Pächter, Adele

Adele Pächter

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14.2.1857 Hamburg – 7.2.1943 Ghetto Theresienstadt / Terezín

née Adele Elkan

Adele Pächter war mit Hermann Pächter (1839–1902) verheiratet, der in den 1880er-Jahren die Kunsthandlung R. Wagner in Berlin betrieb. Er hatte sich u. a. als Leibhändler Adolph von Menzels einen Namen gemacht und nahm 1895 etwa auch kurzfristig Max Liebermann unter Vertrag. Pächter war selbst begeisterter Kunstsammler, wobei sich seine Sammlung über Ostasiatika, Edelsteine, persische Teppiche, Gemälde von französischen Impressionisten und insbesondere Werke von Menzel erstreckte, mit dem ihn eine tiefe Freundschaft verband. Geschäftsbeziehungen unterhielt Pächter u. a. mit der Berliner Nationalgalerie unter dem damaligen Direktor Max Jordan. Adele und Hermann Pächter lebten mit den drei Kindern – Eva (geb. 1886), Kurt (geb. 1887) und Sonia (geb. 1891) – in einer Villa in der Genthiner Straße 13G (später Woyrischstraße 30G) im Berliner Tiergarten. Nach Hermann Pächters plötzlichem Tod 1902 sollte Adele Pächter, die er zur Alleinerbin bestimmt hatte, in den Folgejahren als Leihgeberin von Menzel-Werken auftreten, so für die von Hugo von Tschudi 1905 organisierte Gedächtnisausstellung in der Nationalgalerie, über zwanzig Jahre später, im April 1928, in der Galerie Thannhauser oder 1932 in der Münchener Galerie Caspari.

Im Nationalsozialismus galten Adele Pächter und ihre Kinder Kurt und Sonia als jüdisch; die älteste Tochter Eva, die mit dem Maler Fritz Mühsam (1881–1946) verheiratet gewesen war, hatte 1924 Suizid begangen. Sonia war seit 1912 mit dem als "arisch" geltenden Kapitän Bruno Schellong verheiratet, mit dem sie zwei Töchter hatte. Zwei Jahre nach der Machtübernahme der NationalsozialistInnen in Deutschland wurde das erste Bild aus der Sammlung Pächter bei einer der so genannten "Judenauktionen" bei der Berliner Galerie Paul Graupe zum Verkauf angeboten. Dem folgte 1940 die Versteigerung einer Reihe weiterer Werke bei Graupes Nachfolger Hans W. Lange, wobei die Besitzerangabe "Sch., Dahlem" im Katalog sich wohl auf Adele Pächters Schwiegersohn Bruno Schellong bezog, der mit seiner Familie in Berlin-Dahlem lebte. Neben Kunstwerken aus der Sammlung ihres verstorbenen Mannes musste Adele Pächter, der die Judenvermögensabgabe in beachtlicher Höhe vorgeschrieben wurde, sukzessive Möbel und Hausrat zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes verkaufen, bis sie sich schließlich gezwungen sah, ihre Wohnung aufzugeben. Nach 18 Monaten in einem Heim in Berlin-Zehlendorf wurden Adele und Kurt Pächter am 25. September 1942 von der Gestapo in das Sammellager in der Berliner Großen Hamburger Straße 26 gebracht, von wo sie am 3. Oktober 1942 mit dem dritten "großen Alterstransport" nach Theresienstadt deportiert wurden. Adele Pächter starb dort am 7. Februar 1943, Kurt Pächter wenig später, am 23. März 1943. Aufgrund ihrer Ehe entkam Sonia Schellong diesem Schicksal, allerdings hatte ihr Mann seine Versetzung in den Ruhestand als Leiter der Nautischen Abteilung des Oberkommandos der Kriegsmarine in Berlin beantragt, um seiner Entlassung bzw. Zwangspensionierung wegen der als "Mischehe" verfemten Verbindung zuvorzukommen.

Am 13. Februar 1948 wurden Kurt und Adele Pächter durch das Amtsgericht Zehlendorf für tot erklärt. Im November desselben Jahres emigrierte die Familie Schellong in die USA zu der bereits dort lebenden Tochter. 1965 erhielt Sonia Schellong als Erbin ihrer Mutter durch einen Vergleich 5.000 DM für den "Verschleuderungsschaden wertvoller Gemälde und Kunstgegenstände aus der in Berlin seinerzeit sehr bekannten Kunsthändler-Familienfirma Pächter". Der österreichische Kunstrückgabebeirat sprach sich am 7. März 2014 für die Restitution der Menzel-Zeichnung Rüstkammerphantasie aus der Albertina an die RechtsnachfolgerInnen von Todes wegen nach Adele Pächter aus. Die Gouache war bei der Versteigerung bei Hans W. Lange 1940 vermutlich von Offizier Wilhelm Diehn aus Götschendorf, dem Inhaber des späteren Gästehauses von Hermann Göring, erworben worden, um nach eineinhalb Jahren erneut bei Lange zum Verkauf angeboten zu werden. Erwerber war nun Hans Posse, Hitlers Sonderbeauftragter, der es für das letztlich nicht realisierte Linzer Kunstmuseum vorgesehen hatte. Es gelangte vorerst nach Dresden, wurde im Februar 1943 nach Kremsmünster und anschließend nach Altaussee verbracht. Über die Depots des Bundesdenkmalamtes erfolgte schließlich 1963 seine Zuweisung mit dem Herkunftsvermerk "Unbekannt" als "Verfallsgut" an die Albertina.

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Publikationen zur Person / Institution

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Adele Pächter, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Paechter_Adele_2014-03-07.pdf (3.12.2020).

Paul Graupe (Hg.), Gemälde und Zeichnungen des 19. Jahrhunderts aus einer bekannten schlesischen Privatsammlung und aus verschiedenem Privatbesitz, Versteigerung 141, Versteigerung 23. März 1935, Berlin 1935, URL: doi.org/10.11588/diglit.5634.

Hans W. Lange (Hg.), Sammlung Wolfgang Zorer, Berlin, verschiedener Kunstbesitz: Gemälde alter und neuerer Meister, Möbel des 16. bis 18. Jahrhunderts, Silber, Majoliken, chinesisches und europäisches Porzellan, Teppiche, Gemälde und Miniaturen mit Bildnissen Friedrichs des Großen, Versteigerung am 5. und 6. April 1940, Berlin 1940, URL: doi.org/10.11588/diglit.5837.

Archivalien

BArchiv Koblenz, B 323/52, Karteikarte, Treuhandverwaltung von Kulturgut München, fol. 272 u. 273.
BArchiv Koblenz, B 323/138, Korrespondenz Hans Posse – Hans W. Lange, Sept./Okt. 1941.

holocaust.cz, Todesfallanzeige Adele Pächter, Ghetto Theresienstadt, URL: www.holocaust.cz/de/datenbank-der-digitalisierten-dokumenten/dokument/94234-paechter-adele-todesfallanzeige-ghetto-theresienstadt/ (3.12.2020).

Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Abt. I – Entschädigungsbehörde, Entschädigungsakte nach Adele Pächter, Reg.Nr. 71.111.
Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Abt. I – Entschädigungsbehörde, Entschädigungsakte nach Bruno Schellong, Reg.Nr. 271.184.

Landesarchiv Berlin, B Rep. 025-03, Nr. 31 Wiedergutmachtungsakte 97/63, Adele Pächter.
Landesarchiv Berlin, B Rep. 021, Historische Einwohnermeldekartei, Bruno und Sonia Schellong.

Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, I/NG 1789.