Witke, Bernhard

Bernhard Witke

Porträtfoto, schwarzweiß
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1.5.1896 Wien – April 1970 Wien

Bernhard Witke betrieb nach seiner Ausbildung zum Kunsttischler eine Tischlerwerkstätte in Wien 4, Mayerhofgasse 5. Bereits seit 1932/33 NSDAP-Mitglied und SA-Sturmführer, wurde Witke nach dem "Anschluss" Österreichs am 28. Mai 1938 vom Staatskommissar in der Privatwirtschaft zur kommissarischen Aufsichtsperson und am 22. Juni 1938 zum kommissarischen Verwalter der Kunst- und Antiquitätenhandlung Josef Berger & Sohn (Inhaber Rudolf Berger) in Wien 6, Mollardgasse 10 bestellt. Im September 1938 legte er diese Funktion zurück, um den Betrieb offiziell "arisieren" zu können. Als kommissarischer Verwalter folgte ihm der Kunsthändler Rudolf Raue nach. Gemeinsam mit dem Prokuristen der Firma Berger, Michael Oberhuber, welcher mangels NSDAP-Zugehörigkeit das Unternehmen nicht alleine übernehmen hätte können, erhielt Witke im Jänner 1939 die Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle für die "Arisierung" der Kunsthandlung, nun Oberhuber und Witke. Er "arisierte" zudem eine Villa in Sauerbrunn sowie den Hälfteanteil der Liegenschaft in Wien 6, Gumpendorferstraße 67 im früheren Eigentum von Artur Wohl. Neben der Führung seines "arisierten" Betriebs fungierte Witke als Schätzmeister für die Vermögensverkehrsstelle und die Reichsstatthalterei (Gruppe 10/11, Kunst und Möbel, u. a.  für  Mobiliar aus jüdischem Eigentum im Burgenland und in Niederdonau) sowie ab August 1940 für die Gestapo und die Vugesta. Im Jahr 1942 gründete und leitete Witke im Auftrag der Gestapo die so genannte "Möbelverwertungsstelle Krummbaumgasse" in Wien 2, Krummbaumgasse 8 und kooperierte dabei eng mit der Zentralstelle für jüdische Auswanderung. Gemeinsam mit dem Schätzmeister Anton Grimm "verwertete" Witke Hausrat und Gepäckstücke von – wie der stellvertretende Leiter der Gestapoleitstelle angab – insgesamt 48.500 deportierten Jüdinnen und Juden sowie von vom NS-Regime Verfolgten zugunsten des Deutschen Reiches; arbeitsteilig übernahm Grimm die so genannte "Freimachung" der Unterkünfte der in das Generalgouvernement Polen Deportierten und Witke der nach Theresienstadt verbrachten Wiener Jüdinnen und Juden. Unzählige Kunstgegenstände aus entzogenem Eigentum kamen in Witkes Hände, wie beispielsweise von Oscar Bondy, Julius Priester, Paul Zsolnay, Josef Blauhorn, Jean Engel, Philipp Gomperz oder Ernst Egger, Möbel von Camilla Hochberg sowie Wilhelm Grundler oder Geigen aus dem Eigentum von Berthold Storfer, der 1943 als "U-Boot" verhaftet und nach Auschwitz deportiert worden war. Neben dem Erhalt einer prozentuellen Beteiligung an Schätzungen bzw. Verkaufserlösen durch die Vugesta bzw. die Möbelverwertungsstelle Krummbaumgasse nutzte Witke den Zugriff auf Möbel, Antiquitäten sowie Kunstgegenstände und bestückte seine eigene Antiquitätenhandlung damit und ermöglichte es, zahlreichen NS-ProfiteurInnen, Gestapo-Beamten oder KunsthändlerInnen, günstig an Vermögenswerte zu gelangen. Die Firma Oberhuber und Witke unterhielt mehrere Lager, in denen der riesige Warenvorrat verwahrt wurde, u. a. in Wien Mariahilf sowie später in Zusammenhang mit Sicherungsmaßnahmen vor alliierten Luftangriffen in den niederösterreichischen Gemeinden Purgstall und Haag. Die Möbelverwertungsstelle Krummbaumgasse hatte allein in der Leopoldstadt (Wien 2) rund 15 Einlagerungsmagazine. 1944 verkaufte Bernhard Witke fünf Kunstobjekte an die Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums, deren VoreigentümerInnen bislang nicht eruiert werden konnten.

Zu Kriegsende flüchtete Witke nach Enns in Oberösterreich und geriet zunächst in alliierte Gefangenschaft. Bereits im Mai 1945 leitete das Volksgericht Wien in Witkes Abwesenheit ein Verfahren gegen ihn, Michael Oberhuber, Anton Grimm sowie mehrere Gestapo-Beamte im Umfeld der Vugesta bzw. "Möbelverwertungsstelle Krummbaumgasse" ein. Eine von der provisorischen Österreichischen Regierung zur Ausforschung mutmaßlicher KriegsverbrecherInnen eingerichtete Kommission setzte Bernhard Witke im Juni 1946 auf die so genannte Vierte Kriegsverbrecherliste. Er wurde schließlich am 6. September 1946 von der Staatspolizei verhaftet und kam in Untersuchungshaft. Im Juli 1948 ordnete das Landesgericht Wien die Beschlagnahme seines Vermögens an und am 12. Jänner 1949 verurteilte ihn das Volksgericht wegen Illegalität (§§ 10, 11 VG) und missbräuchlicher Bereicherung (§ 6 KVG) zu 3,5 Jahren schweren Kerkers sowie Vermögensverfall. Nach seiner vorzeitigen Entlassung kehrte er in den 1950er-Jahren als Teilhaber der Tischlerei Siedl & Witke in Wien 4, Mayerhofgasse 5 in seinen gelernten Beruf zurück. Ein im Zuge der NS-Amnestie 1957 von Witke begehrter Antrag auf Zurückstellung seiner vom Vermögensverfall betroffenen Vermögenswerte wurde vom Landesgericht Wien abgelehnt. Er starb 1970 in Wien.

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Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Sabine Loitfellner, "Arisierungen" während der NS-Zeit und ihre justizielle Ahndung vor dem Volksgericht Wien 1945–1955. Voraussetzungen – Analyse – Auswirkungen, Diplomarbeit Universität Wien 2000.

Gabriele Anderl/Edith Blaschitz/Sabine Loitfellner/Miriam Triendl/Niko Wahl, "Arisierung" von Mobilien (= Veröffentlichungen der Öster­reich­isch­en Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Ent­schädigung­en seit 1945 in Österreich 15), Oldenburg 2004.

Beiratsbeschluss Sammlung Zsolnay, 26.9.2014, URL: provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Zsolnay_Andy_Friedrich_Paul_2014-09-26.pdf (17.6.2025)

Archivalien

OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, Arisierungsakt, Lgsch 4284, Arthur Wohl.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, K. u. Tr. 4012, Josef Berger & Sohn.
OeStA/AdR, E-uReang, ZNsZ, Gaupersonalamt Wien, GA 25675.

WStLA, LG für Strafsachen Wien, Volksgericht Wien, Vg Vr 2331/45, Bernhard Witke u. a.
WStLA, Gauakten, A1, Personalakten des Gaues Wien, Zl. 284.612, Bernhard Witke.
WStLA, M.Abt. 62, Vermögensverfall, 15.913/50, Bernhard Witke.
WStLA, M.Abt. 119, VEAV 926, 3. Bez., Bernhard Witke.
WStLA, M.Abt. 119, VEAV 1010, 3. Bez., Bernhard Witke.
WStLA, M.Abt. 119, VEAV 1031, 6. Bez., Bernhard Witke.
WStLA, M.Abt. 119, VEAV 106, 6. Bez., Bernhard Witke.
WStLA, M.Abt. 119, VEAV 1173, 6. Bez., Bernhard Witke.
WStLA, M.Abt. 119, VEAV C 136, 6. Bez., Bernhard Witke.