Altaussee, Salzbergwerk

Salzbergwerk Altaussee

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weitere Bezeichnungen: Altaussee, Steinberg

Das während der NS-Zeit im Gau Oberdonau gelegene Salzbergwerk Altaussee galt neben Schloss Thürnthal als einer der wichtigsten vom Institut für Denkmalpflege in Wien verwalteten Bergungsorte. In der ersten Hälfte des Jahres 1943 wurde der Steinberghorizont, der bereits stillgelegte Teil des Salzberges, von Franz Juraschek, dem Gaukonservator in Oberdonau, und dem Leiter des Instituts für Denkmalpflege Herbert Seiberl als Bergungsort in Erwägung gezogen. Ausschlaggebend waren einerseits die klimatischen Verhältnisse im Berg, die in mehreren Gutachten u. a. von dem Chemiker Maximilian Eder festgestellt worden waren (60–75 % Luftfeuchtigkeit, 6–8 ° C Temperatur), andererseits die Zufahrtsmöglichkeit zum und in den Berg sowie die abgeschiedene Lage. Nachdem Anfang August 1943 zwischen dem Institut für Denkmalpflege und den Alpenländischen Salinen eine Vereinbarung über die vorübergehende Einlagerung von Kunstwerken getroffen worden war, ging der erste Transport am 25. August 1943 von Wien ab und erreichte den Salzberg am Folgetag. Er beinhaltete ausschließlich Kulturgüter aus Wiener Neustadt, z. B. Objekte aus dem Stadtmuseum und die Apostelfiguren Lorenz Luchspergers aus dem Dom. Für die Fotodokumentation und die Inventarisierung der eingelagerten Kunstwerke waren die MitarbeiterInnen der Denkmalbehörde Eva Kraft, Linde Schrader, Alice Hoyos und der Restaurator Emmerich Bergthold zuständig, während Seiberl die Bergungsleitung übernommen hatte. In monatlicher Abfolge wurden die Bergungstransporte in Wien abgefertigt. Im Oktober 1943 folgten erstmals sichergestellte Kunstwerke jüdischer SammlerInnen, die in Verwahrung und Verwaltung der Denkmalbehörde standen. Aus dem Gau Oberdonau evakuierte man u. a. Bergungsgut aus der Bibliothek des Historischen Forschungsinstitutes des Reichsgaues Oberdonau (Handschriften und Codices der von den Nationalsozialisten aufgehobenen Stifte Kremsmünster, St. Florian, Wilhering und Hohenfurt) und die Altdorfer-Tafeln aus Stift St. Florian, die Ölberggruppe aus der Dominikanerkirche in Steyr und zahlreiche Kunstwerke aus dem Stift Lambach nach Altaussee. Ab Februar 1944 wurde auch als bergungswürdig erachteter Wiener und Linzer Privatbesitz in Altaussee geborgen. Von Jänner bis September 1944 erfolgte außerdem die Umbergung der Kunstwerke für das geplante "Kunstmuseum Linz" aus Kremsmünster in das Salzbergwerk, für die ein eigener Restaurator vor Ort, Karl Sieber, abgestellt war. In der ersten Hälfte desselben Jahres folgten Kulturgüter aus der enteigneten Sammlung des Bankiers Jean Baron Cassel van Door, die aus Paris eingetroffen waren, unverteilte Objekte aus den beschlagnahmten Wiener Sammlungen Alphonse und Louis Rothschild sowie Umbergungen aus den Plünderungen des "Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg" in Westeuropa von den Schlössern Neuschwanstein und Herrenchiemsee in Bayern; hinzu kamen die Glasfenster der Kirche Maria am Gestade in Wien, Glasfenster der Franzensburg des Schlosskomplexes Laxenburg, Foto- und Plansammlung sowie Teile der Bibliothek des Instituts für Denkmalpflege. Im Mai 1944 begannen die Bergungstransporte aus dem Münchner "Führerbau" nach Altaussee, die sich bis in den April 1945 hinzogen. Zudem wurden im September 1944 siebzig Bilder aus der Schack-Galerie in München und der Genter Altar, der zuvor in Schloss Neuschwanstein gelagert gewesen war, in den Salzberg gebracht. Als letzter "Großtransport" traf die Sammlung des deutsch-niederländischen Bankiers Fritz Mannheimer in Altaussee ein. Im Angesicht der Niederlage NS-Deutschlands gegen die Alliierten ließ August Eigruber, Gauleiter in Oberdonau, am 10. und am 15. April 1945 je vier Kisten mit Bomben in den Salzberg bringen, um die eingelagerten Kunstschätze zu vernichten. Auf Initiative Seiberls erfolgten deswegen mehrere Umbergungen, teils innerhalb des Berges, teils nach Bad Aussee und nach Lauffen. Von 3. auf den 4. Mai 1945 entfernten Salinenmitarbeiter die Kisten unter Berufung auf einen Befehl Ernst Kaltenbrunners, des Leiters des Reichssicherheitshauptamtes, wieder aus dem Bergwerk. Am Folgetag wurden mehrere Zugänge zu den Kunstwerken durch Lähmungssprengungen blockiert, deren Freilegung bis Mitte Mai 1945 andauern sollte. Am 8. Mai 1945 traf die 3. US-Panzerarmee in Altaussee ein, und der Salzberg wurde der U.S. Army übergeben. Fortan wurde der Großteil der Kunstwerke in unzähligen Transporten in den Central Collecting Point nach München verbracht. Im Salzberg verblieben vorerst jene Objekte, deren österreichische Provenienz gesichert schien, meist staatlicher und kirchlicher Besitz, sowie Objekte, die hinsichtlich ihrer Provenienz von österreichischer Seite überprüft werden sollten. Einzelne Kunstwerke, wie z. B. Münzen der Wiener Familie Rothschild, waren bis 1963 im Salzberg eingelagert. Ende März 1946 übergaben die United States Forces in Austria das Kunstgutdepot der Republik Österreich, und das Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung übernahm die Verwaltung der Objekte. Von 1966 bis weit in die 1970er-Jahre wurde der Salzberg Altaussee im Bereich Steinberghorizont im Sinne der Haager Konvention als Zentralbergungsort für die größten staatlichen Sammlungen in Wien ausgebaut und war bis zum September 2000 unter Sonderschutz gestellt.

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Publikationen zur Person / Institution

Theodor Brückler, Gefährdung und Rettung der Kunstschätze im Altausseer Salzberg: Versuch einer kritischen Rekonstruktion, in: Eva Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe. Österreichs Denkmalschutz und Denkmalpflege 1918–1945 im Prisma der Zeitgeschichte, Wien-Köln-Weimar 1997, 363–379.

Theodor Brückler, Kunstwerke zwischen Kunstraub und Kunstbergung 1938–1945, in: Theodor Brückler (Hg.), Kunstraub, Kunstbergung und Restitution in Österreich 1938 bis heute (= Studien zu Denkmalschutz und Denkmalpflege 19), Wien-Köln-Weimar 1999, 13–30.

Robert M. Edsel/Bret Witter, Monuments Men. Die Jagd nach Hitlers Raubkunst, Salzburg 2009.

Eva Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe. Österreichs Denkmalschutz und Denkmalpflege 1918–1945 im Prisma der Zeitgeschichte, Wien-Köln-Weimar 1997.

Katharina Hammer, Glanz im Dunkel. Die Bergung von Kunstschätzen im Salzkammergut am Ende des 2. Weltkrieges, Altaussee 1996.

Veronika Hofer (Hg.), Berg der Schätze. Die dramatische Rettung europäischer Kunst im Altauseer Salzbergwerk, o. O. 2006.

Franz Juraschek, Die Klosterdenkmale Oberösterreichs. Ihr Schicksal in und nach dem Kriege, in: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereins 92 (1947), 84–99.

Konrad Kramar, Mission Michelangelo. Wie die Bergleute von Altaussee Hitlers Raubkunst vor der Vernichtung retteten, St. Pölten-Salzburg-Wien 2013.

Emmerich Pöchmüller, Weltkunstschätze in Gefahr, Salzburg 1948.

Anneliese Schallmeiner, Die modernen Nibelungen "salzen" ihre Schätze ein. Altaussee als Bergungsort des Instituts für Denkmalpflege, in: Pia Schölnberger/Sabine Loitfellner (Hg.), Bergung von Kulturgut im Nationalsozialismus. Mythen – Hintergründe – Auswirkungen (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 6), Wien-Köln-Weimar 2015, 103–128, URL: doi.org/10.7767/9783205201564-007.

Archivalien

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 10/1, sog. Posse Korrespondenz;  K. 22, Bergungsort Altaussee; K. 22/1, Bergungsort Altaussee I; K. 22/2, Bergungsort Altaussee II; K. 22/3, Bergungsort Altaussee III; K. 22/4, Bergungsort Altaussee IV; K. 22/5, Bergungsort Altaussee V.
BDA-Archiv, Bundesdenkmalamt allgemein, K. 32, Zentralbergungsort Altaussee (1967–1984).
BDA-Archiv, Haager Konvention, K. 2 (1982–1985).

BArch Berlin, NS 6/413.
BArch Berlin, NS 8/190.
BArch Koblenz, B323/106.

OeStA/AdR, UWK, BMU, II, 15B1, K 97, 98.

UAAbKW, Zl. 303/1943.