Engel, Hugo

Hugo Engel

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3.8.1883 Wien – 17.4.1963 Engelberg, Schweiz

Hugo Engel war der Sohn des 1857 geborenen Jacob Engel und dessen Frau Therese, née Schaffer (1855–1912). Jacob Engel besaß in Wien 2, Große Mohrengasse 20, ein Juweliergeschäft. Hugo Engel meldete 1912 bei der Gewerbehörde und beim Handelsgericht einen "Antiquitätenhandel mit Kunstsachen" in Wien 1, Wiesingerstraße 3, an, verlegte den Standort aber bald nach Wien 2, Zirkusgasse 3. Im selben Jahr heiratete er im Wiener Stadttempel die 1886 in London geborene, protestantische Ethel, née Terry-Newmon, die zum Judentum übergetreten war. 1912 kam die Tochter Dorothee (Dorothy) zur Welt, 1916 der Sohn Herbert. 1918 legte Hugo Engel den Gewerbeschein nieder und ließ die Firma löschen. Nach Absolvierung einer Malakademie in Florenz betrieb er in der Zirkusgasse 3 bis 1924 einen Handel mit Pretiosen und Uhren, ab 1928 ein Geschäft für Ölgemälde alter und neuer Meister (Hugo Engel, Tableaux, Wien), das ausschließlich andere HändlerInnen belieferte und auf Export ausgerichtet war. Obwohl sich Engel in den folgenden Jahren großteils in Paris aufhielt, wickelte er weiterhin viele seiner Transaktionen über das Wiener Stammgeschäft ab.

Hugo Engel flüchtete am 20.3.1938, kurz nach dem "Anschluss" Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich, nach Frankreich. Sein Gesamtvermögen, das auch eine Villa in Weidlingau umfasste, belief sich laut Vermögensanmeldung auf circa 15.600 Reichsmark. Der kommissarische Verwalter des Geschäfts, sein früherer Chefrestaurator Wilhelm Kainz, kündigte das Mietverhältnis mit Ende September. Zwischen Jänner 1938 und Februar 1939 gingen bei der Zentralstelle für Denkmalschutz mehr als 60 Ausfuhransuchen unter dem Namen Hugo Engel ein, wobei es sich in vielen Fällen um Wiederausfuhren handelte. 17 alte Musikinstrumente aus Engels Privatsammlung veräußerte Kainz Ende 1938 um 300 Reichsmark an die Brüder Rück in Nünrberg. Im Februar 1939 übertrug die Vermögensverkehrsstelle dem Kommerzialrat Otto Faltis die Abwicklung von Engels Unternehmen. Faltis exportierte den gesamten noch vorhandenen Warenbestand im Juli 1939 im "zweiten Schwedenverkauf" nach Stockholm.

Im Juli 1938 hatte Engel mit Etienne Bisson als Teilhaber am Boulevard Malesherbes im 8. Pariser Arrondissement die Kunsthandlung Hugo Engel (France) eröffnet. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er zunächst von den Franzosen, später von den deutschen Besatzern interniert. Obwohl er bis Mai 1941 sämtliche Geschäftsanteile an Bisson übertragen hatte, fungierte dieser lediglich als sein Strohmann. Im selben Jahr begann Engels enge Zusammenarbeit mit Karl Haberstock, der im Auftrag von Hans Posse, Hitlers Sonderbeauftragtem für das geplante "Führermuseum" in Linz, auch in Frankreich tätig war. Engel handelte mit Werken aus dem Eigentum jüdischer Geflüchteter, etwa des aus Wien stammenden Großindustriellen Richard Neumann, und machte Geschäfte mit dem deutschen Kunsthändler Hildebrand Gurlitt. Da die Deutschen von Engels Expertise bei der Beschaffung bedeutender Kunstwerke profitierten, befreite ihn der Militärbefehlshaber 1942 von der Pflicht, den "Judenstern" zu tragen. Engels Sohn Herbert, der seit März 1937 in Frankreich lebte, war ebenfalls für Haberstock tätig, allerdings in der bis November 1942 unbesetzten Südzone. 1943 gelangte er illegal in die Schweiz. Hugo Engel flüchtete im Februar 1944 aus Paris, um der nun auch ihm drohenden Deportation zu entgehen und traf im April in der Schweiz ein. Wegen seines Alters wurde er von der Arbeitspflicht befreit und durfte als Zivilinternierter zu seiner Tochter Dorothy und seinem Schwiegersohn Fritz Feierabend nach Zürich ziehen. Das noch im Reichsgebiet vorhandene Vermögen von Hugo und Ethel Terry Engel sowie deren Kindern war aufgrund der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 dem Deutschen Reich verfallen. Hugo Engels ebenfalls nach Frankreich geflüchteter Vater Jacob Engel wurde im Februar 1944 aus dem Transitlager Drancy nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Im September 1945 kehrte Hugo Engel nach Paris zurück und wurde bald wieder Geschäftsführer der Kunsthandlung Hugo Engel (France), die er an den Boulevard Courcelles verlegte. 1947 leitete das IXe Comité de confiscation des profits illicites de la Seine Untersuchungen gegen Engel wegen dessen Geschäften mit den Deutschen während des Zweiten Weltkriegs ein. Da es davon ausging, dass Engel nicht unter Zwang gehandelt hatte, ließ es einen Betrag von 822.000 Francs konfiszieren und verurteilte Engel wegen Steuerhinterziehung zu einer Strafzahlung von 2,4 Millionen Francs.

Engels Villa in Weidlingau, die die Hausangestellte seines Vaters Marie Baldreich "arisiert" hatte, wurde 1948 an ihn restituiert, eine Rückgabe des liquidierten Geschäfts war nicht mehr möglich. 1950 löste Hugo Engel seine Pariser Kunsthandlung auf und erwarb einen Gewerbeschein für den Handel mit Ölgemälden in Wien 3, Reisnerstraße 12, der bis 1956 aufrecht blieb. Sein 1959 in der BRD eingebrachter Anspruch gemäß dem Bundesrückerstattungsgesetz (BRÜG), in dem es um den Verlust von 170 Bildern aus dem Geschäft in der Zirkusgasse ging, wurde abgewiesen, da die von Faltis exportierten Kunstwerke direkt von Wien nach Schweden gelangt und deshalb die Voraussetzungen des BRÜG nicht erfüllt waren. Herbert Engel war in England wieder als Kunsthändler tätig und nahm die britische Staatsbürgerschaft an. 1956 änderte er seinen Nachnamen auf Terry-Engell.

2013 wurden sechs Objekte, die Engel 1941 von Richard Neumann erworben hatte, aus dem Bestand der Musées nationaux récupération (MNR) an die ErbInnen nach Neumann restitutiert.

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Publikationen zur Person / Institution

APA-OTS, Richard-Neumann-Erben erhalten sechs Objekte aus Frankreich, 15.2.2013, URL: www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130215_OTS0121/richard-neumann-erben-erhalten-sechs-objekte-aus-frankreich (28.6.2025).

Gabriele Anderl, "Kostbarkeiten, gemischt mit Trödel..." Die "Abwicklung" jüdischer Kunst- und Antiquitätenhandlungen in Wien während der NS-Zeit: in: Verena Pawlowsky/Harald Wendelin (Hg.), Enteignete Kunst. Raub und Rückgabe – Österreich von 1938 bis heute, Wien 2006, 36–58.

Gabriele Anderl/Gitta Ho, Hugo Engel, in: Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940–1945, RAMA (Frankreich), URL: agorha.inha.fr/detail/859 (27.6.2025).

DÖW, Opferdatenbank des Dokumentationsarchives des österreichischen Widerstandes, Eintrag zu Jakob Engel, URL: www.doew.at (27.6.2025).

Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Kommentierte Online-Edition der fünf Reisetagebücher Hans Posses (1939–1942), URL: editionhansposse.gnm.de (8.6.2025).

Hélène Ivanoff, Wildenstein & Cie, Paris, in: Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940–1945, RAMA (Frankreich), URL: agorha.inha.fr/detail/484 (27.06.2025).

Sophie Lillie, Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, Wien 2003.

Maurice Philip Remy, Der Fall Gurlitt. Die wahre Geschichte über Deutschlands größten Kunstskandal, Berlin-München-Wien 2017.

Archivalien

BDA-Archiv, Ausfuhrmaterialien, Zl. 384/1938, 385/1938, 1109/1938, 1395/1938, Hugo Engel.
BDA-Archiv, Ausfuhrmaterialien, Zl. 4577/1939, Otto Faltis.

Bundesarchiv Bern, Dossier Ethel, Herbert und Hugo Engel, Signatur: E4264#1985/196#14557*.

Landesarchiv Berlin, Wiedergutmachungsakten, 83/82 WGA 9115/59, Hugo Engel, Dorothy Feierabend, Herbert Terry-Engel.

OeStA/AdR, E-uReang, FLD, Zl. 16.309, Hugo Engel, Ethel Terry Engel.
OeStA/AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Alter Hilfsfonds, 18.119 (25.227), Hugo Engel.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, Allg. Reihe, K. 997, Abwickler Faltis, Hugo Engel.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, Ha. 5277, Hugo Engel.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 42.741, Hugo Engel.

WStLA, Handelsgericht Wien, B 76, Registerakten, A 22, 139, Hugo Engel.
WStLA, M.Abt. 119, A41, VEAV, 459, 14. Bez., Hugo Engel.