Info
Zusatzinformationen

16.7.1864 Jungbunzlau / Mladá Boleslav, Böhmen – 13.11.1945 Zürich
bis 1917 Ferdinand Bloch

Ferdinand Bloch war das jüngste von sechs Kindern des Zuckerfabrikanten und Bankiers David Bloch und dessen Ehefrau Marie, née Straschnow. Er besuchte die Handelsakademie in Prag und trat 1881 in die Firma seiner Familie ein. 1892 avancierte er zu deren Leiter und baute sie zu einem der größten europäischen Unternehmen der Branche aus. In weiteren Firmen übernahm er Beratungs-, Leitungs- und Aufsichtsfunktionen. Auch nach dem Ende der Habsburgermonarchie 1918 engagierte er sich erfolgreich sowohl in österreichischen als auch tschechoslowakischen Unternehmen, Banken und Interessensvertretungen. 1899 heiratete er Adele Bauer, geboren am 9. August 1881 als siebtes Kind von Moritz Bauer, dem Direktor des Wiener Bankvereins, und dessen Frau Jeanette, née Honig. Die Ehe blieb kinderlos. Nachdem Ferdinand Bloch zuvor in Prag und Elbekosteletz / Kostelec nad Labem gelebt hatte, wohnte das Paar nun in Wien 4, Schwindgasse 10. Als prominente Mitglieder der gehobenen Wiener Gesellschaft verkehrten sie mit Persönlichkeiten aus Politik, Kunst und Kultur und sammelten Gemälde, Skulpturen und Wiener Porzellane des Klassizismus. Gustav Klimt porträtierte Adele Bloch mehrfach. Das Ehepaar verband zudem die gemeinsame Begeisterung für die Jagd. 1909 erwarb Ferdinand Bloch das Schloss Jungfernbreschan / Panenské Břežany nördlich von Prag, in dem das Paar zeitweise wohnte und Teile der Kunstsammlung verwahrte. Am 9. Februar 1917 ließen Ferdinand und Adele Bloch, ebenso wie Ferdinands älterer Bruder Gustav und dessen Ehefrau Therese, die ältere Schwester von Adele, ihren Familiennamen auf Bloch-Bauer ändern. Nach dem Ersten Weltkrieg entschieden sich Ferdinand und Adele Bloch-Bauer, die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Sie lebten abwechselnd in Schloss Jungfernbreschan und in Wien 4, Gusshausstraße 9, bis Ferdinand Bloch-Bauer das Haus Elisabethstraße 18 in Wien 1 erwarb, in dem sie ab 1922 ein Appartement bewohnten. Am 24. Jänner 1925 starb Adele Bloch-Bauer mit nur 43 Jahren. An die Klimt-Gedächtnis-Ausstellung 1928 in der Wiener Secession verlieh Ferdinand Bloch-Bauer sieben Gemälde, darunter die zwei Porträts seiner Frau von 1907 und 1912. Im Mai und Juni 1937 wurde im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie die um ein Jahr verspätete Ausstellung zu Oskar Kokoschkas 50. Geburtstag gezeigt, die Ferdinand Bloch-Bauer finanziell unterstützte und für die er sein 1936 entstandenes Porträt als Leihgabe zur Verfügung stellte. In der zeitgleich in Paris im Musée du Jeu de Paume parallel zur Weltausstellung 1937 stattfindenden Exposition d’Art Autrichien wurden drei Gemälde von Klimt, drei von Waldmüller und eines von Pettenkofen sowie Porzellane aus der Sammlung Bloch-Bauer gezeigt.

Nach dem "Anschluss" Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich im März 1938 wurde Ferdinand Bloch-Bauer aufgrund seiner jüdischen Herkunft, aber auch als Unterstützer des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes verfolgt, sein Eigentum in Österreich sichergestellt und gegen ihn ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet. Bloch-Bauer floh zuerst in die Tschechoslowakei und dann in die Schweiz. Nach der Einrichtung des Reichsprotektorats Böhmen und Mähren am 16. März 1939 enteignete das NS-Regime auch das Schloss Jungfernbreschan, das Reichsprotektor Konstantin von Neurath und 1941 und 1942 der stellvertretende Reichsprotektor Reinhard Heydrich nutzte. Das Vermögen Bloch-Bauers in Österreich wurde "verwertet". Die Österreichische Galerie (ÖG) übernahm zwischen 1941 und 1943 vier Klimt-Gemälde. Sechs Bilder, eine Skulptur und eine Tapisserie gingen an den Sonderauftrag Linz für das geplante "Führermuseum". Die Porzellansammlung, mit einer halben Million Reichsmark bewertet, kam im Juni 1941 beim Wiener Kunst- und Auktionshaus "Kärntnerstraße" zur Versteigerung. Der umfangreiche Katalog bezog sich wesentlich auf Richard Ernsts Publikation Wiener Porzellan des Klassizismus. Die Sammlung Bloch-Bauer von 1925. Im Vorfeld der Auktion erwarb Richard Ernst, nunmehr Direktor des Staatlichen Kunstgewerbemuseums in Wien, für sein Haus 34 Porzellane. Die Liquidierung der Vermögenswerte wickelte der Anwalt Erich Führer, NSDAP- und SS-Mitglied, ab.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs beauftragte Ferdinand Bloch-Bauer von der Schweiz aus seinen Wiener Anwalt Gustav Rinesch, sich um die Rückstellung des entzogenen Eigentums zu kümmern. Konkrete Restitutionen erlebte Ferdinand Bloch-Bauer allerdings nicht mehr, er starb am 13. November 1945 in Zürich. Zumindest ein Privatsammler gab bei der Auktion 1941 erworbene Porzellane 1949 gegen Erstattung des Kaufpreises an die ErbInnen nach Ferdinand Bloch-Bauer zurück. Richard Ernst schaffte es durch Ausnutzung des Ausfuhrgesetzes, dass alle 34 im Jahr 1941 vom Kunstgewerbemuseum angekauften Porzellane als Widmung bzw. durch Tausch 1949 im nunmehrigen Österreichischen Museum für angewandte Kunst verblieben. Die Städtischen Sammlungen Wien hatten bei der Auktion 1941 31 Porzellane erworben. 16 Stücke waren zu Kriegsende verloren gegangen, 14 Objekte wurden 1949 bzw. 1954 gegen Bezahlung des Kaufpreises an die ErbInnen nach Ferdinand Bloch-Bauer zurückgegeben. Eine 1979 wieder aufgefundene Tasse mit Untertasse sollte erst 1999 restituiert werden. Das Klimt-Gemälde Birkenwald/Buchenwald, das die Städtischen Sammlungen 1942 von Rechtsanwalt Führer gekauft hatten, ging 1948 an die ÖG. Die Restitution der acht Werke, die der Sonderauftrag Linz übernommen hatte, erfolgte 1949/50. Die Albertina übernahm als Widmung im Rahmen eines Ausfuhransuchens 16 Klimt-Zeichnungen.

1999 befasste sich der Kunstrückgabebeirat erstmals mit der Sammlung Bloch-Bauer und empfahl die Rückgabe von 16 Zeichnungen von Gustav Klimt aus der Albertina sowie von 24 Porzellanen aus dem MAK. Die Objekte wurden noch im selben Jahr zurückgegeben. Keine Empfehlung zur Restitution gab der Beirat für jene Porzellane im MAK, die im Zuge des Rückstellungsvergleichs 1949 abgetauscht worden waren, für das Aquarell Portal der Kirche des Stiftes Nonnberg in Salzburg von Rudolf von Alt, das 1949/50 nach Ablehnung des Ausfuhrantrags als Tausch in der Albertina verblieben war, sowie für die Klimt-Gemälde in der ÖG, zu denen der Beirat festhielt, dass sie laut dem letzten Willen von Adele Bloch-Bauer aus dem Jahr 1923 ins Eigentum des Bundes übergegangen seien. Maria Altmann, Nichte von Ferdinand Bloch-Bauer und eine seiner ErbInnen, akzeptierte die Empfehlung des Beirats hinsichtlich der Klimt-Gemälde nicht. Mit Hilfe des Anwalts E. Randol Schoenberg strengte sie einen Prozess in den USA an. Im Mai 2005 einigten sich die ErbInnen nach Ferdinand Bloch-Bauer und die Republik Österreich, zur Klärung ein verbindliches Schiedsverfahren durchzuführen. Das dreiköpfige Schiedsgericht kam am 15. Jänner 2006 zur Erkenntnis, dass die Gemälde an die ErbInnen zurückzugeben seien. Nachdem ein Rückkauf durch die Republik Österreich nicht zustande kam, wurden die Bilder restituiert. Das wohl berühmteste der Gemälde, die sogenannte Goldene Adele (Adele Bloch-Bauer I), erwarb Ronald Lauder für die Neue Galerie in New York. 2004 empfahl der Kunstrückgabebeirat, die Knienden Knaben, zwei Marmorskulpturen von George Minne aus der ÖG, nicht zu restituieren, da nicht eindeutig belegt sei, dass die Objekte aus der Sammlung Bloch-Bauer stammten. Nachdem weitere Recherchen das Eigentum Bloch-Bauers belegten, empfahl der Beirat 2007 deren Restitution. 2013 sprach sich der Beirat für die Rückgabe des Aquarells Portal der Kirche des Stiftes Nonnberg in Salzburg aus, unter der Voraussetzung, dass die RechtsnachfolgerInnen nach Ferdinand Bloch-Bauer die erhaltene Gegenleistung, das Aquarell Hof des Dogenpalastes in Venedig von Rudolf von Alt bzw. dessen Gegenwert rückerstatten. 2015 empfahl der Beirat die Rückgabe der verbliebenen 15 Porzellane aus dem MAK unter der Voraussetzung, dass die RechtsnachfolgerInnen nach Ferdinand Bloch-Bauer die als Gegenleistung erhaltenen Porzellane bzw. deren Gegenwert rückerstatten.

Author Info
Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Ferdinand Bloch-Bauer, 28.6.1999, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Bloch-Bauer_Ferdinand_1999-06-28.pdf (6.11.2021).

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Ferdinand Bloch-Bauer, 25.11.2004, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Bloch-Bauer_Ferdinand_2004-11-25.pdf (6.11.2021).

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Ferdinand Bloch-Bauer, 1.6.2007, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Bloch-Bauer_Ferdinand_2007-06-01.pdf (6.11.2021).   

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Ferdinand Bloch-Bauer, 6.12.2013, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Bloch-Bauer_Ferdinand_2013-12-06.pdf (6.11.2021).

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Ferdinand Bloch-Bauer, 17.4.2015, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Bloch-Bauer_Ferdinand_2015-04-17.pdf (6.11.2021).

Schiedsspruch des Schiedsgerichts, 15.1.2006, URL: bslaw.com/altmann/Klimt/award.pdf (6.11.2021).

Peter Eppel/Christian Mertens, Die Restitution von Kunst- und Kulturgegenständen im Bereich der Stadt Wien 1998–2001, Wien 2001.

 

Hubertus Czernin, Die Fälschung. Der Fall Bloch Bauer (= Bibliothek des Raubes 3a), Wien 1999.

Hubertus Czernin, Die Fälschung. Der Fall Bloch Bauer und das Werk Gustav Klimts (= Bibliothek des Raubes 3b), Wien 1999.

Richard Ernst, Wiener Porzellan des Klassizismus. Die Sammlung Bloch-Bauer, Wien 1925.

Werner Kohl/Susanna Steiger-Moser (Hg.), Die österreichische Zuckerindustrie und ihre Geschichte(n) 1750–2013, Wien-Köln-Weimar 2014.

Stephan Koja/Andreas Kugler, "Ich glaube aber, es dem Andenken meines treuen Freundes Klimt schuldig zu sein ...". Die beiden Portraits der Adele Bloch von Gustav Klimt, in: Belvedere. Zeitschrift für bildende Kunst, Sonderband Gustav Klimt, Wien 2007, 168–191.

Sophie Lillie, Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens (= Bibliothek des Raubes 8), Wien 2003.

Sophie Lillie/Georg Gaugusch, Portrait of Adele Bloch-Bauer, New York 2007.

Monika Mayer, Museen und Mäzene. "Jüdisches" Mäzenatentum und die Österreichische Galerie 1903 bis 1938, in: Eva Blimlinger/Monika Mayer (Hg.), Kunst sammeln, Kunst handeln. Beiträge des internationalen Symposiums in Wien (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 3), Wien-Köln-Weimar 2012, 19–35, URL: www.vr-elibrary.de/doi/epdf/10.7767/boehlau.9783205791997.19.

Melissa Müller, Adele (1881–1925) und Ferdinand Bloch-Bauer (1864–1945), Wien, in: Melissa Müller/Monika Tatzkow, Verlorene Bilder – verlorene Leben. Jüdische Sammler und was aus ihren Kunstwerken wurde. Unter Mitarbeit von Thomas Blubacher und Gunnar Schnabel, München 2009, 154–169.

Jiří Novotný/Jiří Šouša, Bloch-Bauer Ferdinand 16.7.1864–19.11.1945, in: Biografický slovník, URL: biography.hiu.cas.cz/Personal/index.php/BLOCH-BAUER_Ferdinand_16.7.1864-19.11.1945 (6.11.2021).

Gloria Sultano/Patrick Werkner, Oskar Kokoschka. Kunst und Politik 1937–1950, Wien-Köln-Weimar 2003.

 

Presseberichte:

N. N., Sportnachrichten. Prager Geweihausstellung, in: Prager Abendblatt, 18.2.1913, 4, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=pab&datum=19130228&seite=4 (3.12.2020).

N. N., Prager Geweihausstellung, in: Oesterreichische Forst- und Jagd-Zeitung 31 (4.4.1913) 14, 128, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ftz&datum=19130404&seite=6 (3.12.2020).

 

Ausstellungskataloge:

K. k. Österreichisches Museum für Kunst und Industrie (Hg.), Ausstellung von Alt-Wiener Porzellan. März bis Mai 1904. Katalog und Einleitung. Wien 1904.

Vereinigung bildender Künstler Wiener Secession (Hg.), XCIX. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Wiener Secession. Klimt-Gedächtnis-Ausstellung. Secession, 27. Juni – 31. Juli 1928, Wien 1928.

Alfred Stix (Hg.), Exposition d’Art Autrichien. Musée du Jeu de Paume. Mai – Juin 1937, Paris 1937.

Der Neue Werkbund Österreichs (Hg.), Oskar Kokoschka Ausstellung im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie. Mai und Juni 1937, Wien 1937.

 

Auktionskataloge:

Kunst- und Auktionshaus "Kärntnerstraße" (Hg.), Kunstauktion Porzellan des Klassizismus Sammlung B.-B. Wien. Versteigerung am 23., 24. und 25. Juni 1941, Wien 1941, URL: doi.org/10.11588/diglit.7289.

Kunst- und Auktionshaus "Kärntnerstraße" (Hg.), Kunstauktion. Alt-Wiener Porzellan des Klassizismus Sammlung B.-B., Wien. Steirische Privatsammlung Silber, Gläser, Porzellan u. a. Alte und neue Bilder, Graphik, Möbel, Kunstgewerbe. Versteigerung vom 8. bis 10. Dezember 1941, Wien 1941, URL: doi.org/10.11588/diglit.15107.

Archivalien

Albertina-Archiv, Zl. 543/1948, 1061/1948, 298/1949, 510/1949, 1045/1949, 190/1950, 300/1950.

Archiv der Österreichischen Galerie Belvedere Wien, Zl. 483/1936, 410/1940, 399/1941, 135/1945, 251/1947, 189/1948, 568/1948, 67/1949, 69/1949, 5/1950.

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 8, K. 8/1, K. 10, K. 12/1, K. 13/ 1, K. 32, K. 60, Sicherstellungskartei, Bloch-Bauer.

BDA-Ausfuhr, Zl. 60/1942, Ausfuhrbewilligungen 1948–1950.

MAK-Archiv, Hauptaktenzahlen 874-1940, 26-1941, 588-1941, 619-1945, 105-1948, 675-1949.

Museen der Stadt Wien (Städtische Sammlungen, MA 10), GZ 5670/1947 und GZ 1017/1948.