Der 1902 geborene Franz Sochor arbeitete ab 1919 als Bankbeamter in der Niederösterreichischen Escompte-Gesellschaft in Wien. Parallel dazu belegte er in seiner Freizeit verschiedene Malkurse, wie etwa bei der akademischen Malerin H. Emsen oder bei Rudolf Bacher, Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Nachdem er seine Anstellung 1934 bei der Escompte-Gesellschaft verloren hatte, diese war mit der Creditanstalt fusioniert worden, besuchte er im Sommer 1934 Restaurierkurse bei Robert Eigenberger, dem Leiter der Meisterschule für Konservierung und Technologie an der Wiener Akademie. Sochor machte sich 1936 als Restaurator selbständig. Er dürfte weder NSDAP-Anwärter noch Mitglied gewesen sein. Eindeutige Informationen zu seiner politischen Ausrichtung sind in den vorliegenden Dokumenten nicht erhalten. Im Spätherbst 1940 begann Sochor für den "Sonderauftrag Linz" zu arbeiten, ab Mai stellte ihn die Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums (KHM) in Wien als technischen Restaurator an, wo er bis 1954 einen Sondervertrag haben sollte, ehe seine Ernennung zum Vertragsbediensteten erfolgte. Laut den 2008 publizierten Recherchen der Historikerin Morwenna Blewett war Sochor in Polen an den Plünderungen von Kunst- und Kulturgut des NS-Regimes beteiligt, wo er zeitweise für den Arbeitsstab von Kajetan Mühlmann – wie auch die Wiener RestauratorInnen Ingeborg Spann und Eduard Kneisel – tätig war. Ebenso wie sein Kollege aus der Restaurierwerkstätte der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums Josef Hajsinek war Sochor an mehreren österreichischen Bergungsorten beschäftigt, so etwa fallweise in Gaming. Von Mai 1942 bis November 1944 hielt sich Sochor immer wieder im aufgehobenen Benediktinerstift Kremsmünster auf, um die dort untergebrachten Kunstgegenstände aus dem Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen in Wien neu zu katalogisieren und konservatorisch zu betreuen. Als das sogenannte Reichskunstdepot aufgrund der drohenden Luftangriffe als Bergungsort nicht mehr sicher genug erschien, verbrachte man die Kulturgüter in das Altausseer Salzbergwerk. Ab Dezember 1944 war Sochor ständig im Salzbergwerk Lauffen bei Bad Ischl tätig, wo er – wiederum gemeinsam mit Hajsinek – für die sachgemäße Deponierung der Kunstgüter aus den staatlichen Sammlungen verantwortlich zeichnete. Am 3. Mai 1945 wurden in Lauffen Bilder, Gobelins und Kisten mit Gegenständen aus der Plastiksammlung des Kunsthistorischen Museums aus dem dortigen Salzbergwerk auf zwei Militärlastautos verladen und Richtung Westen abtransportiert, darunter befanden sich sämtliche Bilder Rembrandts, Pieter Bruegels d. Ä, Tizians und Velazquez'. Der von Reichskulturreferent Hermann Stuppäck überbrachte Auftrag zur Verlagerung der Objekte kam direkt von Reichsleiter Baldur von Schirach. Die beiden Restauratoren Franz Sochor und Josef Hajsinek mussten den Transport begleiten, der zunächst Richtung Mittersill ging und in Bramberg im Salzburger Pinzgau eintraf, wo die Kunstwerke im Weyerhof untergebracht werden konnten. Am nächsten Tag ging die Fahrt weiter, nun nur noch von Offizieren der Wehrmacht begleitet, die beiden Restauratoren mussten in Bramberg bleiben, von wo sie versuchten Kontakt mit der US-amerikanischen Armee aufzunehmen. Am 23. Mai 1945 kehrten Sochor und Hajsinek nach Bad Ischl zurück und verfassten ein im KHM-Archiv erhaltenes Gedächtnisprotokoll über die knapp drei Wochen zurückliegenden Ereignisse. Die Kunstgegenstände tauchten später in St. Johann in Tirol wieder auf und wurden der US-amerikanischen Militärverwaltung übergeben, die sie zunächst in einer Halle in Kleßheim bei Salzburg lagerte. Sochor blieb bis November 1945 in Lauffen und kehrte anschließend mit dem ersten Transport von Kulturgütern wieder nach Wien zurück. 1946 erhielt er die Leitung der technischen Abteilung der Restaurieranstalt des Kunsthistorischen Museums übertragen und 1963 den Titel "Professor" verliehen. 1969 ging Franz Sochor in Pension.
Franz Sochor
Morwenna Blewett, Restorers in the Service of the Nazi Kleptocracy. A Case Study from the Sequestrations of the Dienststelle Mühlmann, in: Ruth Heftrig/Olaf Peters/Barbara Schellewald (Hg.), Kunstgeschichte im "Dritten Reich". Theorien. Methoden, Praktiken, Berlin 2008, 393–404.
Theodor Brückler (Hg.), Kunstraub, Kunstbergung und Restitution in Österreich 1938 bis heute, Wien 1999.
Agnieszka Gasior, Zwischen Okkupation und Konspiration. Streiflichter auf die Situation von Kunsthistorikern im besetzten Polen (1939–1945), in: Magdalena Bushart/Agnieszka Gasior/Alena Janatková (Hg.), Kunstgeschichte in den besetzten Gebieten 1939–1945, Köln-Weimar-Wien 2016, 111–139.
Katharina Hammer, Glanz im Dunkeln. Die Bergung von Kunstschätzen im Salzkammergut am Ende des 2. Weltkrieges, 3. Auflage, Altaussee 1996.
Herbert Haupt, Jahre der Gefährdung. Das Kunsthistorische Museum 1938–1945, Wien 1995.
Elisabeth Krack, Konservierungswissenschaft schreibt Geschichte. Objektrestaurierung an der Angewandten. – Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Konservierungswissenschaft und Restaurierung, Wien-Köln-Weimar 2012.
Isabel Röskau-Rydel, NS-Kunst und Kulturpolitik in Krakau unter Deutscher Besatzung am Beispiel von Museen und Ausstellungen 1939 – 1945, in: Tanja Baensch/Kristina Kratz-Kessemeier/Dorothee Wimmer (Hg.), Museen im Nationalsozialismus: Akteure – Orte – Politik, Köln-Weimar-Wien 2016, 191–202.
KHM Archiv, III 1678 PA Franz Sochor; Direktionsakten: I 51, Zl. 30, 31; I 101, Zl. 15 ; I 103, Zl. 7; I 104, Zl. 20; 9/ED/1943, 33/ED/1944, 2/ED/1945, 85/ED/1945; Bergungsakten: XIII 14, XIII 20, XIII 33, XIII 36;
KHM, Gemäldegalerie, 20/GG/1942, 28/GG/1951, 64/GG/1951, 25/GG/1952, 35/GG/1962, 32/GG/1967, 22/GG/1968, 15/GG/1969.
OeStA/AdR, UWK, BMU, Personalakten, Sign. 3, Sochor Franz.