Sanct Lucas, Galerie

Galerie Sanct Lucas

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Weitere Bezeichnungen: Galerie St. Lukas Herzig & Loibl Gesellschaft m.b.H. in Liquidation (1920–1923); Galerie St. Lucas Carl Herzig & Co. (ab 1924); Galerie Sankt Lukas; Galerie St. Lucas

1919 eröffnete Karl (Carl) Emanuel Herzig im Palais Pallavicini in Wien 1, Josefsplatz 5, die Galerie St. Lukas Herzig & Loibl Ges.m.b.H., als deren Geschäftsführer er fungierte. Als Betriebsgegenstand waren der Handel mit Kunst- und Schmuckgegenständen, Antiquitäten und Teppichen, das Verlegen von Druckwerken sowie die Abhaltung von Auktionen angeführt. Nach dem Austritt des Gesellschafters Anton Johann Loibl 1920 kam es zur Namensänderung in Galerie St. Lucas Herzig & Loibl, Ges. m. b. H. in Liquidation. Loibl gründete 1922 mit Rudolf Richter die offene Handelsgesellschaft (OHG) Loibl & Co., einen Kommissionshandel mit Ölgemälden und Antiquitäten, in Wien 1, Himmelpfortgasse 3. In der Galerie St. Lucas hatte die erste nachgewiesene Versteigerung von Gemälden, Plastiken und kunstgewerblichen Objekten 1921 stattgefunden, die zu veräußernden Bilder hatte der Kunsthistoriker Gustav Glück begutachtet. Bis zur Löschung im Handelsregister 1923 veranstaltete die Galerie auch Ausstellungen, etwa mit Werken von Erika Abels d’Albert. 1924 gründete Herzig am alten Standort die Einzelfirma Galerie St. Lukas. Nach dem Eintritt zweier Gesellschafter, des akademischen Malers Ludwig Fürst (1887–1950) und des am 26.3.1894 geborenen Adolf Fritz Mondschein, Sohn von Julius Siegfried Mondschein und Adele, née Blümel, wurde die Antiquitätenhandlung von 1925 an als OHG mit dem Schwerpunkt Kunsthandel unter der Bezeichnung Galerie Sanct Lucas Carl Herzig & Co. fortgeführt. 1927 schied Fürst aus dem Unternehmen aus. Ein Jahr nach dem Tod des Firmengründers Karl Herzig im Mai 1930 trat dessen Witwe Julie (Jula) als Gesellschafterin ein.

Kurz nach dem "Anschluss" Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich trat im April 1938 der Kunsthistoriker Robert Herzig, der Sohn Julie Herzigs aus ihrer ersten Ehe mit dem Realschulprofessor Robert Sedlacek, in das Unternehmen ein. Er war 1919 von dem kinderlosen Karl Herzig adoptiert worden und hatte sein Studium 1935 mit einer Dissertation über die gotische Wandmalerei in Kärnten von 1380 bis 1450 abgeschlossen. Ende Mai, wenige Tage nach Gründung der Vermögensverkehrsstelle (VVSt), schlossen Julie und Robert Herzig ein "Dissolutionsabkommen" mit dem als Jude verfolgten Mondschein: Dieser sollte rückwirkend mit Ende April aus der Gesellschaft austreten, Robert Herzig allein vertretungsbefugt sein. Mondschein, der mit 50 Prozent an der Galerie und 60 Prozent am Reingewinn beteiligt war, musste sich bereiterklären, eine offene Forderung seines Cousins Eugen J. Schwabach in New York gegenüber dem Unternehmen (rund 93.000 Reichsmark) zur Gänze allein zu übernehmen. Die VVSt genehmigte das im Juni eingebrachte Ansuchen um Veräußerung von Mondscheins Firmenanteil an Robert und Julie Herzog im August 1938. In seiner Mitte Juli 1938, also nach Unterzeichnung des Kaufvertrages ausgefüllten Vermögensanmeldung hatte Mondschein seinen Firmenanteil mit nur 17.850 Reichsmark, einem Bruchteil des Schätzwertes, beziffert. Das Inventar seiner Wohnung in Wien 18, Cottagegasse 48, hatte Franz Hartmann, Schätzmeister des Exekutionsgerichts, mit rund 10.000 Reichsmark bewertet. Mondschein flüchtete mit seiner ersten Frau Berta (Betty), née Wassermann (1896–1992), unmittelbar nach dem Novemberpogrom zunächst nach England und von dort 1939 in die USA. Die Galerie Sanct Lucas stellte während der NS-Zeit zahlreiche Ausfuhranträge bei der Zentralstelle für Denkmalschutz in Wien, wobei als Empfänger u. a. der Münchner Kunsthändler Julius Böhler, Hans W. Lange in Berlin, Pieter de Boer und Paul Cassirer in Amsterdam sowie Hans Bammann in Düsseldorf aufschienen. Diese Geschäftsbeziehungen spiegeln die intensive Involvierung der Galerie in den Kunsthandel während der NS-Zeit allerdings nur bruchstückhaft wider. Robert Herzig verkaufte etwa 1939 das im Auftrag der Zentralstelle für Denkmalschutz sichergestellte Gemälde Die Bettelkinder von Ferdinand Georg Waldmüller, das als Geschenk für Adolf Hitler vorgesehen war, an den Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop und veranlasste die Ausfuhr nach Deutschland. Auch arbeitete die Galerie mit Hans Posse, Hitlers Sonderbeauftragtem für das geplante Museum in Linz, zusammen und sie erwarb Objekte aus entzogenen Sammlungen über das Dorotheum in Wien.

1946 meldete Robert Herzig Mondscheins Geschäftsanteil als entzogenes Vermögen an, erklärte aber, Mondschein habe als "väterlicher Freund" selbst die Übertragung vorgeschlagen, "um seine Ausreise und Existenzgründung im Ausland zu ermöglichen", und "die volle anteilsmäßige Entfertigung in Geld und Ware" in einem Gesamtwert von rund 135.000 Reichsmark erhalten. Zu einem Rückstellungsverfahren kam es nicht. Mondschein bestätigte 1947 in einer eidesstattlichen Erklärung, keinerlei Ansprüche an die Galerie Sanct Lucas mehr zu haben. Diese wiederholte 1960 gegenüber der Finanzlandesdirektion Wien, dass sie mit ihrem ehemaligen Partner in Geschäftsverbindung stehe und "die Dissolutionswerte längst einverständlich bereinigt" habe. Mondschein, der seinen Namen in den USA auf Frederick Mont geändert hatte, war in New York City wieder in der angestammten Branche tätig und spielte eine wichtige Rolle im transatlantischen Kunsthandel. Robert Herzig vermittelte u. a. ein Porträt von El Greco aus der Sammlung des 1939 nach Mexiko geflüchteten jüdischen Industriellen Julius Priester an Mont, der auch zahlreiche Verkäufe an US-amerikanische Museen tätigte und besonders enge Geschäftsbeziehungen mit dem Kunsthändler Victor D. Spark (1898–1991) und den Newhouse Galleries unterhielt. Frederick Mont starb 1994 hundertjährig, sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Totengut in Chur (Schweiz). Die Galerie Sanct Lucas blieb nach dem Tod Robert Herzigs 1987 weiterhin im Familienbesitz und wird heute, nach wie vor am alten Standort, von Roman Herzig geleitet.

2012 empfahl der Kunstrückgabebeirat die Restitution des Ölgemäldes In der Klosterbibliothek von Eduard Grützner aus der Sammlung August und Serena Lederer bzw. deren Tochter Elisabeth Bachofen-Echt an die ErbInnen. Das 1938 bei der Spedition Kirchner eingelagerte Bild war nach behördlicher Sicherstellung 1942 über die Galerie Sanct Lucas vom Sonderauftrag Linz erworben worden. Es gelangte 1945 an den Central Collecting Point in München und 1987 an die Österreichische Galerie. Von dieser wurden auf Basis eines Beiratsbeschlusses aus dem Jahr 2000 auch zwei Bilder von Gustav Klimt, Bauernhaus mit Birken und Dame mit Federboa, aus der Sammlung Hermine Lasus restituiert. Sie waren 1939 von der Galerie Sanct Lucas angekauft und 1950 bzw. 1961 vom Museum erworben worden.

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Publikationen zur Person / Institution

Beiratsbeschluss Hermine Lasus, 28.11.2000, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Lasus_Hermine_2000-11-28.pdf (21.6.2005).

Beiratsbeschluss August und Serena Lederer, 2.3.2012, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Lederer_August_Serena_2012-03-02.pdf (21.6.2025).

Gabriele Anderl/Anneliese Schallmeiner, "Name des endgültigen Empfängers" – Julius Böhler, München. Ausfuhransuchen an die Denkmalbehörde in Wien, in: Cosima Dollansky/Christian Fuhrmeister/Birgit Jooss/Stephan Klingen/Anna-Lena Schneider (Hg.), Quelle und Kontext. Objekte, Akteure, Prozesse der Kunsthandlung Julius Böhler, München 2024, 324–337, URL: nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bvb:255-dtl-0000009290, aleph.mpg.de/F?func=direct&doc_number=023544542&local_base=kub01 (15.3.2025).

Sophie Lillie, Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, Wien 2003.

Archivalien

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 40/2, PM Galerie St. Lucas.
BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 41/2, PM Berta Morelli.
BDA-Archiv, Ausfuhrmaterialien, Zl. 4481/1938, 4701/1938, 7523/1838, 7751/1938, 8428/1938, 3076/1939, Galerie Sanct Lucas.

Bundesarchiv Koblenz, B 323, Treuhandverwaltung von Kulturgut bei der Oberfinanzdirektion München.

OeStA/AdR, E-uReang, FLD 10.545, 13.229, Adolf Fritz Mondschein
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 7587, Adolf Fritz Mondschein.

WStLA, Handelsgericht Wien, B 76, Registerakten, A 23, 101 a, Galerie Sanct Lukas, Carl Herzig & Co.
WStLA, Handelsgericht Wien, B 76, Registerakten, A 64, 70, Loibl & Co.
WStLA, Handelsgericht Wien, B 78, Registerakten, C 35, 243, Galerie St. Lukas Herzig & Loibl Ges. m. b. H.
WStLA, Historische Wiener Meldeunterlagen, Carl Herzig, Roman Herzig, Adolf Fritz Mondschein.
WStLA, M. Abt. 116, A79, Zivilmatrik Trauungsakten, Zl. 10729/1921, Karl Emanuel Herzig und Julie Elisabeth Anna Marie Sedlacek, née Topf.