Schatzker, Otto

Otto Schatzker

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12.2.1885 Wien – 29.12.1959 Wien

Otto Schatzker machte eine angesichts seines bescheidenen formalen Bildungsniveaus erstaunliche Karriere als Kunsthändler und Kunstexperte in Wien. Er wurde als uneheliches Kind geboren und einem Findelhaus übergeben, später wuchs er bei Zieheltern auf, die ihn taufen ließen. Er erlernte das Kunsttischlerhandwerk und arbeitete als "Hausknecht" in Antiquitätengeschäften. Durch private Studien und Museumsbesuche erwarb er die notwendigen Kenntnisse, um sich 1915 als Antiquitätenhändler selbständig machen zu können, zunächst in der Lilienbrunngasse 10, Wien 2. 1920 erhielt Schatzker einen Gewerbeschein für den Antiquitätenhandel an den Standorten Wien 1, Weihburggasse 6, und unter seiner Wohnadresse, Wien 1, Köllnerhofgasse 2. Die Eintragung der Einzelfirma in das Wiener Handelsregister erfolgte 1922. Anfang 1937 verlegte Schatzker das Geschäft innerhalb der Innenstadt in die Augustinerstraße 8. Vor und vor allem auch während der NS-Zeit tätigte Otto Schatzker gegen Provisionen Einkäufe für verschiedene österreichische und deutsche Museen, unter anderem das Kunsthistorische Museum, die Graphische Sammlung Albertina und die Österreichische Galerie in Wien sowie die Pinakothek in München. Er fungierte als Schätzmeister der italienischen Handelskammer und unterhielt Geschäftsbeziehungen zum türkischen Generalkonsulat in Wien. Schatzker beschäftigte RestauratorInnen und FotografInnen und wickelte zahlreiche Geschäfte über das Wiener Dorotheum ab.

Nach dem "Anschluss" Österreichs untersagte die Landesleitung Wien der Reichskammer der bildenden Künste im November 1938 Schatzker, der als "Jude" eingestuft wurde, die Tätigkeit als Kunsthändler. Im Dezember desselben Jahres bestellte die Vermögensverkehrsstelle den Kunsthistoriker und Mitarbeiter des Kunsthistorischen Museums Lothar Kitschelt zum kommissarischen Verwalter, der aber seine Zuständigkeit bestritt und dessen Name bereits im Jänner 1939 wieder aus dem Handelsregister gelöscht wurde. Im Juni 1940 widerrief die Vermögensverkehrsstelle auch ihren dem Abwickler Otto Faltis im Dezember 1939 erteilten Auftrag, die Firma Schatzker zu liquidieren. De facto war der Betrieb in der Augustinerstraße bereits seit März 1938 stillgelegt. Der Nachfolger, Josef Neugschwandtner, rückte 1940 zur Wehrmacht ein. Ob es sich um eine "Arisierung" gehandelt hatte und ob noch Warenbestände Schatzkers im Geschäftslokal vorhanden gewesen waren, konnte nach Kriegsende nicht eindeutig geklärt werden. Einer behördlichen Anordnung zur Liquidierung seines Warenbestandes hatte sich Schatzker widersetzt, indem er zumindest einen Teil der Waren in seine Wohnung in der Köllnerhofgasse 2 transferierte. Eine beabsichtigte Beschlagnahme durch die Gestapo war ebenfalls gescheitert. Schatzker tätigte weiterhin Geschäfte von seiner Wohnung aus – ab August 1941 mit Genehmigung der Reichskulturkammer, da ihm das Reichssippenamt in Berlin überraschend bescheinigt hatte, dass er "deutschen oder artverwandten Blutes" sei. Die Behörde berief sich darauf, dass Schatzkers Vater nicht feststellbar sei, und schenkte Otto Schatzkers unbelegter Behauptung Glauben, dass die in den amtlichen Unterlagen als Mutter genannte Jüdin nicht mit seiner tatsächlichen Mutter ident sei. Otto Schatzker war als Neugeborener in den Matriken der Israelitischen Kultusgemeinde Wien registriert worden, seine Ehefrau Marie galt als "Arierin". Das Gausippenamt in Wien und die Reichskammer der bildenden Künste in Berlin stellten trotz des Bescheides des Reichssippenamtes weiterhin Recherchen über Schatzkers Herkunft an, sodass sein Status während der gesamten NS-Zeit prekär blieb. Seine Wiederzulassung als Kunsthändler dürfte Schatzker seinen internationalen Beziehungen und seiner Expertise verdankt haben. Auch machte er wiederholt Kunstwerke und andere Kulturgüter Hitler persönlich sowie einflussreichen NS-Funktionären zum Geschenk. Er korrespondierte mit Hans Posse und führte die Münchner Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich, die ihrerseits dem "Sonderauftrag Linz" zuarbeitete, zu PrivatkundInnen. Schatzker unternahm während der NS-Zeit immer wieder Auslandsreisen, unter anderem in das damalige Protektorat Böhmen und Mähren, auf den Balkan sowie, im Auftrag der Reichsstatthalterei in Wien, nach Florenz, wo er Ankäufe für Wiener Museen tätigen sollte. 1942 wurden ihm Tresorräumlichkeiten zur Einlagerung von Kunstgegenständen in der Wiener Zweigstelle der Deutschen Reichsbank zur Verfügung gestellt.

Gegen Otto Schatzker, dessen Frau Marie sowie den gemeinsamen Sohn, Otto Schatzker jun., wurde bereits im Sommer 1945 wegen des dringenden Verdachts der missbräuchlichen Bereicherung ein Volksgerichtsverfahren (§ 6 des Kriegsverbrechergesetzes) eingeleitet. Sie hätten, so der Vorwurf, die bei ihnen vorgefundenen Kunst- und Kulturgüter im Wert von über zwei Millionen Reichsmark größtenteils in den Jahren 1941 bis 1945 erworben und den Grundstock dafür durch Ankäufe bei verfolgten Jüdinnen und Juden gelegt. Des Weiteren stand Schatzker unter Verdacht, ein Konfident der Gestapo gewesen und während der NS-Zeit im Auftrag hoher Parteifunktionäre Kunstwerke erworben zu haben. Das Verfahren wurde 1947 eingestellt, die Sicherstellung der bei Schatzker vorgefundenen Wertgegenstände aufgehoben. Der Philipphof, in dem sich Schatzkers früheres Geschäft mit der Adresse Augustinerstraße 8 befunden hatte, war kurz vor Kriegsende durch Bomben zerstört worden. 1946 hatte Schatzker am Standort Köllnerhofgasse 2 auch einen Handel mit antikem Schmuck angemeldet. 1960 erfolgte die Löschung der Firma aus dem Handelsregister.

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Publikationen zur Person / Institution

Gabriele Anderl, "Am Wiener Platz". Schlaglichter auf die Rolle des Wiener Kunsthandels während der NS-Zeit, in: Gabriele Anderl/Alexandra Caruso (Hg.), NS-Kunstraub in Österreich und die Folgen, Innsbruck-Wien-Bozen 2005, 171–211.

Archivalien

GISA Servicestelle, Magistratsabteilung 63, Karteiblatt Otto Schatzker.

OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, Ha. 689.
OeStA/AdR, ZNsZ, Gauakt 252.516, Otto Schatzker sen.

WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr 3159/45, Otto Schatzker.
WStLA, A6, NSDAP, Gauamt für Sippenforschung, Otto Schatzker.
WStLA, Handelsgericht Wien, A43 - A - Registerakten, A 63, 124 (HRA 7172) Otto Schatzker.