Technisches Museum Wien

Technisches Museum Wien

Blick über eine Park auf ein schlossartiges Gebäude, Schwarz-Weiß-Foto
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weitere Bezeichnungen: Technisches Museum für Industrie und Gewerbe Wien (bis 1989), Technisches Museum Wien (1989-2000), Technisches Museum Wien mit Österreichischer Mediathek (ab 2001), TMW

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Das Technische Museum Wien (TMW) wurde zum 60. Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Joseph im Jahr 1908 auf Initiative von Industrie und Gewerbe gegründet und als privates Vereinsmuseum im Mai 1918 eröffnet. Seit der Verstaatlichung 1922 unterstand es dem Handelsministerium. Direktor war 1912–1930 Ludwig Erhard, der nach seiner Pensionierung 1930 das Forschungsinstitut für Technikgeschichte im Technischen Museum gründete und es bis zu seinem Tode 1940 leitete. Sein Nachfolger wurde Viktor Schützenhofer, der 1931–1949 durchgehend die Leitung inne hatte. Während sich 1938 von außen gesehen die "Gleichschaltung" des Museums unter dem nationalsozialistischen Regime ohne Probleme zu vollziehen schien, entbrannte hinter den Kulissen ein heftiger Konflikt um dessen künftige Ausrichtung. Mit 1. August 1938 wurde es in den Wirkungskreis des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten übergeleitet. Führende Persönlichkeiten wie Ludwig Erhard, Heinrich Goldemund als Präsident des Fördervereins sowie Georg Günther als Vertreter des Vorstandsrats verfolgten jedoch das Ziel, das Technische Museum Wien organisatorisch mit dem NS-Hauptamt der Deutschen Technik zusammenzuführen und unter die Leitung des Führers des Nationalsozialistischen Bundes Deutscher Technik Fritz Todt zu stellen. Dieser plante, in München ein Haus der Deutschen Technik zu gründen, das nicht nur mit dem Deutschen Museum in München, sondern auch mit dem Technischen Museum in Wien einen Verbund bilden sollte. Das hätte der NSDAP die Möglichkeit eröffnet, die museale Darstellung von Naturwissenschaft und Technik im Deutschen Reich zentral zu beeinflussen. Gegen diese Vorhaben regte sich aber Widerstand seitens der staatlichen Museumsverwaltung, die wiederum die Oberleitung des TMW an den Dresdner Museumdirektor Hans Kummerlöwe übergab, der in Personalunion auch das Naturhistorische Museum und das Museum für Völkerkunde in Wien bis 1945 führte. Der Beginn des Krieges im September 1939 beendete vorerst den Machtkampf um den Status des Technischen Museums in Wien. Obwohl sich Staat und Partei kaum mehr um diese Belange kümmerten, rückte das Haus doch noch einmal in den Fokus der Partei. So fiel im Dezember 1941 einem NSDAP-Funktionär auf, dass auf der seit Mitte der 1920er-Jahre im Stiegenhaus des Museums angebrachten Gründungstafel auch der jüdische Industrielle Bernhard Wetzler und das Bankhaus Rothschild angeführt waren. Im April 1942 wurde die Tafel entfernt und durch eine neue ersetzt. Nach den ersten schweren Luftangriffen auf Wien Mitte September 1944 kam es zur zeitweiligen Sperre der Wiener Museen. Das Technische Museum war nur mehr am Samstagnachmittag und Sonntagvormittag geöffnet und wochentags lediglich im Rahmen von Führungen zugänglich. Obwohl in den Jahren 1944 und 1945 rund 130 Fliegerbomben in unmittelbarer Nähe einschlugen, wurde das Gebäude nie direkt getroffen.

Als erstes Wiener Museum öffnete das TMW am 14. Oktober 1945 wieder seine Pforten für die Öffentlichkeit. Die Rückführung von 15 Kisten mit ausgelagerten Museumsobjekten aus Hirschwang, Niederösterreich erfolgte mit Hilfe sowjetischer und französischer Besatzungssoldaten zwischen Oktober 1945 und August 1946. Bis Ende 1946 gelangten auch die in Wiener Banksafes sowie in den Kellerräumen des Museums gelagerten Gegenstände der Schausammlung wieder an ihren ursprünglichen Platz. Von den 20.000 geborgenen Objekten fehlten nach Angaben von Direktor Schützenhofer nur zwei. Nach dem Verfassungsgesetz über das Verbot der NSDAP mussten alle unter das Gesetz fallenden MitarbeiterInnen des Technischen Museums erfasst werden. Insgesamt galt etwa ein Drittel des Personals als belastet; darunter waren nur Männer, keine der acht Frauen war in der Partei tätig gewesen. Die drei "Illegalen", die der NSDAP vor dem März 1938 beigetreten waren, wurden suspendiert. Keiner kehrte ans Museum zurück. Die acht Mitarbeiter, die in der NS-Zeit Parteimitglieder oder Anwärter geworden waren, durften als "Minderbelastete" im Haus bleiben. Die restlichen MitarbeiterInnen galten als unbelastet. Anfang der 1960er-Jahre kam es zu zwei Restitutionen: Zum einen wurden zwei Kutschen, die von der Gestapo 1942 beschlagnahmt worden waren, an den rechtmäßigen Eigentümer Theodor Schmidt zurückgestellt. Zum anderen bekam der ÖAMTC den Marcus-Wagen restituiert, der seit der Eröffnung des Museums 1918 als Leihgabe ausgestellt gewesen war und im Jahr 1938 als Geschenk des kommissarischen Verwalters des Automobilclubs an das Technische Museum ging. Nach langen Verhandlungen wurde dieser Vermögensübertrag rückgängig gemacht, der Wagen verblieb aber als Dauerleihgabe im Museum. Erst mit der Verabschiedung des Kunstrückgabegesetzes von 1998 begann die systematische Erforschung der Bestände des Museums nach unter dem Nationalsozialismus entzogenen Objekten. Zehn der bisher 16 Restitutionsfälle sind mit der Rückgabe der Objekte an die ErbInnen abgeschlossen, wobei das Technische Museum Wien einige davon wieder angekaufte. Bei den anderen Fällen konnten bis jetzt noch keine ErbInnen gefunden werden. Dossiers zu folgenden Sammlungen liegen dem Kunstrückgabebeirat vor: (in alphabetischer Reihenfolge): Karl Banhans, Max Baczewski, Ernst Egger, Regine Ehrenfest-Egger, Hans Fischl, Siegfried Gerstl, Rosa Glückselig, Paul Herzfeld, Hugo Theodor Horwitz, Ernst Sonnenschein, Theodor Sternberg, Emil Stiassny, Theodor Wolf sowie Dossiers zu Briefen aus der westukrainischen Stadt Kamenz Podolsk, Zuweisungen von philatelistischen Gegenständen von der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland, einem Radio aus beschlagnahmten Beständen der Wehrmacht sowie zu einem beschlagnahmten PKW der Marke Austro Daimler ADR.

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Publikationen zur Person / Institution

Christian Klösch, Die Provenienzforschung zu arisierten Kraftfahrzeugen am Beispiel des Kraftfahrzeugbestands des Technischen Museums Wien, in: Gabriele Anderl/Christoph Bazil/Eva Blimlinger/Oliver Kühschelm/Monika Mayer/Anita Stelzl-Gallian/Leonhard Weidinger (Hg.), … wesentlich mehr Fälle als angenommen. 10 Jahre Kommission für Provenienzforschung (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 1), Wien-Köln-Weimar 2009, 442–452, URL: doi.org/10.7767/boehlau.9783205118862.442.

Christian Klösch, Inventarnummer 1938. Provenienzforschung am Technischen Museum Wien, Wien 2015.
Christian Klösch, Von "Russenbriefen" und Durchlauferhitzern. Provenienzforschung im Technischen Museum Wien mit Österreichischer Mediathek, in: Neues Museum. Die österreichische Museumszeitschrift (2013) 3, 15 Jahre Provenienzforschung, 26–34.

Christian Klösch/Oliver Kühschelm, Technik, Massenware, Alltagsobjekte – Die Provenienzforschung am Technischen Museum Wien mit Österreichischer Mediathek, in: Gabriele Anderl/Christoph Bazil/Eva Blimlinger/Oliver Kühschelm/Monika Mayer/Anita Stelzl-Gallian/Leonhard Weidinger (Hg.), … wesentlich mehr Fälle als angenommen. 10 Jahre Kommission für Provenienzforschung (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 1), Wien-Köln-Weimar 2009, 214–229, URL: doi.org/10.7767/boehlau.9783205118862.214.

Oliver Kühschelm, Das "Post- und Telegraphenmuseum" als Abteilung des Reichspostmuseums Berlin, in: Helmut Lackner/Katharina Jesswein/Gabriele Zuna-Kratky (Hg.), 100 Jahre Technisches Museum Wien, Wien 2009, 286–298.

Oliver Kühschelm, "Russenbriefe" – verschleppte Privatkorrespondenz aus der Ukraine, in: Gabriele Anderl/Christoph Bazil/Eva Blimlinger/Oliver Kühschelm/Monika Mayer/Anita Stelzl-Gallian/Leonhard Weidinger (Hg.), … wesentlich mehr Fälle als angenommen. 10 Jahre Kommission für Provenienzforschung (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 1), Wien-Köln-Weimar 2009, 453–459, URL: doi.org/10.7767/boehlau.9783205118862.453.

Publikationen der Person / Institution

Helmut Lackner/Katharina Jesswein/Gabriele Zuna-Kratky (Hg.), 100 Jahre Technisches Museum Wien, Wien 2009.

Hannelore Burger, Maschinenzeit – Zeitmaschine:Technisches Museum Wien 1918–1988, Wien 1991. 

Technisches Museum für Industrie und Gewerbe, Wien 1959.
Technisches Museum Wien. Rundgang durch die Sammlungen, Wien 1987.
Technisches Museum Wien, Museumsführer, Wien 2005. 

Archivalien

TMW-Archiv, Korrespondenz, Direktion.
TMW-Archiv, Korrespondenz, Sammmlungsgruppen.
TMW-Archiv, Anlagen zur Inventarverwaltung.
TMW-Archiv, Postarchiv, Korrespondenz.
TMW-Archiv, Eisenbahnarchiv, Anlagen zu den Sammlungen.