Faltis, Otto

Otto Faltis

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30.3.1888 Wien – 26.6.1974 Wien

Otto Faltis wickelte im Auftrag der Vermögensverkehrsstelle zwischen 1939 und 1941 54 Wiener Kunst- und Antiquitätenhandlungen ab, deren InhaberInnen als Jüdinnen und Juden verfolgt wurden. Faltis hatte nach der Matura die Exportakademie und Hochschulkurse in Versicherungsmathematik und Volkswirtschaft besucht. Während des Ersten Weltkriegs war er als invalid und waffenunfähig aus dem Heer entlassen worden. Nach 15-jähriger Tätigkeit in einer Versicherungsgesellschaft machte er sich selbständig und erwarb mehrere Gewerbescheine. In den beiden Jahrzehnten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gründete er verschiedene Unternehmen im Bereich des Versicherungs- und Kreditwesens sowie die Großhandelsgesellschaft Faltis & Cie. (1919, Alleininhaber ab 1927), die hauptsächlich landwirtschaftlichen Bedarf vertrieb. Von 1924 bis 1938 war er Geschäftsführer des Österreichischen Eskont-Verbandes in Wien. 1934 verlieh ihm der Bundespräsident den Titel eines Kommerzialrats. Nach dem "Anschluss" war Faltis gemäß eigenen Angaben zunächst als Wirtschaftsberater und Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Bilanzrevisor tätig und mit der Erstellung von Wirtschaftsgutachten sowie treuhändigen Verwaltungs- und Abwicklungsagenden befasst. Er übte seine Gewerbe teils am Standort Cobenzlgasse 40, Wien 18, teils in der Wiener Innenstadt unter der Adresse Tuchlauben 7a aus. Faltis bewarb sich um die "Arisierung" der Leibnitzer Baumwollspinnerei Ludwig Weiss, doch ein anderer Interessent kam zum Zug. Die Aufträge der Vermögensverkehrsstelle zur Abwicklung von Kunst- und Antiquitätenhandlungen in jüdischem Besitz erhielt Faltis im Februar und im Herbst 1939. Sieben der ursprünglich 61 betroffenen Geschäfte wurden später aus unterschiedlichen Gründen wieder von der Abwicklung ausgeschieden, etwa weil letztlich von der geplanten Liquidierung Abstand genommen wurde. Faltis verfasste Berichte zu den einzelnen von ihm aufgelösten Geschäften sowie im April 1940 und im Mai 1941 zwei ausführliche Generalberichte über seine Tätigkeit. Er verzeichnete die bei der Verwertung der Objekte erzielten Erlöse und listete im Rahmen der Schlussabrechnungen auf, welche Beträge zur Bezahlung von Geschäftsschulden aufgewendet worden waren und inwieweit noch Forderungen von GläubigerInnen bestanden hatten. Auch veranlasste er die Zurücklegung der Gewerbeberechtigungen und die Löschung der Betriebe aus dem Handelsregister. Im Auftrag der Vermögensverkehrsstelle veräußerte Faltis 1939 die Warenbestände von 17 Geschäften in zwei Tranchen in Bausch und Bogen an ein schwedisches Bieterkonsortium. Otto Faltis war als Prüfgutachter und Treuhänder auch an "Arisierungen" und Abwicklungen in anderen Wirtschaftsbranchen beteiligt, und zwar sowohl in Wien als auch später in den besetzten Niederlanden. Er gehörte der NSDAP bereits in den Jahren 1933 bis 1938 an, also während der Zeit des Parteiverbotes. Nach dem "Anschluss" erhielt er die Mitgliedsnummer 6,106.822. Er war auch Mitglied des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes, der Deutschen Arbeitsfront sowie der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, trat aber während der NS-Zeit nicht aus der katholischen Kirche aus.

Unmittelbar nach dem Ende der NS-Zeit war Faltis nach wie vor Mitglied des Aufsichtsrates der Web- und Wirkwarenfabrik Patria in Heidenreichstein sowie der Nobel A.G. Er bemühte sich mit großem Aufwand um die Streichung seines Namens aus der Liste der ehemaligen NationalsozialistInnen. Seine Tätigkeit als Abwickler in der Kunsthandels- und Antiquitätenbranche erwähnte er in den zu seiner Entlastung verfassten Schriften mit keinem Wort, und auch behördlicherseits wurde sie nicht thematisiert. Im Volksgerichtsverfahren, das 1947 gegen Faltis gemäß den §§ 8, 10 des Verbotsgesetzes (Registrierungsbetrug und Zugehörigkeit zur NSDAP während der Verbotszeit), § 6 des Kriegsverbrechergesetzes (missbräuchliche Bereicherung) sowie § 7 des Wahlgesetzes eingeleitet wurde, kam sie nur ganz am Rande zur Sprache. Paula Stibbe, die Witwe des 1945 verstorbenen Antiquitätenhändlers Eugen Stibbe, Wien 4, Goldeggasse 2, hatte verschiedene Wertgegenstände als entzogenes Vermögen angemeldet und Otto Faltis als Ersterwerber benannt. Faltis machte demgegenüber geltend, dass bei der von ihm durchgeführten Liquidierung des Betriebes weder ein Geschäftslokal noch Geld oder Waren vorhanden gewesen seien. Im Hinblick auf seine Parteizugehörigkeit berief er sich darauf, dass er 1941 wegen eines persönlichen Konfliktes mit dem Gausippenamt Wien (bei dem es um den "Ariernachweis" seiner Frau gegangen sein soll) aus der NSDAP ausgeschlossen und dass seine Mitgliedschaft rückwirkend von Beginn an für nichtig erklärt worden sei. Den entsprechenden Originalbeleg konnte Faltis nicht vorlegen: Er sei beim Bombardement seines Büros 1944 verschüttet worden. Das Volksgerichtsverfahren gegen Otto Faltis wurde 1948 eingestellt. Er war nach dem Krieg weiterhin als Buchsachverständiger und Finanzberater tätig und mit der Vermittlung und Auskunftserteilung in Versicherungs- und Kreditangelegenheiten befasst.

Vor der Liquidierung der betroffenen Firmen durch Faltis hatten dort vielfach schon Plünderungen sowie eigenmächtige Transaktionen seitens der kommissarischen Verwalter stattgefunden. Detaillierte Aufstellungen über die vor der Abwicklung noch vorhanden gewesenen Warenbestände wären für die Provenienzforschung von großem Nutzen, sie sind jedoch in den Berichten von Faltis nicht enthalten.

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Publikationen zur Person / Institution

Gabriele Anderl, "Kostbarkeiten, gemischt mit Trödel...". Die "Abwicklung" jüdischer Kunst- und Antiquitätenhandlungen in Wien während der NS-Zeit, in: Verena Pawlowsky/Harald Wendelin, Enteignete Kunst. Raub und Rückgabe – Österreich von 1938 bis heute, Wien 2006, 36–58.

Archivalien

OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, K. 997, Abwickler Faltis.

WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr 5837/47, Otto Faltis.
WStLA, M.Abt. 119, A42, NS-Registrierung, Otto Faltis.