Jellinek-Mercedes, Raoul Fernand

Raoul Fernand Jellinek-Mercedes

 Hochovaler Aufkleber, Zeichnung eines nackten Mannes mit Narrenkappe und einer Eule und Schrift "Dem Fernand Jellinek-Mercedes sein Buch"
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18.6.1888 Algier – 10.2.1939 Baden bei Wien

bis 1903 Raoul Fernand Jellinek

Raoul Fernand Jellinek war der Sohn von Emil Jellinek, einem Diplomaten, Geschäftsmann und Berater der Daimler-Motorengesellschaft, und Rachel Carmen Jellinek, née Gogman-Azoulay. Nach Raoul Fernands Schwester, Mercedes Adrienne Manuela Ramona, ist das gleichnamige Automobil benannt. Raoul Fernand war mit Leopoldine, née Weiss, verheiratet. 1903 änderte die Familie ihren Nachnamen in Jellinek-Mercedes. Raoul Fernand lebte im Jahr 1938 als Privatier in der Wienerstraße 41 in Baden bei Wien, arbeitete gelegentlich als Schriftsteller und Journalist, beispielsweise für die Badener-Zeitung, und betätigte sich etwa auch als förderndes Mitglied des Wiener Musikvereins. Dank des väterlichen Erbes besaß Raoul neben einer großen Musikaliensammlung eine Gemäldesammlung sowie eine wertvolle Bibliothek. Wegen seiner jüdischen Herkunft sah er sich nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich mit zunehmenden Repressionen durch das NS-Regime konfrontiert. Zunächst versuchte er nachzuweisen, dass er "Jude zweiten Grades" war. Dies scheiterte daran, dass seine in Algier ausgestellte französische Geburtsurkunde – er besaß die österreichische Staatsbürgerschaft – keine Informationen über die Religion seiner Eltern und Großeltern enthielt. Seine Konten wurden aufgrund der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 18. Mai 1938 eingefroren. Über Monate hindurch war er gezwungen, immer wieder Stücke aus seinen Sammlungen unter Wert zu veräußern, darunter Bücher an Buchhandlungen und Antiquariate. Auf Grund der Verfolgung durch die Gestapo und die Beamten der Vermögensverkehrsstelle beging er am 10. Februar 1939 in Baden Suizid. Raoul Fernands Familie blieb weiterhin dem Druck des NS-Regimes ausgesetzt: Seine Witwe beschrieb dies 1958 in einem Bericht an die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland rückblickend mit den Worten: "Am 10. Februar erschoss sich mein Gatte nach einer Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten. Mein Gatte stand vor der Verhaftung. Ich musste nach meinem Gatten an Judenvermögensabgabe 32.000 RM bezahlen. Um diese enorme Summe aufzubringen musste ich die überaus kostbare Bibliothek, die einzigartige Partitur-Sammlung und mein Grundstück in Baden …, ferner Schmuck und fünf sehr wertvolle Perserteppiche, weit unter Wert veräußern." Der von Leopoldine Jellinek-Mercedes 1962 gegenüber der Republik Österreich eingebrachte Rückstellungsantrag wurde mit der Begründung der nicht fristgerechten Einreichung des Begehrens abgewiesen. Der Verbleib seiner Gemäldesammlung ist bis heute unbekannt.

Im Juli 2012 konnten durch die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien fünf Bücher aus der Privatbibliothek des Raoul Fernand Jellinek-Mercedes an die ErbInnen restituiert werden. In den fünf Büchen sind jeweils das Exlibris Dem Fernand Jellinek-Mercedes sein Buch in verschiedenen Varianten sowie der handschriftliche Vermerk über den Verkäufer, das Antiquariat Hiersemann aus Leipzig, sowie das Erwerbungsdatum 1941 angebracht. Weitere Restitutionen von Büchern aus dem Eigentum von Raoul Fernand Jellinek-Mercedes wurden durch die Universitätsbibliothek Leipzig, die Zentral- und Landesbibliothek Berlin, die Stadtbibliothek Essen und die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky durchgeführt.

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Publikationen zur Person / Institution

Bruno Bauer/Walter Mentzel, NS-Provenienzforschung an der Medizinischen Universität Wien 2011 und 2012. Restitutionen von Büchern der Bibliothek Sassenbach sowie den Privatbibliotheken von Raoul Fernand Jellinek-Mercedes und Alfred Arnstein, in: VÖB (= Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare) 66 (2013) 3/4, 449–457, URL: fedora.phaidra.univie.ac.at/fedora/objects/o:309203/methods/bdef:Content/download (3.12.2020).

Reinhard Brenner, Zur Geschichte der Sammlung Jellinek-Mercedes. Ein Briefwechsel, in: Buch und Bibliothek 56 (2004), 351–357.

Reinhard Brenner, Die Sammlung Jellinek-Mercedes in der Stadtbibliothek Essen, in: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie (2006) Sonderheft 88, Jüdischer Buchbesitz als Raubgut (= Zweites Hannoversches Symposium), 379–385.

Anett Krause/Cordula Reuß (Hg.), NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Leipzig. Katalog zur Ausstellung in der Bibliotheca Albertina, 27. November 2011 bis 18. März 2012 (= Schriften aus der Universitätsbibliothek Leipzig 25), Leipzig 2011, 58–59.

Archivalien

NÖLA, VA, Raoul Fernand Jellinek-Mercedes.

OeStA/AdR, E-uReang, FLD, Zl. 22062 Band 1 und 2, Leopoldine Jellinek-Mercedes – Rückstellungsantrag.
OeStA/AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds 232, Leopoldine Jellinek-Mercedes.