Brill, Otto

Otto Brill

Porträt, Zeichnung
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27.9.1881 Pardubitz, Böhmen – 6.3.1954 London

Der promovierte Chemiker Otto Brill war das zweitälteste von vier Kindern des jüdischen Lederhändlers Mori(t)z Brill und dessen Frau Amalie, née Thein. Das von seinem Vater aufgebaute Unternehmen, eine Treibriemenfabrik, übernahm Otto als einziger Sohn nach dessen Tod im Jahr 1908 und beendete dafür seine wissenschaftliche Laufbahn. 1921 heiratete er Livia Gunszt, genannt Lilly. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Eva Renata, Agathe Annemarie und Hans. Im Jahr 1923 erwarb Otto Brill die Liegenschaft in Wien 2, Obere Donaustraße 35, deren Beletage die Familie bewohnte. Brill förderte junge KünstlerInnen und baute im Laufe der Jahre eine umfangreiche Kunstsammlung auf, deren Schwerpunkt auf zeitgenössischer Kunst lag. Die von ihm erworbenen Kunstwerke versah er in der Regel rückseitig mit dem Stempel "Sammlung OB". Sein Interesse an moderner Kunst und seine Bekanntschaft mit einigen KünstlerInnen führte wohl auch zur Teilhaberschaft an der von Lea Bondi-Jaray geleiteten Galerie Würthle. Zudem besaß Brill eine umfangreiche Bibliothek, für die er ein Exlibris von Sascha Kronburg anfertigen ließ.

Unmittelbar nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 erfolgte die Verhaftung Otto Brills und die Beschlagnahme seines Vermögens durch die Gestapo. Seine Firma und das Wohnhaus wurden auf Grundlage der Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich eingezogen. Einen Teil seiner Bibliothek übergab er der Gefangenen-Bibliothek des Landesgerichts für Strafsachen. Auch die zur Ausfuhr beantragte rund 400 Werke umfassende Kunstsammlung weckte Begehrlichkeiten. Die Albertina erwarb im Juli 1938 zunächst drei Selbstporträts der Künstler Anton Hanak, Max Slevogt und Anton Faistauer und zwei Albin Egger-Lienz-Zeichnungen, Anfang August noch je zwei Blätter von Rudolf von Alt und Moritz von Schwind sowie eine Bleistiftzeichnung von Carl Spitzweg. Die restliche Sammlung wurde zur Ausfuhr freigegeben. Im September 1938 gelang dem Ehepaar Brill die Flucht nach London, die Kinder waren bereits im Juni geflohen. Nach Kriegsende verblieb die Familie in Großbritannien, wo sich Otto Brill mit der Livia Leather Goods, Ltd. eine neue Existenz aufbaute und gemeinsam mit der ebenfalls nach London geflohenen Lea Bondy-Jaray die St. George’s Gallery gründete. Lediglich Tochter Eva kehrte 1946 nach Österreich zurück, die gemeinsam mit ihren beiden Geschwistern die nach London geretteten Kunstwerke nach dem Tod Brills im Jahr 1954 erbte. Neben der Rückstellung des Hauses und der Firma erwirkte Livia auch eine Entschädigung von der Republik Österreich für Ottos Inhaftierung. Die Restitution der insgesamt zehn Kunstwerke, die die Albertina 1938 aus der Sammlung Brill erworben hatte, empfahl der Kunstrückgabebeirat in den Jahren 2000 und 2002. 2023 sprach sich dieser gegen eine Rückgabe von weiteren Kunstwerken aus dem ursprünglichen Eigentum Otto Brills, die sich nunmehr im Bestand der Akademie der bildenden Künste und der Albertina befinden, aus, da es sich um Werke handelte, die Brill nach Großbritannien hatte mitnehmen können und nach dessen Tod von den Kindern über den Kunsthandel veräußert worden waren.

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Publikationen zur Person / Institution

Beiratsbeschluss Otto Brill, 27.3.2000, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Brill_Livia_Otto_2000-03-27.pdf (14.9.2023).
Beiratsbeschluss Otto Brill, 10.4.2002, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Brill_Livia_Otto_2002-04-10.pdf (14.9.2023).
Beiratsbeschluss Otto Brill, 15.5.2023, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Brill_Livia_Otto_2023-05-15.pdf (14.9.2023).

Evelyn Klein/Gustav Glaser, Periherie in der Stadt. Das Wiener Nordbahnviertel – Einblicke, Erkundungen, Analysen, Wien 2006, 80–88.

Verena Krausnecker, "Da muss ich mir erst einmal den Akt ausheben lassen", in: Der Standard, 18.5.2001, URL: www.derstandard.at/story/583626/da-muss-ich-mir-erst-einmal-den-akt-ausheben-lassen (10.10.2023).

Olga Kronsteiner, Der zweifach "gestohlene" Kokoschka, in: Der Standard, 10.6.2018, URL: www.derstandard.at/story/2000081220968/der-zweifach-gestohlene-kokoschka (10.10.2023).

Sophie Lillie, Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, Wien 2003, 250–255.

Max Osborn, Handbuch des Kunstmarktes. Kunstadressbuch für das Deutsche Reich, Danzig und Deutsch-Österreich, Berlin 1926, 752.

Alexia Weiss, Keine Auktion in Sicht, in: NU – Jüdisches Magazin für Politik und Kultur 19 (2005) 1, 10–16.

Archivalien

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, PM Otto & Livia Brill.

BDA-Ausfuhr, Zl. 2473/1938, Otto & Livia Brill.
BDA-Ausfuhr, Zl. 3132/1938, Livia Brill.

Landesarchiv Berlin (LAB), B Rep. 025-43 WGA 716-719/59.

OeStA/AdR, E-uReang, FLD, Zl. 19619, Otto Brill.
OeStA/AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds 393, Otto Brill.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 29144, Livia Brill.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 29380, Otto Brill.

The National Archives (TNA), HO 334/232/3078, Naturalisation Certificate: Otto Brill. From Austria. Resident in Penarth, Glamorganshire. Certificate BZ3078 issued 27 September 1947.

Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung, NL Viktor Matejka, ZPH 830/4.

WStLA, Historische Wiener Meldeunterlagen, Meldeauskunft Otto Brill.
WStLA, LG für Zivilrechtsachen, A29 Rückstellungskommission, RK 302/61, Otto Brill.
WStLA, M.Abt. 119, A41, VEAV 1848, 2. Bez., Otto Brill.
WStLA, Opferfürsorgeakt Otto Brill, Zl. 34894.