Dorotheum

Dorotheum

Menschen bei Auktion, Schwarz-Weiß-Reproduktion einer Zeichung
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weitere Bezeichnungen: K. k. Versatz- und Fragamt (1707–1901), K. k. Versatz-, Verwahrungs- und Versteigerungsamt (1901–1918), Versteigerungsamt (1918–1923), Dorotheum Auktion-, Versatz- und Bank-GmbH (ab 1979), Dorotheum GmbH&Co KG (seit 2001)

Am 14. März 1707 wurde das Wiener Versatz- und Fragamt von Kaiser Joseph I. in der Annagasse 20 / Seilerstätte 30 im heutigen 1. Bezirk gegründet. Hauptaufgabe war die Gewährung von Darlehen gegen ein Faustpfand, die Erträgnisse kamen dem Armenhausfonds zugute. Das Fragamt diente als Vermittlungsbüro für Wohnungs- und Dienstsuchende, sowie zur Bekanntmachung von Geschäften aller Art. Des Weiteren konnten Waren belehnt werden, die bei Nichtauslösung innerhalb einer Jahresfrist versteigert wurden. Das kaiserliche Patent sah seit Anfang auch freiwillige Versteigerungen vor, der älteste erhaltene mehrbändige Katalog einer Auktion erschien im Jahr 1792. Vier Jahre zuvor erfolgte bereits aus Platzmangel der Umzug des Amtes in das ehemalige Dorotheerkloster in der Dorotheergasse 18. Hier ist bis heute der Hauptstandort des Hauses, welches in den Jahren bis zur Neueröffnung 1901 in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph durch den Architekten Emil Förster umfangreich erweitert und umgebaut wurde. Im nunmehrigen k. k. Versatz-, Verwahrungs- und Versteigerungsamt kam das Verwahrungsamt als dritter Aufgabenbereich hinzu. Die stärkste Gewichtung hatte aber das Versteigerungsamt, dem die über zwei Stockwerke reichenden Präsentationsräume mit Oberlichten dienten. Eine eigene, 1900 gegründete Kunstabteilung diversifizierte den Bereich der Auktionen, Unterabteilungen und neue Sparten kamen hinzu. Aufgrund des starken Wachstums entstanden nach der bereits 1880 gegründeten Zweiganstalt in der Josefstadt zahlreiche weitere Filialen in Wien, Mödling, Wiener Neustadt, St. Pölten, Baden, Klagenfurt und Villach. Nach Ende der Monarchie und Gründung der Ersten Republik wurde ein neues Statut für das Versatz-, Verwahrungs- und Versteigerungsamt notwendig: 1923 wurde der Name Dorotheum erstmals auch offiziell in die Unternehmensbezeichnung integriert, eine Bankkonzession erworben und eine kommerzielle Eigenständigkeit des republikeigenen Unternehmens festgesetzt. Während der Zwischenkriegszeit florierten die freiwilligen Versteigerungen weiter, prominente Sammlungen, wie die Bertha (von) Suttners, (Erzherzog) Ludwig Victors oder Albert Figdors mehrten das Renommée, so dass das Palais Dorotheum 1925/26 um ein ganzes Stockwerk erweitert werden musste, um der Nachfrage gerecht zu werden. 1935 erfuhren die privatrechtlichen Angestellten die Überführung in den Stand der öffentlichen Bediensteten, damit einher ging auch die eingeforderte Gesinnung für die Vaterländische Front, sowie ein Treuebekenntnis zu "Gott und Österreich".

Unmittelbar nach dem "Anschluss" an das nationalsozialistische Deutsche Reich hatten die BeamtInnen dann den Schwur zum Gehorsam gegenüber Adolf Hitler zu leisten. Das Dorotheum befand sich seit März 1938 unter kommissarischer Verwaltung, MitarbeiterInnen der ersten und zweiten Führungsriege, darunter auch der Generaldirektor, wurden ausgetauscht. Der Sommer brachte die Entlassung von 29 jüdischen BeamtInnen, sofern sie nicht in den Ruhestand versetzt werden konnten. Die NSDAP-Mitglieder Franz Hofbauer und Anton Jennewein wurden neue Geschäftsführer des Dorotheum. Besonders Jennewein forcierte eine weitere Stärkung des Kunstgeschäftes gegenüber dem Pfandgeschäft und ersann neue Strategien für wirtschaftliches Wachstum. Neben der üblichen Akquise im Auktionsbereich wurde auch die Kooperation mit Zoll- und Finanzbehörden, der Gemeinde Wien und der Gestapo gesucht. Versteigerungen von Wohnungseinrichtungsgegenständen und Schmuck entrechteter "Jüdinnen" und "Juden" sowie anderer unter dem nationalsozialistischen Regime verfolgter Personen, darunter auch beschlagnahmtes Umzugsgut, welches über die Vugesta oder die "Güterverkehrsgesellschaft Adria" eingebracht worden war, führten zu den erwünschten Umsätzen. Nachdem die Gestapo Wohnungseinrichtungen in manchen Fällen unmittelbar nach der Beschlagnahme direkt in den jeweiligen Wohnräumen durch das Dorotheum versteigern ließ und den erzielten Erlös zum Gegenstand des Einziehungsverfahren machte, stiegen 1938 auch die sogenannten Haus- bzw. Wohnungsauktionen sprunghaft an. Diese verfügten über Kataloge und nannten die Adresse, aber nicht den Namen der Geschädigten. Der spätere Chefexperte der Kunstabteilung Johann (Hans) Herbst wickelte mangels ausreichender Ware im Inland auch in den von der deutschen Wehrmacht besetzten Niederlanden und Frankreich lukrative Geschäfte ohne Scheu vor bedenklichen Provenienzen ab. Dadurch, dass die Einlieferungen von Objekten durch NS-Stellen ebenso behandelt wurden wie freiwillige Einlieferungen, und daher ohne gesonderte Kennzeichnungen nebeneinander in den Katalogen erschienen, ließ sich für KäuferInnen meist nicht erkennen, ob es sich bei den angebotenen Objekten um Zwangsverkäufe handelte. Nachdem die Gegenstände außerdem bereits zuvor durch den nationalsozialistischen Machtapparat entzogen worden waren, fielen die Dorotheumsverkäufe nach 1945 nicht unter das Nichtigkeitsgesetz. Das Dorotheum agierte bei den Veräußerungen meistens als Kommissionär, verkaufte die Ware also als Agent für einen Dritten und kassierte Provisionen zwischen 5 % und 12 % auf EinbringerInnen- und 19 % auf KäuferInnenseite. Die Auktionen erfolgten auf Rechnung des Deutschen Reiches, die Erlöse gingen direkt an dessen Organisationen oder auf Sperrkonten und kamen somit nicht den ursprünglichen EigentümerInnen zugute.

Nach Kriegsende wurde der Geschäftsführer des Dorotheum Anton Jennewein im August 1946 wegen Hochverrats zu zwei Jahren schweren Kerkers verurteilt. Seine Tätigkeit im Dorotheum war dabei nicht Bestandteil des Verfahrens, vielmehr ging es um seine Angehörigkeit zur NSDAP seit 1933 sowie seine politischen Aktivitäten als Bezirksleiter des Tennengaus und Gauleiter des Landes Salzburg in den Jahren 1931–1935. Aufgrund der Entnazifizierungsmaßnahmen seit 1945 wurden schließlich weitere 170 Personen aus dem Dorotheum entlassen, der damalige MitarbeiterInnenstand lag bei knapp 900. Trotz eines massiven Bombenschadens am Hauptgebäude und der teilweise kompletten Zerstörung der Zweiganstalten gelang es dem Dorotheum innerhalb von wenigen Tagen nach Beendigung der Kriegshandlungen wieder einen eingeschränkten Betrieb aufzunehmen. Zunächst wurde das Pfand- und Einlagengeschäft, im Herbst auch das Versteigerungsgeschäft aktiviert. Die Geschäftstätigkeit erfuhr in der Zeit bis 1954 einen Aufschwung, der sich sowohl durch personelle als auch räumliche Erweiterung manifestierte. In der nach Kriegsende einsetzenden Restitutionsdebatte nahm das Dorotheum einen wichtigen Platz ein, war es doch damals aufgrund seiner Unterlagen in der Lage, sehr genau über die von den NS-Stellen eingebrachten Objekte zu informieren. Opfer der nationalsozialistischen Entziehungsmaßnahmen konnten die Akten des Dorotheum betreffend die ihnen entzogenen Gegenstände einsehen, sofern diese dem jeweiligen Namen zugeordnet werden konnten. Schriftliche Auskünfte durfte das Dorotheum sogar mit Namen der ErsteherInnen der entzogenen Güter erteilen, da der Datenschutz bis zum Auslaufen der Rückstellungsgesetze für das Dorotheum aufgehoben war. Dies betraf auch solche Gegenstände, die unter die sogenannte § 14-Anmeldung fielen und im Pfandbereich des Dorotheum gegen geringes Entgelt hatten abgegeben werden müssen. Aus Platzmangel hielt sich das Institut allerdings streng an die geltenden steuerlichen Aufbewahrungsfristen, wodurch auch die Akten der Versteigerungsanstalt nach Auslaufen der Rückstellungsgesetze vernichtet wurden, so dass heute kaum quellenbasierte Aussagen über Transaktionen zwischen 1938 und 1945 getroffen werden können. Die Neuorganisation durch das Dorotheum-Gesetz vom 1. Jänner 1979, welches die Rechtsstellung des Instituts neu regelte (Dorotheum Auktion-, Versatz- und Bank-GmbH), hatte die Auflösung einiger Zweigstellen, die Errichtung des Freiverkaufs und die Veräußerung der institutseigenen Bank zur Folge. Die Privatisierung des Unternehmens erfolgte schließlich 2001, nach fast 300 Jahren endete damit die staatliche Verwaltung. Um der historischen Verantwortung aufgrund der Verflechtungen mit dem NS-Staat nachzukommen, gingen 32 Millionen US-Dollar aus dem Verkaufserlös des Dorotheum in den Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus. Ein weiterer Ausdruck der Wahrnehmung der Verantwortung durch die neuen Eigentümer war die Einrichtung einer eigenen Abteilung für Provenienzforschung. Externe HistorikerInnen sichteten zudem das intern noch vorhandene Archivmaterial, welches anschließend dem Österreichischen Staatsarchiv übergeben und damit öffentlich zugänglich gemacht wurde. Nach mehrjähriger Forschung erschien 2006 die unternehmensgeschichtliche Darstellung und Analyse unter dem Titel Zwischen Staat und Wirtschaft. Das Dorotheum im Nationalsozialismus.

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Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Direktion des K. k. Versatzamtes, Das K. k. Versatzamt in Wien von 1707–1900, Wien 1901.

Felix Czeike, Das Dorotheum. Vom Versatz- und Fragamt zum modernen Auktionshaus, Wien 1982.

Georg Graf, Die österreichische Rückstellungsgesetzgebung. Eine juristische Analyse, Wien 2003.

Stefan August Lütgenau/Alexander Schröck/Sonja Niederacher, Zwischen Staat und Wirtschaft. Das Dorotheum im Nationalsozialismus, Wien 2006.

Daniela Gregori, Dorotheum. Die ersten 300 Jahre, Wien 2007.

Archivalien

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 13/2.

OeStA/AdR, Archivalien des Dorotheums.