Seiberl, Herbert

Herbert Seiberl

Mann am Schreibtisch, telefonierend, Schwarz-Weiß-Foto
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30.3.1905 Pöggstall – 15.11.1952 Bad Aussee

Neben dem Studium der Rechtswissenschaft war Herbert Seiberl bis 1929 als Schüler in der Klasse für Malerei von Hans Tichy und Josef Jungwirth an der Akademie der bildenden Künste in Wien eingeschrieben. 1930 promovierte er an der juridischen und 1935 im Fach Kunstgeschichte an der philosophischen Fakultät der Universität Wien. Von 1931 bis 1935 war er als Hilfslehrer am Gymnasium in Hollabrunn in Niederösterreich tätig. Während seiner Lehrtätigkeit schlug er mehrmals das Angebot aus, im Kulturreferat der Vaterländischen Front mitzuarbeiten, deren Mitglied er seit Dezember 1933 war. Danach hospitierte Seiberl an der Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe des Kunsthistorischen Museums in Wien, bis er im September 1936 als wissenschaftliche Hilfskraft in der Zentralstelle für Denkmalschutz im Bundesministerium für Unterricht aufgenommen wurde.

Herbert Seiberl war bereits 1933 der mittlerweile verbotenen NSDAP beigetreten, ohne – wie er sich in seinem Volksgerichtsverfahren 1947/48 verteidigen sollte – eine Funktion bei dieser ausgeübt zu haben. In seinem Antrag auf Mitgliedschaft vom Mai 1938 gab er jedoch an, die Juliputschisten 1934 in Bad Mitterndorf in der Steiermark unterstützt und die Angestellten in der Zentralstelle zur Stimmverweigerung bei der von Kurt Schuschnigg angekündigten Volksbefragung zur Unabhängigkeit Österreichs aufgefordert zu haben. Sein offizieller Eintritt in die Partei erfolgte mit dem 1. Mai 1938, Mitgliedsnummer: 6,200.962. 1938 leitete er die nationalsozialistische Zelle IV der Gruppe Unterrichtsministerium in der Zentralstelle für Denkmalschutz. Nach der Pensionierung des Präsidenten der Denkmalbehörde Leodegar Petrin im September 1938 sollte Seiberl vorerst zum provisorischen Leiter der Zentralstelle und später zum kommissarischen Leiter der Abteilung für geschichtliche Kulturdenkmale avancieren. Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich beharrten sowohl der amtierende Präsident Petrin sowie dessen Nachfolger Seiberl auf der verpflichtenden Angabe von Kunstwerken im Erhebungsformular gemäß § 12 Denkmalschutzgesetz von 1923. Damit gelang es ihnen, die Aufhebung der im Österreichischen Denkmalschutzgesetz verankerten Ausfuhrregelungen und somit die Einführung der Reichsliste national wertvollen Kunstguts abzuwenden. Im Dezember 1938 plante Seiberl im Gasthaus Zur blauen Traube in Bad Aussee eines der bedeutendsten Volkskundemuseen im Land Österreich einzurichten, das dort 1942 eröffnet werden sollte. Teile der in Altaussee, Bad Aussee und Grundlsee sichergestellten Sammlungen von Rudolf Stiassny, Stephan, Konrad und Anna Mautner, Ernst Königsgarten und Aranka Munk bildeten den Bestand des Museums. Auf Antrag der Zentralstelle hatten die Bezirks- und Landesbehörden österreichweit ab März 1938 zahlreiche Sicherungsmaßnahmen gemäß § 4a des sogenannten Ausfuhrverbotsgesetzes von 1923 angeordnet. Die Verwaltung und die spätere Verwahrung der sichergestellten Sammlungen, auf die im Juli 1939 der sogenannte "Führervorbehalt" ausgedehnt werden sollte, erfolgte durch Herbert Seiberl und seine MitarbeiterInnen. Unter den in der Orangerie des Unteren Belvederes, einem Depot der Denkmalbehörde, gelagerten Kunst- und Kulturgütern befanden sich ab Oktober 1939 u. a. Objekte aus den Sammlungen von Serena Lederer, Oscar Bondy, Fritz Mandl, Julius Priester und Paul Zsolnay. Im Juli 1940 übertrug Friedrich Plattner, Staatskommissar für Erziehung, Kultus und Volksbildung, Herbert Seiberl auch die Verwaltung der 16 beschlagnahmten Wiener Sammlungen, darunter jene von Alphonse und Louis Rothschild, Alfons Thorsch und Otto Pick. Einige Objekte befanden sich nach wie vor im Zentraldepot in der Neuen Burg, während andere bereits in die Bergungsstelle "Jagd" in Steinbach bei Göstling verlagert worden waren. Nach einer Umstrukturierung und Umbenennung der im Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten angesiedelten Zentralstelle für Denkmalschutz in Institut für Denkmalpflege übernahm Seiberl 1940 die Gesamtleitung der Behörde. Die sogenannte "Verländerung der Denkmalpflege" bedingte, dass er seine Funktion als Gaukonservator von Wien und Niederdonau nebenamtlich ausüben musste und als solcher den Reichsstatthaltereien untergeordnet war. Als Leiter des Instituts unterstand er hingegen unmittelbar dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in Berlin. In beiden Funktionen war er mit der Bergung mobiler und der Sicherung immobiler Kunstwerke, dem Denkmalschutz und der Denkmalpflege betraut. So verhinderte Seiberl den Abriss des denkmalgeschützten, aber baufälligen Schlosses Thürnthal in Niederdonau, indem er 1943 die notwendige Restaurierung mit einer Adaptierung des Schlosses als Bergungsdepot für die Wiener Sammlung Anton Lanckoroński verband. Gemeinsam mit dem Gaukonservator in Oberdonau Franz Juraschek etablierte er das Salzbergwerk in Altaussee als Bergungsstelle. Ende August 1943 organisierte Seiberl den ersten Transport nach Altaussee. Anfänglich sah er ausschließlich Kunst- und Kulturgüter für eine Bergung vor, die in seinen Wirkungsbereich als Gaukonservator fielen u. a. waren dies Objekte aus dem Dom und dem Stadtmuseum in Wiener Neustadt. Ab Oktober 1943 wurden die Bergungstranporte sukzessive auf die von der Denkmalbehörde verwalteten, sichergestellten Sammlungen ausgeweitet; darunter Objekte aus den Sammlungen von Serena Lederer, Bruno Jellinek, Julius Freund. Danach folgten zahlreiche Kunstgegenständen, die im Rahmen des "Sonderauftrags Linz" akquiriert worden waren, sowie Objekte aus dem "Altreich" (Kunstwerke des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg aus Schloss Neuschwanstein, Objekte aus der Parteikanzlei in Berlin, dem Führerbau in München u. v. m.). Gottfried Reimer bestimmte Seiberl 1944 als seinen Stellvertreter in Altaussee. Nachdem die Absicht des Gauleiters und Reichstatthalters von Oberdonau August Eigruber bekannt geworden war, das Bergwerk und die darin geborgenen Kunstgüter zu vernichten, organisierte Seiberl mit einigen MitarbeiterInnen Umbergungen der wertvollsten Stücke in alternative Lagerräumlichkeiten innerhalb und außerhalb des Bergwerks. Als die 3. US-Armee unter General George Patton das Depot am 8. Mai 1945 übernahm, verlor Seiberl seine Verantwortlichkeit vor Ort.

Rückwirkend mit 6. Juni 1945 wurde Seiberl wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP aus dem Bundesdienst ausgeschieden. Er gründete daraufhin mit seiner ehemaligen Mitarbeiterin Hilde Schrader die Restaurierwerkstätte Seiberl und Schrader in Bad Aussee. 1948 sprach das Linzer Volksgericht Herbert Seiberl von den Anklagepunkten gemäß §§ 8, 10 und 11 des Verbotsgesetzes ("Registrierungsbetrug", "Illegalität" und "Qualifizierte Illegalität") frei. Das Gericht berief sich auf die Aussagen einiger MitarbeiterInnen des Bundesdenkmalamtes, denen zu Folge er politisch verfolgte und nach den nationalsozialistischen Nürnberger Gesetzen verfolgte Personen weiterhin beschäftigt hatte (u. a. Eva und Victor Kraft, Theodor Hoppe, Erwin Hainisch, Josef Zykan und Hubert Bernhard). Bis zu seinem Tod im November 1952 war er als Restaurator tätig.

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Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Theodor Brückler, Die "Verländerung" der österreichischen Denkmalpflege in der NS-Zeit und die Gründung des Instituts für Denkmalpflege 1940, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege (ÖZKD) 44 (1990), 184–194.

Theodor Brückler/Ulrike Nimeth, Personenlexikon der österreichischen Denkmalpflege, Wien 2001.

Lisa Frank, ... unabhängig vom Schicksal des Originals... Der Fotobestand in der Kommission für Provenienzforschung, Diplomarbeit Universität Wien 2012.

Eva Frodl-Kraft, Gefährdetes Erbe. Österreichs Denkmalschutz und Denkmalpflege 1918–1945 im Prisma der Zeitgeschichte, Wien-Köln-Weimar 1997.

N. N., Nachruf Dr. iur. et phil., Akad. Maler Herbert Seiberl , in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege (ÖZKD) 7 (1953), 47.

Publikationen der Person / Institution

Herbert Seiberl, Die Plastik des XVI. Jahrhunderts in Wien und Niederösterreich, Dissertation Universität Wien 1935.
Herbert Seiberl, Ein Salzburger Bildwerk im Prager Landesmuseum, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien N. F. 12 (1938), 157–173.
Herbert Seiberl, Zur Geschichte der Gmundner Hafnermalerei, in: OÖ Heimatblätter 1 (1947), 308–314.

Archivalien

BDA-Archiv, PA, K. 33, M. Herbert Seiberl; Korrespondenzen Walter Semetkowski; Restitutionsmaterialien, K. 3, K. 3/1, K. 10, K. 10/1, K. 22, K. 22/4, K. 27, K. 27/1.

KHM-Archiv, 25/KL/1940.

OÖLA, Sondergerichte, Vg 8 Vr 6756/47, Herbert Seiberl.

OeStA/AdR, ZNsZ, Gauakt 87.062, Herbert Seiberl.
OeStA/AdR UWFuK BMU PA Sign 3 Herbert Seiberl

Universitätsarchiv der Akademie der bildenden Künste Wien, Studienakt Nr. 553, Herbert Seiberl.

UAW, PH RA 12497, Rigorosenakten der Philosophischen Fakultät, Herbert Seiberl, März 1935.