Altmann, Bernhard

Bernhard Altmann

Porträt, Schwarz-Weiß-Foto
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23.12.1888 Przemyśl – 2.12.1960 Zürich

Bernhard Altmann entstammte einer orthodoxen jüdischen Familie in Galizien. Die Großeltern mütterlicherseits besaßen in seinem Geburtsort Przemyśl eine Strickerei, deren Leitung seine Mutter Keile (später Karoline) Tischler noch als Ledige übernahm. Nach der Insolvenz eines von Bernhards Vater Chaskel (später Karl) Altmann gegründeten Unternehmens übersiedelte die Familie um die Jahrhundertwende nach Wien. Bernhard Altmann war zunächst als Prokurist in der von seiner Mutter in Wien-Margareten gegründeten Strickwarenfabrik beschäftigt, etablierte aber schon 1915 seine eigene Firma, wobei er vom Kommissionshandel mit Wolle rasch zur Erzeugung von Wollwaren überging. Kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ließ er im fünften Wiener Gemeindebezirk eine Wirkwarenfabrik errichten. Zweigunternehmen bzw. Verkaufsbüros entstanden in Bregenz, Zürich, London, Berlin und Mailand, 1932 gründete Altmann eine Strumpfwarenfabrik in Paris. Eine 1926 in Kossino bei Moskau errichtete Strickwarenfabrik beschlagnahmte die Sowjetregierung Anfang der 1930er-Jahre.

Bernhard Altmann flüchtete während der "Anschluss"-Tage 1938 aus Wien nach Paris und emigrierte noch im selben Jahr weiter nach England, wo er in Liverpool eine Fabrik errichtete. Sein jüngster Bruder Fritz Altmann wurde im April 1938 in das Konzentrationslager Dachau verschleppt und nach seiner Freilassung von der Gestapo auf dem Areal der Altmannschen Fabrik als Geisel festgehalten. Mit dieser Maßnahme sollte der Zugriff auf das Auslandsvermögen Bernhard Altmanns erpresst werden. Diesem gelang es, die Flucht seiner Gattin Nelly, seiner langjährigen Geliebten und späteren zweiten Ehefrau Wilhelmine North sowie seines Bruders Fritz und dessen Ehefrau Maria Altmann (née Bloch, ab 1917 Bloch-Bauer) zu organisieren. Bernhard Altmanns Fabrik wurde von drei "Ariseuren" übernommen: Kurt Bagusat, Alfred Böhme und Erich Schwarz. Schwarz, der einzige Branchenkundige und gleichzeitig der einzige Österreicher, der nur als Strohmann fungiert hatte, schied bald aus dem Unternehmen aus. In Verhandlungen in Paris und London 1938 willigte Bernhard Altmann in die entschädigungslose Übergabe der Fabrik ein. Die ihm vertraglich zugesicherten Zahlungen von monatlich 400 Pfund über fünf Jahre für Beratung und Exportförderung blieben bald aus. Nach einem heftigen Machtkampf und dem daraus resultierenden Ausscheiden Böhmes war Bagusat Alleineigentümer der nunmehrigen Wiener Wollwaren-Werke Kurt Bagusat. Die Villa Hohenfels in Wien-Hietzing, die Altmann mit seiner Ehefrau Nelly bewohnt hatte, wurde ebenso enteignet wie die gesamte Einrichtung und die wertvolle Kunstsammlung, die unter anderem mehrere Werke von Albin Egger-Lienz und Gustav Klimt umfasste. Zwischen 17. und 22. Juni 1938 wurden das Inventar der Villa und ein Großteil der Sammlung in einer mehrtägigen Hausauktion des Dorotheums an Ort und Stelle versteigert. Im Katalog waren unter 1.390 Losnummern unter anderem Bilder, Stil- und Gebrauchsmobiliar, Silber, Schmuck, Porzellan- und Glasobjekte, Ostasiatika und Perserteppiche aufgelistet.

Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs musste Bernhard Altmann als "feindlicher Ausländer" die Fabrik in Liverpool liquidieren, er migrierte 1940 weiter in die USA, wo er in San Antonio, Texas, produzieren ließ, sich auf die Herstellung von Kaschmirprodukten spezialisierte und zu einem der weltweit führenden Textilfabrikanten aufstieg. Gemeinsam mit den beiden öffentlichen Verwaltern und den verbliebenen FacharbeiterInnen machte er sich ab 1946 an den Wiederaufbau seines Wiener Unternehmens, dessen Rückstellung erst 1948 erfolgen sollte. Altmann, der sich in New York City niedergelassen hatte, kehrte jedoch nicht mehr dauerhaft nach Österreich zurück. In seinen Bemühungen, die wertvolle Kunstsammlung wiederzuerlangen, war Bernhard Altmann nur bedingt erfolgreich. Er konnte in den 1950er-Jahren allerdings sechs seiner neun Egger-Lienz-Bilder zurückerlangen, unter anderem aus der Kärntner Landesgalerie. Das Gemälde Ave Maria nach der Schlacht am Berg Isel, das sich im Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen befunden hatte und 1940 in das Ferdinandeum in Innsbruck gelangt war, wurde bereits 1950 restituiert. 2002 gab die Stadt Lienz das Bild Schnitger an die ErbInnen nach Altmann zurück. Der Kunstrückgabebeirat empfahl 2003 die Restitution einer Druckschrift aus der Österreichischen Nationalbibliothek sowie des Ölgemäldes Bildnis einer Dame von Gustav Klimt aus der Österreichischen Galerie Belvedere.

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Publikationen zur Person / Institution

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Bernhard Altmann, 18.6.2003, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Altmann_Bernhard_2003-06-18.pdf  (3.12.2020).
Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Bernhard Altmann, 20.11.2003, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Altmann_Bernhard_2003-11-20.pdf (3.12.2020).

Gabriele Anderl, Geraubte Kunst, in: Marion Krammer/Niko Wahl (Hg.), Klimt Lost, Wien 2018, 66–72.
Gabriele Anderl, Jüdisches Leben in Wien-Margareten, Wien-Berlin 2019.

Dorotheum – Wien Versteigerungsanstalt (Hg.), Versteigerung der kompletten Villeneinrichtung Wien XIII, Kopfgasse 1. Ecke Hietzinger Hauptstraße 31. […] Versteigerung: Freitag, den 17., und Samstag, den 18., Montag, den 20., Dienstag, den 21., und Mittwoch, den 22. Juni 1938, […], Wien 1938, URL: doi.org/10.11588/diglit.8889.

Sophie Lillie, Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens (= Bibliothek des Raubes 8), Wien 2003.

Thomas Trenkler, Das Gieren nach Albin Egger-Lienz am Beispiel der Sammlungen Bernhard Altmann und Georg Duschinsky, in: Gabriele Anderl/Alexandra Caruso (Hg.), NS-Kunstraub in Österreich und die Folgen, Innsbruck-Wien-Bozen 2005, 145–158.

Hanna Weber, NS-Kunstraub und Restitution am Beispiel von Gustav Klimts Damenporträts Bildnis einer Dame, Die Freundinnen und Bildnis Serena Lederer, Diplomarbeit Universität Graz 2018.

Publikationen der Person / Institution

Bernhard Altmann, Drei Jahre Aufbauarbeit in Wien, Festschrift, Wien 1948.
Bernhard Altmann, Kaschmir, Wien 1950.

Archivalien

Online-Edition der Karteien zum sogenannten Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen in Wien, Sammlung Altmann, URL: www.zdk-online.org/k/Altmann/ (3.12.2020).

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 31, PM Bernhard Altmann.
BDA-Archiv, Sicherstellungskartei, Bernhard Altmann.

OeStA/AdR, E-uReang, FLD, Ind.- A 864, Firma Bernhard Altmann.
OeStA/AdR, E-uReang, FLD, Zl. 14.961, Bernhard Altmann.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, Ha. 2852, Strickwarenfabrik Bernhard Altmann.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 63.749, Bernhard Altmann.

WStLA, Handelsgericht Wien, A43 A, Registerakten, A 31, 173, Firma Bernhard Altmann.
WStLA, M.Abt. 119, A 41, VEAV, I-16, 5. Bez.; I-6, 13. Bez.