Poglayen-Neuwall, Stefan

Stefan Poglayen-Neuwall

Porträt, Schwarz-Weiß-Foto, gerastert für den Druck
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25.12.1888 Pola / Pula, Istrien – 15.3.1951 Zürich

auch Stephan Poglayen-Neuwall

Stefan Poglayen-Neuwall war ein österreichisch-italienischer Journalist und Kunsthistoriker. Er wurde, nachdem er durch den frühen Tod seiner Eltern im Alter von drei Jahren Vollwaise geworden war, von seiner Tante Henriette Freiin von Neuwall adoptiert. 1913 erlangte er mit seiner Dissertation Ein altchristlicher Hochzeitsschrein aus dem Silberschatz vom Esquilin seine Doktorwürde. Er publizierte in zahlreichen Kunstzeitschriften in Österreich, Deutschland und Italien und war für die Monatszeitschrift Weltkunst als Generalvertreter beschäftigt. 1938 nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich musste Poglayen-Neuwall, auch als italienischer Staatsbürger, wegen seiner jüdischen Großeltern die Beschlagnahme seiner österreichischen Vermögenswerte befürchten. Daher ließ er seine Wiener Wohnung auf und flüchtete im April 1939 nach Italien. Davor, im Dezember 1938, hatte er dem Historischen Museum der Stadt Wien (heute Wien Museum) noch sein Biedermeier-Schlafzimmer angeboten. Dabei drohte ihm Direktor Karl Wagner im Wissen um dessen jüdische Großeltern damit, dass es "nur von ihm abhinge, auf welche Weise er die Möbel in den Besitz des Museums brächte". Daher sah sich Poglayen-Neuwall gezwungen, weit unter Wert zu verkaufen. Auch dem Staatlichen Kunstgewerbemuseum in Wien, dem späteren Österreichischen Museum für angewandte Kunst (heute MAK) verkaufte er 1939 auf Grund seiner Zwangslage zwei Bilderrahmen, die in die Sammlung übernommen wurden. In der Emigration lebte er in Rom, wo er sich als Sprachlehrer und Übersetzer notdürftig seinen Unterhalt verdiente.

1948 kehrte Stefan Poglayen-Neuwall nach Wien zurück und wandte sich an den damaligen Kulturstadtrat Viktor Matejka, um eine Entschädigung für die in einer Zwangssituation unter Wert verkaufte Schlafzimmereinrichtung zu beantragen. Da jedoch der noch im Amt befindliche Direktor des Historischen Museums Karl Wagner bestritt, dass der Verkauf unter Zwang erfolgt war, kam keine einvernehmliche Lösung zu Stande. Erst die systematische Provenienzforschung im Wien Museum führte 2003 zum Beschluss der Wiener Restitutionskommission, die noch im Wien Museum vorhandenen Biedermeier-Möbel an den Rechtsnachfolger nach Stefan Poglayen-Neuwall zurückzugeben. 2012 empfahl der österreichische Kunstrückgabebeirat die beiden Bilderrahmen aus dem MAK zur Restitution.

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Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Dr. Stefan Poglayen-Neuwall, 2.3.2012, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Poglayen-Neuwall_Stefan_2012-03-02.pdf (3.12.2020).

Vierter Bericht des amtsführenden Stadtrates für Kultur und Wissenschaft über die gemäß dem Gemeinderatsbeschluss vom 29. April 1999 erfolgte Übereignung von Kunst- und Kulturgegenständen aus den Sammlungen der Museen der Stadt Wien sowie der Wiener Stadt- und Landesbibliothek vom 10. November 2003 (Restitutionsbericht 2003), URL: www.wienmuseum.at/fileadmin/user_upload/PDFs/Restitutionsbericht_2003.pdf (3.12.2020).

Publikationen der Person / Institution

Auswahl:
Stephan Poglayen-Neuwall, Ein altchristlicher Hochzeitsschrein aus dem Silberschatz vom Esquilin, Dissertation Universität Wien 1913.
Stephan Poglayen-Neuwall, Eine koptische Pyxis mit den Frauen am Grabe aus der ehemaligen Sammlung Pierpont Morgans, in: Monatshefte für Kunstwissenschaft 10 (1919), 81–87.
Stephan Poglayen-Neuwall, Ein heidnisches Elfenbeinrelief des Triestiner Museo civico di storia ed arte im Spiegel der spätantiken Kunst Äqyptens, in: Monatshefte für Kunstwissenschaft 14 (1921), 174–180.
Stephan Poglayen-Neuwall, Ein spätantikes Kopfgefäss aus der ehemaligen Sammlung I. P. Morgan, in: Heinrich Glück (Hg.), Studien zur Kunst des Ostens. Josef Strzygowski zum sechzigsten Geburtstage von seinen Freunden und Schülern, Wien 1923, 248–250.
Stephan Poglayen-Neuwall, Ein wiederaufgetauchtes Frühwerk Tizians?, in: Der Cicerone 19 (1927), 591–596.
Stephan Poglayen-Neuwall, Eine tizianeske "Toilette der Venus" aus dem Cranach-Kreis im Zusammenhang mit verwandten Darstellungen Tizians und deren Kopien, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, N.F. 6 (1929), 167–199.
Stephan Poglayen-Neuwall, Einige Meisterwerke italienischer Malerei der Sammlung Wilhelm von Ofenheim, in: Pantheon. Internationale Jahreszeitschrift für Kunst 3 (1929), 267–271.
Stephan Poglayen-Neuwall, Über die ursprünglichen Besitzer des spätantiken Silberfundes vom Esquilin und seine Datierung, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts. Römische Abteilung / Bullettino dell` Istituto Archeologico Germanico. Sezione Romana 45 (1930), 1–2.
Stephan Poglayen-Neuwall, Drei Jahrhunderte Vlämischer Kunst in der Wiener Sezession, in: Der Cicerone. Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers, 22/1 (1930), 133–137.
Stephan Poglayen-Neuwall, Heinrich Glück (Nekrolog), in: Österreichische Kunst. Monatshefte für bildende Kunst 1/10 (August 1930), 26–27.
Stephan Poglayen-Neuwall, Eine Krakauer Kilimweberei, in: Der Kunstwanderer. Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen 13/14 (1931/32), 107–109.
Stephan Poglayen-Neuwall, Karl Gaulhofer. Die Fußhaltung. Ein Beitrag zur Stilgeschichte der menschlichen Bewegung. (Buchbesprechung), in: Belvedere (1932), 47–48.
Stephan Poglayen-Neuwall, Die Züricher Adonis-Pyxis, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, N. F. 9 (1932), 7–16.
Stephan Poglayen-Neuwall, Deutsche Bilder in römischen Galerien, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 7 (1940), 249–259.
Stephan Poglayen-Neuwall, Eine frühe Darstellung der "Elousia", in: Pont. Institutum Orientalum Studiorum (1941), 293–294 (= Sonderdruck aus Orientalia christiana periodica).
Stephan Poglayen-Neuwall, The Venus of the Ca D´oro and the origin of the chief types of the Venus at the Mirror from the workshop of Titian, in: The art bulletin 29/3 (1947), 195–196.
Stephan Poglayen-Neuwall, Die bildenden Künste in Budapest seit ihrer Befreiung, in: Zeitschrift für Kunst 3 (1949), 3, 209–211.
Stephan Poglayen-Neuwall, Eine Guardi-Ausstellung in Trient, in: Zeitschrift für Kunst 3 (1949), 299–300.
Stephan Poglayen-Neuwall, Querschnitt durch die Wiener Ausstellungen des Jahres 1949, in: Zeitschrift für Kunst 4 (1950), 171–174.

Archivalien

MAK-Archiv, Zl. 955-1939 aus 873-1939; Zl. 1092-1939 aus 873-1939; Zl. 247-1940 aus 247-1940 und Zl. 541-1940 aus 247-1940.

Museen der Stadt Wien (Städtische Sammlungen, MA 10), St.S, 1762/38; Z. Pr. 342/38.

WStLA, Opferfürsorgeakt Stephan Poglayen, Zl. R 373/49.