Gerngross, Frida

Frida Gerngross

Porträt, Schwarz-Weiß-Foto, gerastert für den Druck
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19.7.1885 Wien – 1942 im Ghetto Izbica ermordet

née Frida Beck, verwitwete Frida Ripper

Frida Beck war in erster Ehe mit Julius Ripper (1878–1916) verheiratet, mit dem sie eine gemeinsame Tochter Edith hatte. Nachdem ihr Mann im Ersten Weltkrieg gestorben war, heiratete sie im Februar 1918 Robert Gerngross, der gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Paul das Wiener Warenhaus Gerngross führte. Noch im selben Jahr kam ihre gemeinsame Tochter Maria zur Welt. Frida Gerngross und ihre Familie pflegten einen großbürgerlichen Lebensstil, so verbrachten sie die Sommerfrische in Bad Ischl, am Semmering oder in Karlsbad und veranstalteten zahlreiche Empfänge in ihrer Wohnung in Wien 1, Reichsratsstraße 17. Unter dem Pseudonym Maria Gardi hatte Frida Gerngross Ende der 1920er- bis Anfang der 1930er-Jahre einige Auftritte als Konzertsängerin. Zumeist trat sie mit dem Frank Fox Tanzorchester, auch als Wiener Graben Café bekannt, oder mit dem Dajos Bela Tanzorchester auf. Schon Anfang der 1930er-Jahre war das Kaufhaus Gerngross aufgrund der jüdischen Herkunft der InhaberInnen wiederholt nationalsozialistisch motivierten Attacken ausgesetzt, u. a. erfolgte am offenen Verkaufssonntag, dem "Goldenen Sonntag", knapp vor Weihnachten 1932, ein Tränengas- und Stinkbombenanschlag, bei dem zahlreiche Personen verletzt wurden.

Nach dem "Anschluss" Österreichs "arisierte" die Firma Alfred Ludwig & Co. das Warenhaus und führte es als "Kaufhaus der Wiener" weiter. In seiner Vermögensanmeldung von Juni 1938 gab Robert Gerngross u. a. Wertpapiere, Schmuckgegenstände und eine kleine Münzensammlung an. Frida Gerngross führte zudem das Haus in der Reichsratsstraße 17, zwei Autos, der Marken Gräf & Stift und Lancia, die beide später von der SS bzw. Gestapo beschlagnahmt werden sollten, sowie antike Möbelstücke, Ostasiatika und einige kostbare Gobelins, aber auch einige Bilder, wie die Findung Mosis von Marcantonio Franceschini an. Anfang 1940 bot Frida Gerngross der Sammlung alter Musikinstrumente des Kunsthistorischen Museums (KHM) einen Hammerflügel der Marke Promberger um 2.000 Reichsmark zum Verkauf an. Diese erwarb ihn im März 1940 um 550 Reichsmark über den Instrumentenhändler Anton Jirowsky. Weder in der Vermögensanmeldung von Frida noch von Robert Gerngross war ein Flügel angegeben, jedoch finden sich zwei Spinette und ein Flügel in der Vermögensanmeldung ihrer Tochter Maria. Laut Meldeauskunft hatte sie bis 26. Jänner 1939 in der Reichratsstraße 17/1/2/5 gewohnt und war dann nach Prag geflohen. Am 29. Mai 1942 wurde sie nach Ravensbrück und später nach Auschwitz deportiert, wo sie am 25. Jänner 1943 ums Leben kam. Ihre Eltern mussten Anfang April 1942 in eine Sammelwohnung in Wien 1, Lichtenfelsgasse 5 ziehen, von wo sie nach nur wenigen Tagen in das Ghetto Izbica in Polen deportiert wurden.

Auf Antrag von Frida Gerngross Tochter aus erster Ehe, der mittlerweile verehelichten Edith Neumann, erfolgte 1947 die Todeserklärung von Frida und Robert Gerngross. Edith Neumann war es nach dem "Anschluss" gelungen, nach Oslo zu flüchten, wo sie den aus Wien stammenden Adolf Neumann geheiratet hatte. Die Provenienz des 1940 erworbenen Hammerflügels konnte erst im Zuge der systematischen Provenienzforschung in der Sammlung alter Musikinstrumente des KHM geklärt werden, da 1946 eine Anmeldung als entzogenes Vermögen unterblieben war. Der Kunstrückgabebeirat empfahl am 15. Oktober 2015 die Restitution des Hammerflügels an die RechtsnachfolgerInnen nach Maria Gerngross. Der Verbleib der in Fridas Vermögensanmeldung verzeichneten Kunst- und Wertgegenstände ist unbekannt.

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Publikationen zur Person / Institution

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Frida Gerngross, 15.10.2015, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Gerngross_Frida_2015-10-15.pdf (3.12.2020).

Georg Gaugusch, Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800–1938. A–K (= Jahrbuch der Heraldisch-Genealogischen Gesellschaft Adler, 3. Folge 16), Wien 2011.

Sophie Lillie, Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens (= Bibliothek des Raubes 8), Wien 2003.

Monika Löscher, "Mir ist alles einerlei". Zum Schicksal der Sängerin Maria Gardi/Frida Gerngross, in: Eva Blimlinger/Heinz Schödl (Hg.), ...(k)ein Ende in Sicht. 20 Jahre Kunstrückgabegesetz in Österreich (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 8), Wien-Köln-Weimar 2018, 355–368, URL: doi.org/10.7767/9783205201274.355.

Astrid Peterle (Hg.), Kauft bei Juden! Geschichte einer Wiener Geschäftskultur, Wien 2017.

Christine Maria Wiesner, Auf dem Weg in die Moderne. Die Wiener Warenhäuser 1863–1918, Diplomarbeit Universität Wien 2013, URL: othes.univie.ac.at/25217/1/2013-01-23_0547159.pdf (3.12.2020).

Kaufhaus Gerngross, Geschichte, URL: www.gerngross.at/de/geschichte (3.12.2020).

Archivalien

KHM, Sammlung alter Musikinstrumente, 35/SAM/1939/40.

OeStA/AdR, E-uReang, FLD, Zl. 1247, Frieda Gerngross.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 25320, Robert Gerngross.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 38832, Maria Gerngross.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 38868, Frida Gerngross.

WStLA, Historische Wiener Meldeunterlagen, Meldeauskunft Robert und Frida Gerngross.