Grünebaum, Moriz

Moriz Grünebaum

Eine nähende Frau und ein Mann mit einem Buch in der Hand, Zeichnung
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6.3.1873 Wien – 21.12.1942 Ghetto Theresienstadt / Terezín

auch Moriz Ritter von Grünebaum

Moriz Grünebaum war der Sohn des k. k. Hofrats und Chefs der Bauabteilung der Staatsbahnen Gustav Grünebaum, der 1876 in den erblichen Ritterstand erhoben worden war. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Wien und Krakau (Promotion 1905) trat Moriz in die Dienste der Niederösterreichischen Statthalterei. 1910 wurde er Bibliothekar der k. k. statistischen Zentralkommission, wechselte 1925 an die Universitätsbibliothek Wien und 1931 an die Akademie der bildenden Künste in Wien, wo er vier Jahre später als Staatsbibliothekar I. Klasse in den Ruhestand trat. Gemeinsam mit seiner Frau Laura (née Pollak, ab Austritt aus der IKG 1910 Pernier, 15. August 1869–22. Oktober 1940), Inhaberin des Wäschewarengeschäftes John & Pernier, und seiner frühverwitweten Mutter Charlotte Grünebaum (née Forchheimer, 27. Februar 1849–14. Oktober 1941) lebte er in der Liechtensteinstraße 45A in Wien 9. Grünebaum, der seit dem Gründungsjahr 1903 Mitglied der Österreichischen Exlibris-Gesellschaft war, sammelte Grafiken, Exlibris sowie Bücher und besaß zudem eine umfangreiche Sammlung sogenannter Mandlbögen des Wiener Kunstverlags Trentsensky, v. a. im Biedermeier beliebte Ausschneidebögen für Papiertheater. Er publizierte laufend im Österreichischen Jahrbuch für Exlibris und Gebrauchsgraphik sowie in den Mitteilungen der Österreichischen Exlibris-Gesellschaft und illustrierte selbst auch eines der beiden Märchenbücher, die seine Mutter während des Ersten Weltkriegs veröffentlichte. Exlibris ließ er u. a. von Felix Hochstimm und Hans Przibram anfertigen.

Vor allem für die Verwertung der Mandlbögen Moriz Grünebaums, der nach dem "Anschluss" trotz seiner Konversion zum Katholizismus 1895 als Jude galt, interessierte sich 1938 das Institut für Denkmalpflege, das diesbezüglich mit den "Niederdonau-Sammlungen", dem heutigen Landesmuseum Niederösterreich, in Verhandlungen stand. Die Kunstsammlung musste Grünebaum bei der Spedition J. Z. Dworak junior einlagern, als er nach Lauras Tod im Oktober 1940 gemeinsam mit seiner Mutter zu seiner Schwester Margarete Fürth, Witwe des Mediziners und Chemikers Otto Fürth, zog. Nur wenige Monate waren ihnen in Wien-Döbling beschieden, bevor Moriz, Margarete und deren Tochter Wilhelmine in eine "Sammelwohnung" in die Herminengasse zwangsübersiedelt wurden. Im August 1942 wurde Moriz Grünebaum ins Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er Ende des Jahres im Alter von 69 Jahren umkam. Margarete und Wilhelmine Fürth waren kurz zuvor in Maly Trostinec ermordet worden.

In den Jahren 1948 bis 1957 tauchten sukzessive Werke aus Grünebaums Sammlung im Wiener Kunsthandel auf. So verkaufte das Versteigerungshaus S. Kende über 1.500 Mandlbögen in mehreren Tranchen an das heutige Wien Museum, die Albertina erwarb 1957 eine Zeichnung von der Kunsthändlerin Leopoldine Zelenka, und 1986/87 gelangten drei Druckgrafiken, die 1953 ebenfalls bei S. Kende veräußert worden waren, im Zuge einer größeren Schenkung an die Akademie der bildenden Künste in Wien. Aufgrund seines Stempels, der den Schriftzug "Fuer Pflicht und Ehr", die Initialen MG sowie ein Hoheitszeichen trägt, konnten die Objekte eindeutig der Sammlung Moriz Grünebaums zugeordnet werden. Wann und über welche Wege die Werke in den Kunsthandel gelangt waren, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Im Februar 2017 befand die Wiener Restitutionskommission die Mandlbögen im Wien Museum für rückgabefähig. Mit Beschluss vom 11. Jänner 2019 empfahl der Kunstrückgabebeirat die Restitution der Blätter aus der Akademie gemeinsam mit der Zeichnung aus der Albertina.

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Publikationen zur Person / Institution

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Moriz Grünebaum, 11.1.2019, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Gruenebaum_Moriz_2019-01-11.pdf (3.12.2020).

DÖW, Opferdatenbank des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, Eintrag zu Moriz Grünebaum,  URL: www.doew.at/ (6.10.2023).

Marlene Falmbigl, Bücher sammeln aus Leidenschaft – Privatbibliotheken in Wien um 1900, Diplomarbeit Universität Wien 2009.

Die kleine Welt des Bilderbogens: Der Wiener Verlag Trentsensky. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 9. Juni – 11. September 1977 (= Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien 50), Wien 1977.

Hubert Kaut, Alt-Wiener Spielzeugschachtel. Wiener Kinderspielzeug aus drei Jahrhunderten, Wien 1961.

Ellen G. Landau, "A Fairytale Circumstance". The Influence of Stage Design on the Work of Francois Boucher, in: The Bulletin of the Cleveland Museum of Art 70 (1983) 9, 360–378.

Frits Lugt, Les Marques de Collections de Dessins & d’Estampes | Fondation Custodia, Eintrag aus dem Jahr 1921, URL: www.marquesdecollections.fr/detail.cfm/marque/8502/total/1 (3.12.2020).

N. N., Moritz Ritter von Grünebaum, Exlibrissammler und Bibliothekar, in: Mitteilungen der Österreichischen Exlibris-Gesellschaft NF 58 (2003) 2.

Max Osborn, Handbuch des Kunstmarktes. Kunstadressbuch für das Deutsche Reich, Danzig und Deutsch-Österreich, Berlin 1926.

Österreichische Nationalbibliothek (Hg.), Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft. 18. bis 20. Jahrhundert, Berlin 2002.

R. Werner Soukup, Die wissenschaftliche Welt von gestern. Die Preisträger des Ignaz L. Lieben-Prieses 1865–1937 und des Richard Lieben-Preises 1912–1928, Wien-Köln-Weimar 2004.

Isabella Stadler/Rudolf Werner Soukup, Das Gästebuch der Familie Lieben. Ein Dokument der Kontakte dieser bedeundenden [sic] Wissenschaftlerfamilie zu in- und ausländischen Gelehrten vor und nach dem Ersten Weltkrieg, URL: www.rudolf-werner-soukup.at/Publikationen/Dokumente/Varia/Gaestebuch_Familie_Lieben.pdf (3.12.2020).

Lisa-Marie Tillian, "Tausend Dank für dein Briefl." Eine Untersuchung weiblicher Lebenswelten im jüdischen Großbürgertum in Wien zwischen 1872 und 1937 anhand der Briefe von Mathilde Lieben an Marie de Rothschild, Dissertation Universität Wien 2013.

Robert Winter, Das Akademische Gymnasium in Wien. Vergangenheit und Gegenwart, Wien-Köln-Weimar 1996.

Verzeichnis Jüdischer Autoren. Vorläufige Zusammenstellung der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums, Til II, E – G, 177, Berlin 1938/1939.

Publikationen der Person / Institution

Moritz Grünebaum, Geschichte der Bibliothek der k.k. statistischen Zentralkommission, Sonderabdruck aus dem August-September-Heft der Statistischen Monatsschrift, 18. Jahrgang, Brünn 1913.
Moriz Grünebaum, Ein Besuch bei Richard Teschner, in: Österreichische Exlibris-Gesellschaft. Jahrbuch 16 (1918), 33–38.
Moriz Grünebaum, Neue Exlibris von Walter Kühn, München, in: Österreichische Exlibris-Gesellschaft. Jahrbuch 16 (1918), 31–32.
Moriz Grünebaum, Liesbeth Haase, in: Österreichische Exlibris-Gesellschaft. Jahrbuch 17 (1919), 53–54.
Moriz Grünebaum, Ludwig Hesshaimer, in: Österreichische Exlibris-Gesellschaft. Jahrbuch 17 (1919), 37–40.
Moriz Grünebaum, Arthur Paunzen, in Österreichische Exlibris Gesellschaft, Jahrbuch 18 (1920), 17–18.
Moriz Grünebaum, Drei Exlibris-Künstlerinnen. Franziska Jaksch, Rosa R. Schwarz, Christl Kerry, in: Österreichische Exlibris-Gesellschaft. Jahrbuch 18 (1920), 19–20.
Moriz Grünebaum, Hans Przibram, in: Österreichische Exlibris-Gesellschaft (1921), 8–10.
Moriz R. v. Grünebaum, Schattentheater und Scherenschnitt, in: Jahrbuch der österreichischen Leo-Gesellschaft (1929), 141–177.
Moriz R. v. Grünebaum, Seltsame Berufsbezeichnungen aus den Sterbelisten des Wienerischen Diariums, der Wiener Zeitung und den Tauf- und Totenprotokollen Wiener Pfarrämter von 1740 bis 1828. Eine kulturhistorische Untersuchung, in: Unsere Heimat, N. F. 17 (1946) 6, 191–198.

Charlotte von Grünebaum, Was Großmama den Kindern erzählt. Märchen. Mit Bildern von Arthur Paunzen, Wien 1914.
Charlotte von Grünebaum, Aus der Kriegszeit. Märchen und Erzählungen. Mit Illustrationen von M. v. Grünebaum, Wien 1915.

Archivalien

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 36/3, PM Dr. Moritz Grünebaum.

Gedenkstätte Terezin, Ghetto Theresienstadt, Ältestenrat, Todesfallanzeige Moriz Israel Grünebaum, Sterbematrik 15.133.

Heraldisch-Genealogische Gesellschaft Adler, Partezettelsammlung, Ankündigung der hl. Seelenmesse für Dr. Moriz Ritter von Grünebaum, Dezember 1945.

OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, § 14 Kartei, Zl. 29356, Moritz Grünebaum, 13.10.1939.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 35753, Moriz Grünebaum.

Privatarchiv Otto Fürth, Lebenserinnerungen, X. Teile, maschinenschriftliches Manuskript.

UAAbKW, PM Moritz Grünebaum, Staatsbibliothekar, Zl. 1004/1931.

Universitätsbibliothek Wien, PA Moriz Grünebaum

WStLA, LG für Zivilrechtssachen Wien I, 48T 956/46-8, Erkenntnis über den Beweis des Todes, 27.11.1946.
WStLA, BG Innere Stadt, 15 A 82/47, Todfallsaufnahme Moriz Grünebaum, errichtet am 5.2.1947, ergänzt am 14.2.1947.
WStLA, Handelsgericht, A43-A, Registerakten, A 14, 211, Fa. John & Cie; John & Pernier.