Gayrsperg, Ivo Hans

Ivo Hans Gayrsperg

Porträt, Schwarz-Weiß-Foto
Info
Zusatzinformationen

4.3.1888 Wien – 20.7.1961 Klosterneuburg

Ivo Hans Gayrsperg gründete nach seiner Entlassung aus dem Heeresdienst Anfang März 1919 mit dem deutschen Schriftsteller Theodor Bock-Stieber (1859–1937) die Wiener Literarische Anstalt Wila Verlags GmbH bzw. AG, der er ab 1921/22 als Direktor vorstand. Nach deren Schließung Ende März 1923 machte er sich als Unternehmer mit dem Kunstladen I. H. Gayrsperg & Co in Wien 6, Gumpendorferstraße 109 selbständig, den er ab 1924 gemeinsam mit seiner Ehefrau Marcela, née Klobasser, bis Ende August 1926 führte. Danach arbeitete Gayrsperg für das Teppichhaus Orendi in Wien, wechselte dann aber zur Firma Philipp Haas & Söhne, wo er sich im Teppichverkauf profilierte. Ab 1926 war er nebenberuflich als Schätzgutachter mit Spezialgebiet Antiquitäten, Kunstgewerbe und Teppiche tätig, musste jedoch um staatliche finanzielle Unterstützung beim Arbeitsamt ansuchen, nachdem sein Nebenerwerb zu gering ausfiel und er zwischen 1930 und 1937 wiederholt arbeitslos war. Gayrsperg bezeichnete seine nebenberufliche Tätigkeit selbst als "Experte, Schiedsrichter und Versicherungsschätzmeister". Im Sommer 1939 bewarb er sich um Mitgliedschaft in der NSDAP, in die er mit 1. April 1940 aufgenommen werden sollte. Ende 1939 trat er in den Dienst des Arbeitsamtes Wien III, Süd. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verdingte er sich ab 1948 wiederum als freiberuflicher Experte und Schätzmeister für antikes Kunstgewerbe sowie orientalische Teppiche. Zuletzt war er 1951 als Experte des Verbandes der Versicherungsanstalten für Kunst und Kunstgewerbe vermerkt.

Gayrsperg scheint als Verfasser eines undatierten, vermutlich 1938/39 entstandenen Briefes mit dem Betreff "Mitteilungen über gefährdete Kunstwerke" auf. Darin machte er die Zentralstelle für Denkmalschutz Herbert Seiberl auf kunsthistorisch besonders wertvolle Objekte aufmerksam, die sich im Eigentum jüdischer SammlerInnen befanden und deren fluchtbedingte Verbringung ins Ausland er vermutete. Darunter befand sich auch Jakob Alts Gemälde Cholerakapelle bei Baden aus der Sammlung Ludwig Neuraths, der 1939 nach England flüchtete. Die Österreichische Galerie erwarb das Werk im selben Jahr über die Wiener Kunsthändlerin Marie Wolfrum. Im Zuge der systematischen Provenienzforschung wurde ein entsprechendes Dossier verfasst und dem österreichischen Kunstrückgabebeirat vorgelegt, der das Alt-Gemälde 2009 nicht zur Rückgabe an die RechtsnachfolgerInnen nach Ludwig Neurath empfahl, da die eindeutige Identifizierung des Kunstwerkes auf Grund unterschiedlicher Technikangaben in den bekannten Quellen nicht möglich war. Dank der Auffindung eines Aktenbestands zur Wiener Spedition Reitter im Österreichischen Staatsarchiv durch die Abteilung für Restitutionsangelegenheiten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien konnte der Entzug dieses Gemäldes aus der Sammlung Neurath belegt werden. 2010 wurde das Objekt zur Rückgabe empfohlen und ein Jahr später restituiert.

Author Info
Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Ludwig Neurath, 20.11.2009, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Neurath_Ludwig_2009-11-20.pdf (3.12.2020).
Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Ludwig Neurath, 20.11.2009, URL:
www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Neurath_Ludwig_2010-09-22.pdf (3.12.2020).

Murray G. Hall, Österreichische Verlagsgeschichte 1918–1938 2, Wien-Köln-Graz 1985.

Archivalien

Archiv der Wirtschaftskammer Österreich, Gewerbeakt, WILA Verlagsaktiengesellschaft.

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 38, Zl. 3528/1938; 3955/1938; 2499/1938; PM Gayrsperg.
BDA-Ausfuhr Zl. 2499/1938.

MAK-Archiv, Hauptakt Zl. 810-1940.

NÖLA, NS-Registrierungsakten, 26. Bezirk, Zl. 235.

OeStA/AdR, Arbeit und Soziales, PA Gayrsperg Ivo Hans.
OeStA/AdR, Handel und Verkehr, Standesausweis Gayrsperg Marcela.
OeStA/AdR, Verkehr, Spedition Reitter, Zl. 1.082/11.035, Karton 18, Zl. 460, Ludwig Neurath.

Friedhofsbuch der Pfarre Weidling, Stand 2018, URL: www.pfarre-weidling.at/uploads/friedhof/Friedhofsbuch.pdf (3.12.2020).

Stadtarchiv Klosterneuburg, Melderegister.

Wienbibliothek im Rathaus, NL Felix Braun, ZPH 413, Archivbox 20, Neujahrsgrüße von Hans Ivo von Gayrsperg, 19.12.1953.

WStLA, Historische Wiener Meldeunterlagen, Meldeauskunft Ivo Gayrsperg.