Gutmann, Rudolf

Rudolf Gutmann

Wappen mit Adler, Stern und Anker
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21.5.1880 Wien – 9.7.1966 Victoria, Kanada

Der Großindustrielle und Bankier Rudolf Gutmann, Gesellschafter der Firma Gebrüder Gutmann sowie des Bankhauses Gebrüder Gutmann, besaß eine umfangreiche Kunst- und Büchersammlung. Die Sammeltätigkeit Gutmanns ist ab dem Jahr 1906 nachweisbar. In seinem Auftrag ersteigerte die Wiener Kunsthandlung Artaria & Co hauptsächlich Grafiken bei Auktionen in München, Leipzig, Stuttgart und Amsterdam. 1909 und 1910 erwarb Gutmann auch große Anteile der ehemaligen Sammlung des Prager Freiherrn Adalbert von Lanna. Neben seinem Interesse für Druckgrafik, insbesondere von Rembrandt und Dürer, war Gutmann auch stets um die Erweiterung seiner Bibliothek bemüht, die neben kostbaren französischen Büchern des 18. Jahrhunderts zahlreiche Atlanten enthielt. Auch die niederländische Malerei mit Gemälden von Melchior d'Hondecoeter, J. D. de Heem, Abraham Mignon, Abraham Begeyn, Aert van der Neer, Jacob Ochtervelt u. a. war in seiner Sammlung vertreten. Wie so viele SammlerInnen kennzeichnete Gutmann seine Kunstwerke mit einem persönlichen Sammlerzeichen, seine Bücher waren mit einem Exlibris versehen.

Während der Zeit des Nationalsozialismus als Jude verfolgt, flüchtete Gutmann im März 1938 gemeinsam mit seiner Frau Marianne über die Tschechoslowakei und Genf nach Kanada, wo er sich eine neue Existenz aufgebaute. Bank, Firma und Liegenschaften der Gebrüder Gutmann wurden ab September 1938 unter die treuhändische Verwaltung der Gesellschaft zur Verwaltung und Verwertung von Vermögenschaften m.b.H. gestellt, die von Gutmann zurückgelassenen Kunst- und Kulturgegenstände zu Gunsten des Deutschen Reiches eingezogen und zur Verwahrung in das Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen in der Neuen Burg verbracht. In einem dafür angelegten Verzeichnis sowie auf entsprechenden Karteikarten mit dem Sammlungskürzel GU erfolgte die Katalogisierung der fast 900 Positionen. Jene Objekte, die sich in Gutmanns Sommersitz in Kalwang im Bezirk Leoben befanden, blieben vorerst vor Ort und unterstanden der Reichstatthalterei Steiermark. Die in der Neuen Burg eingelagerten Gegenstände wurden später in der Hofburg und in anderen Depots der Zentralstelle für Denkmalschutz untergebracht oder Museen zur vorläufigen Verwahrung zugewiesen. Die Gesellschaft für Verwaltung und Verwertung für Vermögenschaften m.b.H. übernahm einen Teil der Sammlung, um diese sukzessive zu veräußern. Das Museum des Reichsgaues Oberdonau (das frühere Oberösterreichische Landesmuseum) lehnte 1941 den Ankauf von fünf Werken des Stahlschneiders Michael Blümelhuber aufgrund der zu hohen Preisvorstellungen ab. Zwei davon wurden im darauffolgenden Jahr vom Staatlichen Kunstgewerbemuseum in Wien (heute MAK) angekauft. Das Joanneum in Graz erwarb von der Gesellschaft 1942 eine Zeichnung von Michael Daffinger. Weitere Verkäufe erfolgten über das Dorotheum in den Jahren 1943 und 1944.

Nach Kriegsende forderte Rudolf Gutmann gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt Karl Josef Steger die Restitution seiner Kunstsammlung und Bibliothek. Die ab 1946 an Gutmann rückgestellten Kunst- und Kulturgegenstände hatten sich u. a. im Kunsthistorischen Museum (KHM), im Österreichischen Museum für angewandte Kunst und in der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) befunden. Als Gegenleistung für die erteilten Ausfuhrgenehmigungen überließ Gutmann einige Kunstgegenstände den Museen. So erhielt das KHM 1947 ein Gemälde von Barthel Bruyn, die ÖNB Handschriften und die Albertina 1948 zwei italienische Frühdrucke des 15. Jahrhunderts. Für diese Objekte sprach der Kunstrückgabebeirat in den Jahren 2004, 2008 und 2013 Rückgabeempfehlungen aus. Die vom Universalmuseum Joanneum Graz 1942 erworbene Daffinger-Zeichnung war bereits 2002 restituiert worden. Im Falle einer Zeichnung von Jan de Beer, die die Albertina 1959 mit Gutmanns Einverständnis von einem Wiener Kunsthändler erworben hatte, sah der Kunstrückgabebeirat die Voraussetzungen für eine Rückgabe allerdings nicht gegeben. Auch für das 1948 an Gutmann restituierte Fendi-Album, das in den 1970er-Jahren über den Kunsthandel von der Albertina angekauft worden war, sowie für ein an Gutmann rückübereignetes und 1949 von diesem versteigertes Buch gab es keine Rückgabeempfehlung.

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Publikationen zur Person / Institution

Beiratsbeschluss Rudolf Gutmann, 22.6.2004, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Gutmann_Rudolf_2004-06-22.pdf (18.8.2021).
Beiratsbeschluss Rudolf Gutmann, 9.5.2008, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Gutmann_Rudolf_2008-05-09.pdf (18.8.2021).
Beiratsbeschluss Rudolf Gutmann, 12.10.2012, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Gutmann_Rudolf_2012-10-12.pdf (18.8.2021).
Beiratsbeschluss Rudolf Gutmann, 6.12.2013, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Gutmann_Rudolf_2013-12-06.pdf (18.8.2021).

Marie-Theres Arnbom, Friedmann, Gutmann, Lieben, Mandl und Strakosch. Fünf Familienporträts aus Wien vor 1938, Wien 2002.

Birgit Kirchmayr, Geraubte Kunst in Oberdonau, Linz 2007.

Karin Leitner-Ruhe/Gudrun Danzer/Monika Binder-Krieglstein (Hg.), Universalmuseum Joanneum, Restitutionsbericht 1999–2010, Graz 2010.

Sophie Lillie, Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wien, Wien 2003.

Frits Lugt, Les Marques de Collections de Dessins & d’Estampes | Fondation Custodia, URL: www.marquesdecollections.fr/detail.cfm/marque/9998/total/1 (20.8.2021).

Christian M. Nebehay, Das Glück auf dieser Welt, Wien 1995.

Archivalien

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 20, Sammlung Gutmann I.
BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 20/1, Sammlung Gutmann II.

BArch Berlin, R 2107/KAV 737580.

KHM-Archiv, Beschlagnahmeunterlagen, XIII 2, M. Gutmann.

MAK-Archiv, Zl. 756-1944 aus 11-1944.

OeStA/AdR, Finanzen, BMF, Zl. 70.944-7a/46.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt., VA 64180, Rudolf Gutmann.

Online-Edition der Karteien zum sogenannten Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen in Wien, Karteikarten zur beschlagnahmten Sammlung Rudolf Gutmann (Kürzel GU), 1–887, URL: www.zdk-online.org/suche/?filter%5Bcollection%5D=gu (1.9.2021).

Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung, Archiv Artaria und Compagnie: Briefe, Telegramme und Kunstauktionen an Unbekannt * Gutmann, Rudolf von (1906), H.I.N. 68.624.

WStLA, Historische Wiener Meldeunterlagen, Meldeauskünfte zu Rudolf Gutmann und Anna Maria Ferstel.
WStLA, Handelsgericht Wien, Offene Handelsgesellschaft 1906–1938, A 43 Registerakten, 45, Firma Gutmann.