Springer, Valentine

Valentine Springer

Porträt mit Kindern, Schwarzweiß-Foto
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25.5.1886 Wien – 24.7.1969 Lunz am See

née Valentine Rothschild

Valentine Springer kam als sechstes von sieben Kindern des Bankiers Albert Salomon Anselm von Rothschild und seiner Frau Bettina Caroline zur Welt. Sie galt als passionierte Jägerin, aktive Sportlerin und begeisterte Amateurfotografin und war seit 1911 mit dem Bankier Sigismund von Springer (1875–1928), u. a. Generalrat der Anglo-Oesterreichischen Bank und Verwaltungsrat der Oesterreichischen Immobiliarbank, verheiratet, mit dem sie zwei Kinder – Bettina (1912–1974) und Albert Adolf (1914–2008) – hatte. Das Ehepaar Springer erwarb die britische Staatsbürgerschaft, behielt seinen Lebensmittelpunkt aber in Wien bei. Ab 1912 im Palais Bourgoing in der Metternichgasse 8, Wien 3, ansässig, besaß es zudem Liegenschaften in Niederösterreich und in der Steiermark, darunter das 1913 erworbene Schloss Sitzenberg bei Tulln mit ausgedehntem Jagdrevier. Beide Häuser waren mit historischem Mobiliar und zahlreichen Grafiken (z. B. Rudolf und Jakob von Alt, Matthias Schmutzer, Christian Brand, Laurenz Janscha) und Gemälden französischer und englischer MalerInnen (u. a. Maria Louise Vigée-Lebrun, Thomas Lawrence, Joshua Reynolds und John Russell) ausgestattet. Der wertvolle Bibliotheks- und Archivbestand in Sitzenberg umfasste u. a. kunsttopographische, historische, klassische und romantische Literatur, naturwissenschaftliche Werke, Briefe, Erinnerungen sowie Wappenbücher.

Nach dem "Anschluss" zählte Valentine Springer ihrer jüdischen Herkunft wegen zum verfolgten Personenkreis. Anfang 1939 nach Paris abgemeldet, floh sie in der Folge in die Schweiz, wo sie sich auch nach Kriegsende aufhalten sollte. Die britische Staatsbürgerschaft Valentine Springers erschwerte den NS-Behörden den unmittelbaren Zugriff auf ihr Vermögen, welches ab 1939 als "Feindvermögen" galt und gemäß der "Verordnung über die Behandlung feindlichen Vermögens" vom 15. Jänner 1940 unter treuhänderische Verwaltung gestellt wurde. Nach 1940 weiterhin bestehende Bemühungen die Vermögenswerte der Valentine Springer für das Reich einzuziehen, liefen ins Leere. Sowohl im Fall der Metternichgasse als auch von Schloss Sitzenberg blieb Valentine Springer formell weiterhin Eigentümerin und als solche auch im Grundbuch vermerkt, allerdings wurden der Grundbesitz in Sitzenberg sowie die Ausstattungen beider Liegenschaften (angeblich zur Abdeckung der Verwaltungskosten) teilweise veräußert. Robert Möder, Kunsthändler sowie einer der Leiter der sogenannten Möbelaktion der Vermögensverkehrsstelle, und Architekt Franz Wilfert erstellten zu diesem Zweck Schätzlisten, in welchen die Einrichtungsgegenstände beider Häuser grob zu niedrig angesetzt waren. Die Schätzungen der Stiche von Valentine Springer nahm der Antiquar Werner Heck vor. Der größte Teil der Inneneinrichtung in der Metternichgasse sollte bis April 1941 verkauft werden. Im November 1940 übernahm das Kunsthistorische Museum (KHM) in Wien acht Gemälde englischer und französischer Meister in die Restaurierwerkstätte und kaufte diese im Februar 1941 um 35.000 Reichsmark an. Ab Dezember 1940 wurde das Palais Metternichgasse an die Heeresstandortverwaltung sowie zwei Privatparteien vermietet. Im August 1941 legte der Architekt und Dorotheums-Schätzmeister Ottokar Weigel Schätzlisten vor, die den Wert der Inneneinrichtung auf 347.000 Reichsmark taxierten. Wertvollere Objekte gingen zur Versteigerung an das Dorotheum, der Rest sollte frei verkauft bzw. vorab der Hitler Jugend angeboten werden, die Ende 1941 Schloss Sitzenberg bezog. Im November 1941 stellte das Institut für Denkmalpflege die Archiv- und Bibliotheksbestände des Schlosses unter Denkmalschutz und die Reichsstatthalterei Niederdonau verfügte deren Überführung in das damalige Gauarchiv, Herrengasse 11. Die im Dorotheum lagernden Archivbestände wurden schließlich im Oktober 1944 dem Reichsgauarchiv übergeben und Ende 1944 im Pfarrhof Ravelsbach geborgen. 1942/1943 war es zu noch weiteren Verkäufen und Versteigerungen aus dem Bestand von Sitzenberg gekommen.

In den Nachkriegsjahren war Valentine Springer wechselnd in Wien und in Zürich gemeldet. 1946 betraute die englische Militärregierung Ferdinand Maier mit der Verwaltung des Vermögens von Valentine Springer. Im selben Jahr bevollmächtigte Valentine Springer Rechtsanwalt Karl Trauttmansdorff zur Führung der Rückstellungsverhandlungen. Dieser erstattete u. a. Strafanzeige gegen Robert Möder. Tatsächlich konnten im Zuge der Ermittlungen Kunstgegenstände ("Mobilar Bilder Porzellan") aus dem Palais in der Metternichgasse bei Möder sichergestellt und an Valentine Springer rückgestellt werden. Im November 1947 genehmigte das Bundesministerium für Unterricht einen Rückstellungsvergleich betreffend die Gemälde im KHM: Das KHM verpflichtete sich zur Rückstellung von sieben der acht Gemälde an Valentine Springer, im Gegenzug und als Voraussetzung für die Erteilung einer Ausfuhrbewilligung sollte Valentine Springer das Gemälde der Diana Sturt von Thomas Lawrence dem Museum überlassen. 1948 führte Valentine Springer einen in der Metternichgasse lagernden Restbestand ihrer Einrichtungsgegenstände in die Schweiz aus. 1950 verkaufte sie Schloss Sitzenberg an die Republik Österreich, in diesem befindet sich heute eine Höhere Bundeslehranstalt für Ernährung und Landwirtschaft. Ein Großteil der Räumlichkeiten des Palais in der Metternichgasse wurde im Jahr 1950 auf unbestimmte Zeit an die Republik Österreich, u. a. für eine Außenstelle der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, vermietet und 1983 schließlich von dieser angekauft. 1950 widmete Valentine Springer dem Volkskundemuseum insgesamt 163 Objekte, welches zwei davon im November 1950 an die Waffensammlung des KHM übergab. Ende 1950/Anfang 1951 schenkte Valentine Springer der Albertina drei Grafiken von Lorenz Janscha, Johann Christian Brand und Jakob Mathias Schmutzer und dem Österreichischen Museum für angewandte Kunst eine Sänfte. Das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) erhielt 1951 sieben Ölgemälde und übernahm 1959 ein weiteres Ölgemälde und eine Heliogravure von Valentine Springer. Im Jahr 2013 empfahl der Kunstrückgabebereit die Restitution des Gemäldes von Thomas Lawrence aus dem KHM an die RechtsnachfolgerInnen nach Valentine Springer, 2014 erfolgte die Rückgabe. Für die Widmungen der 1950er-Jahre ließ sich hingegen kein inhaltlicher oder zeitlicher Bezug zu Ausfuhrhandlungen feststellen, der eine Restitution begründet hätte.

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Publikationen zur Person / Institution

Stefan Eminger, Das Niederösterreichische Landesarchiv 1938–1945, in: Mitteilungen des OeStA 54 (2010), 473–525.

Sophie Lillie, Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, Wien 2003.

Josef Prinz, Sitzenberg, in: Ernst Bezemek/Willibald Rosner (Hg.), Heimatbuch Sitzenberg-Reidling, Sitzenberg-Reidling 2007, 330–345.

Salomon Wininger, Sigismund Springer, in: Große jüdische National-Biographie, Band 5, Czernowitz 1931, 601, URL: sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/freimann/content/pageview/6394099 (25.4.2023).

J. Mentschl, Sigismund Springer, in: ÖBL, 1815–1950, Band 13, 55, URL: www.biographien.ac.at/oebl/oebl_S/Springer_Sigmund_1875_1928.xml (25.4.2023).

Archivalien

Albertina-Archiv, Zl. 319/1951.

BDA-Ausfuhr, Zl. 308/1947, Zl. 7324/1947, Zl. 733/1948, Valentine Springer.
BDA-Archiv, Historische Materialien, Zl. 4422/Dsch/1939, Zl. 5311/Dsch/1939, Mappe Schloss Sitzenberg.
BDA-Archiv, Historische Materialien, Wohnungsanforderungen, Notariatsakt Valentine Springer, Zl. 2858/1919.
BDA-Archiv, Restitutionsmaterialen, K. 47/1, PM und PM-Nachtrag Valentine Springer.
BDA-Archiv, Restitutionsmaterialen, K. 50/2, PM Mary Wooster.
BDA-Kanzlei, Archiv, Akt Metternichgasse.
BDA, Landeskonservatorat Niederösterreich, Akt Sitzenberg.

Bezirksgericht Tulln, historisches Grundbuch.

Bezirksgericht Wien Innere Stadt, historisches Grundbuch.

KHM-Archiv, Direktionsakten, 237/KL/1940, 62/KL/1941, 15/XII/ED/1947.
KHM, Gemäldegalerie, 1/GG/1941, 5/GG/1941, 28/GG/1946, 4/GG/1947, 42/GG/1947.
KHM, Hofjagd- und Rüstkammer, 50/WS/1950.

MAK-Archiv, Hauptakt Zl. 157-1948, 111-1951, 511-1962.
MAK-Hauptinventarbuch.
MAK-Spezialinventarbuch "Holz II".

Musikuniversität Wien, Archiv, K. Metternichgasse 8.

NÖLA, Landtafel B 17/EZ 402.
NÖLA, RStH ND IVc, AND, Zl. 123.
NÖLA, RStH ND IVc, AND, Zl. 211.

ÖMV-Archiv, Herkunftsakten, Zl. 365/1950.
ÖMV-Archiv, Inventarbuch, Inventarnummern 47.520 bis 47.682.

OeStA/AdR, Justiz BMJ 2Rep VP, III/A, "Feindvermögen", K. 208/177, Valentine Springer.

WStLA, Historische Wiener Meldeunterlagen, Meldeauskünfte Valentine und Sigismund Springer.
WStLA, M.Abt 119, A41, VEAV Zl. 157, 3. Bez., Robert Möder.
WStLA, M.Abt 119, A41, VEAV Zl. 157, 4./5. Bez., Robert Möder.
WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr 5640/47, Robert Möder.