Bondy, Oscar

Oscar Bondy

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19.10.1870 Wien – 3.12.1944 New York

Der Industrielle Oscar Bondy besaß eine mehr als 1.600 Stücke umfassende Sammlung von wertvollen Gemälden, Skulpturen, Möbeln und kunstgewerblichen Objekten. Bondy lebte ab 1905 am Schubertring 3 in der Wiener Innenstadt, sowie in Böhmen und Mähren. Im März 1938 kehrte er als von NS-Verfolgung bedrohter Jude aus der damaligen Tschechoslowakei nicht mehr nach Österreich zurück. Er emigrierte im Mai 1938 in die Schweiz, danach weiter nach Portugal und in die USA und heiratete im Exil seine Wiener Assistentin Elisabeth (Elizabeth) Soinig (5.6.1890–21.4.1974). Bondys Wiener Wohnung wurde bereits wenige Tage nach dem "Anschluss" behördlich versiegelt, ein Teil der dort befindlichen Kunstsammlung am 1. Juli 1938 auf Wunsch der Zentralstelle für Denkmalschutz (Bundesdenkmalamt) mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien sichergestellt. Bondy verweigerte die verpflichtende Vermögensanmeldung mit dem Argument, er unterliege als tschechoslowakischer Staatsangehöriger nicht dieser Bestimmung. Er forderte die Aufhebung der Sicherstellung und bot im Gegenzug der Gestapo finanzielle Ablösen sowie dem Ministerium für Inneres und kulturelle Angelegenheiten einen Teil der sichergestellten Objekte an. Auch Staatssekretär Kajetan Mühlmann, einer der größten "Ariseure" und Profiteure der NS-Zeit, war in den Fall Bondy eingebunden. Ende August 1939 ordnete das Landgericht (Landesgericht) Wien wegen der fehlenden Vermögensanmeldung die Beschlagnahme der gesamten Kunstsammlung an, am 1. Dezember 1939 folgte die ersatzlose Einziehung zugunsten des Deutschen Reiches. Die Sammlung Bondys fiel unter den sogenannten "Führervorbehalt". Das Institut für Denkmalpflege (Bundesdenkmalamt), das den Großteil der Sammlung im sogenannten Zentraldepot in Verwahrung nahm und eine Liste mit rund 1.600 offiziell erfassten Objekten erstellte, legte Hans Posse, dem Beauftragten Adolf Hitlers für das in Linz geplante Kunstmuseum ("Führermuseum"), die Listen über die Verteilungsvorschläge zu Objekten aus der entzogenen Sammlung vor. Schließlich erhielten u. a. das "Führermuseum", das Kunsthistorische Museum, die Albertina, das Barockmuseum und die Galerie des 19. Jahrhunderts (beide Österreichische Galerie Belvedere), die Nationalbibliothek, das Kunstgewerbemuseum (MAK), die Wiener Städtischen Sammlungen (Wien Museum), das Heeresmuseum (Heeresgeschichtliches Museum), das Joanneum (Universalmuseum Joanneum), das Ferdinandeum (Tiroler Landesmuseen) und das Städtische Museum Carolino Augusteum (Salzburg Museum) Objekte. Dutzende entzogene Gegenstände aus Bondys Sammlung waren jedoch nicht offiziell erfasst und mit Nummern versehen worden. So hatte u. a. bereits im November 1939 die Vermögensverkehrsstelle (VVSt) dem Dorotheum Silberbesteck und -geschirr aus Bondys Wohnung zum Verkauf übergeben und im März 1940 Bernhard Witke, der auch für die Verwaltungsstelle für jüdisches Umzugsgut der Gestapo (Vugesta) tätig war, mit der Verwertung von etwas mehr als hundert Objekten (darunter Möbel, Teppiche, zwei abgebaute Kachelöfen, Spiegel und Geschirr) betraut. Zudem wies Elizabeth Bondy nach 1945 anhand von Listen darauf hin, dass die Sammlung Bondys wesentlich mehr als die offiziell erfassten 1.600 Stück umfasst habe.

Im Juli 1945, zwei Monate nach Ende des NS-Regimes, bestellte das Amtsgericht Wien Rechtsanwalt Friedrich Köhler zum Abwesenheitskurator für den 1944 verstorbenen Oscar Bondy. Köhler sollte Bondys Vermögenswerte sichern, darunter seine Kunstsammlung, die auf verschiedene Museen und Bergungsorte (wie das Salzbergwerk Altaussee) verstreut war. Bondys Witwe kehrte zeitweise nach Österreich zurück, ernannte Köhler zu ihrem Rechtsvertreter und bemühte sich um die Restitution der Kunstsammlung. Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland lehnte jedoch den im November 1946 gestellten Rückstellungsantrag Elizabeth Bondys wegen angeblicher Unzuständigkeit ab: Die Sammlung sei 1939 in einem Strafverfahren beschlagnahmt worden, daher finde das Erste Rückstellungsgesetz keine Anwendung. Friedrich Köhler hatte sich aber zuvor seit Ende 1945 um die formelle Aufhebung der Beschlagnahme von 1939 bei Staatsanwaltschaft und Bundesdenkmalamt bemüht, da die "Vermögensanmeldungsverordnung" bereits im Mai 1945 als diskriminierendes NS-Gesetz aufgehoben worden war. Beide Behörden hielten sich jedoch für unzuständig. Bondys Witwe sah darin eine Sabotage der Wiedergutmachung und berief gegen den negativen Rückstellungsbescheid. Im Mai 1947 gab das Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung der Berufung von Elizabeth Bondy statt. Daraufhin forderte das Bundesdenkmalamt die österreichischen Museen zur zeitnahen Restitution der Objekte an die Rechtsnachfolgerin nach Oscar Bondy auf.

Im Kontext der Rückstellung und der bevorstehenden Ausfuhr restituierter Objekte forderten die österreichische Bundesregierung und die für Restitutionen zuständigen Institutionen von den rechtmäßigen EigentümerInnen bzw. ErbInnen Widmungen bzw. Schenkungen an österreichische Museen ein. Auch im Fall der Sammlung Oscar Bondy gab es unzählige Verhandlungen des Bundesdenkmalamts, des Bundesministeriums für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, des Bundesministeriums für Unterricht sowieso VertreterInnen von Museen mit Elizabeth Bondy und Rechtsanwalt Friedrich Köhler. Im September und Dezember 1947 legte das Bundesdenkmalamt Listen jener Objekte vor, welche zur Ausfuhr freigegeben wurden, im Gegenzug willigte Bondys Witwe ein, andere Objekte österreichischen Museen zu widmen. Viele dieser im Sinne des Kunstrückgabegesetzes erpressten bzw. abgezwungenen Schenkungen aus der Sammlung Oscar bzw. Elizabeth Bondy ebenso wie wiederaufgefundene Objekte wurden in den letzten Jahren aus den betreffenden Museen restituiert, u. a. aus dem Kunsthistorischen Museum, der Albertina, dem Wien Museum, dem MAK, den Tiroler Landesmuseen, dem Universalmuseum Joanneum und dem Salzburg Museum. Das Kunsthistorische Museum und das Metropolitan Museum in New York kauften nach der Restitution an die rechtmäßigen ErbInnen Gegenstände für ihre Sammlungen an.

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Publikationen zur Person / Institution

Beiratsbeschluss Oscar Bondy, 30.11.2012, URL: https://provenienzforschung.gv.at/wp-content/uploads/2014/04/Bondy_Oskar_2012-11-30.pdf (7.5.2025).
Beiratsbeschluss Oscar Bondy, 27.10.1999, URL: provenienzforschung.gv.at/resolution/ergebnisse-der-8-beiratssitzung-vom-27-oktober-1999/ (7.5.2025).
Beiratsbeschluss Oscar Bondy, 5.11.2021, URL: provenienzforschung.gv.at/resolution/98-beiratssitzung-vom-5-november-2021/ (7.5.2025).
Beiratsbeschluss Oscar Bondy, 30.3.2022, URL: provenienzforschung.gv.at/resolution/99-beiratssitzung-vom-30-maerz-2022/ (7.5.2025).

Gabriele Anderl/Christoph Bazil/Eva Blimlinger/Oliver Kühschelm/Monika Mayer/Anita Stelzl-Gallian/Leonhard Weidinger (Hg.), "… wesentlich mehr Fälle als angenommen". 10 Jahre Kommission für Provenienzforschung, (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 1), Wien-Köln-Weimar 2009.

Eva Blimlinger/Heinz Schödl (Hg.), "…(k)ein Ende in Sicht". 20 Jahre Kunstrückgabegesetz in Österreich (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 8), Wien-Köln-Weimar 2018.

Birgit Kirchmayr/Pia Schölnberger (Hg.), Restituiert. 25 Jahre Kunstrückgabegesetz in Österreich (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 9), Wien 2023.

Karin Leitner-Ruhe/Gudrun Danzer, Monika Binder-Krieglstein (Hg.), Universalmuseum Joanneum Restitutionsbericht 1999−2010, Graz 2010. 

Sophie Lillie, Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens (= Bibliothek des Raubes 8), Wien 2003.

Christian Mertens/Gerhard Milchram/Michael Wladika, "In gutem Glauben erworben". 25 Jahre Restitutionsforschung der Stadt Wien, Wien 2024.

Salzburg Museum (Hg.), Anschluss, Krieg & Trümmer. Salzburg und sein Museum im Nationalsozialismus (= Jahresschrift des Salzburg Museum 60), Salzburg 2018.

Birgit Schwarz, Hitlers Sonderauftrag Ostmark. Kunstraub und Museumspolitik im Nationalsozialismus (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 7), Wien 2018, URL: doi.org/10.7767/9783205206965 (7.5.2025)

Archivalien

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 15 und 15/1, Oskar Bondy.
BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, Allgemein, K. 60/1, Sicherstellungskartei Bondy (I) und 60/2, Sicherstellungskartei Bondy (II).
BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 8/1, M. 9, Ursprungsverzeichnis I, Bondy.

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, Münchner Suchkartei.

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, Fotoarchiv.

OeStA/AdR, E-uReang, FLD, Zl. 17173, Bondy Oscar. 
OeStA/AdR, E-uReang, FLD, Zl. 12.220, 13672, Bondy Oscar.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 50842, Bondy Oscar.

Online-Edition der Karteien zum sogenannten Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen in Wien, Karteikarten zur beschlagnahmten Sammlung Oscar Bondy (Kürzel BO), 1–5, URL: www.zdk-online.org (11.5.2025).