Galerie Harding

Galerie Harding

Info
Zusatzinformationen

weitere Bezeichnungen: Galerie Helene Silverio (1940–1949), Galerie Helene Harding (ab 1949)

1928 erfolgte die Eintragung der Galerie Harding in Wien 1, Kärntnerstraße 16, in das Firmenregister. Das Unternehmen handelte mit Ölgemälden, Aquarellen und Antiquitäten, Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft (OHG) waren die Brüder Arnold Harding und Paul Harding sowie deren Halbbruder Alfred Harding. Paul Harding trat bereits 1929 aus der OHG aus. Der Schwerpunkt der Geschäfte lag auf dem Export, vor allem in die Tschechoslowakei und nach Großbritannien, aber auch nach Übersee. Die Galerie besaß Filialen in den böhmischen Kurorten Karlsbad und Marienbad, im März 1938 aber nur noch die Dependance in Marienbad.

Nach dem "Anschluss" Österreichs gehörten die Brüder Harding aufgrund ihrer jüdischen Herkunft zu den Verfolgten des NS-Regimes. Im Mai 1938 zog sich Alfred Harding aus dem Wiener Betrieb zurück und Helene Silverio, eine "arische" Angestellte des Unternehmens, trat als Gesellschafterin ein. Auch die Gewerbeberechtigung ging auf sie über. Alfred Harding flüchtete in die Tschechoslowakei – er sollte 1942 von Prag nach Majdanek deportiert und ermordet werden. Ende November 1938 suchte Arnold Harding, der die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft besaß, bei der Vermögensverkehrsstelle um die Genehmigung an, die Galerie an Silverio veräußern zu dürfen – im Konkreten betraf dies allerdings nur die Geschäftseinrichtung. Im selben Monat untersagte der Präsident der Reichskammer der bildenden Künste in Berlin Harding die Weiterführung des Geschäftes und jeglichen Handel mit Kulturgut. Er billigte ihm jedoch zu, die noch in der Galerie vorhandenen Waren "einem als Kammermitglied anerkannten Kunsthändler oder Versteigerer zum Verkauf zu übergeben", woraufhin Silverio die Bestände übernehmen konnte. Im Jänner 1939 beschwerte sich die Landesleitung Wien der Reichskammer der bildenden Künste bei der Vermögensverkehrsstelle, dass sie bei der Bestellung Silverios als Nachfolgerin Hardings übergangen worden und Harding weiterhin in seinem Geschäft tätig sei. Im Juli 1940 wurde Silverio als Alleininhaberin in das Handelsregister eingetragen, der Firmenname von Galerie Harding auf Galerie Helene Silverio abgeändert. De facto handelte es sich um eine der wenigen "Scheinarisierungen" oder "getarnten Übernahmen" im Bereich des Wiener Kunst- und Antiquitätenhandels, denn Silverio war zur Zeit des "Anschlusses" bereits mit Arnold Harding verlobt gewesen. Ein früherer Mitarbeiter der Galerie, Eduard Nierscher, dem dieses Verhältnis bekannt war, erpresste Harding und Silverio mit seinem Wissen. Seine Bemühungen, die Wiener Galerie in seinen Besitz zu bringen, scheiterten, doch gelang es ihm, sich die Zweigniederlassung in Marienbad ohne Gegenleistung und unter Umgehung der im "Protektorat Böhmen und Mähren" für "Arisierungen" zuständigen Behörden anzueignen. Durch Nierschers Drohungen eingeschüchtert, hatte Silverio bereits im Februar 1939 einen Gesellschaftsvertrag mit ihm geschlossen, dem zufolge sie Bilder aus Nierschers Eigentum zum Verkauf übernehmen sollte. In dem gegen Nierscher 1948 eingeleiteten Volksgerichtsverfahren gaben Arnold Harding und Helene Silverio, nunmehr verehelichte Harding, an, von Nierscher bedroht, erpresst und bei der Gestapo denunziert worden zu sein. Das Gericht sprach Nierscher jedoch mangels eindeutiger Beweise vom Vorwurf der Denunziation frei. Ein Rückstellungsverfahren fand weder in Bezug auf die Wiener Zentrale noch in Bezug auf die Marienbader Dependance statt. Die Firma bestand nach dem Ende des Krieges weiter, ab 1949 unter dem Namen Galerie Helene Harding, wobei Helene Harding weiterhin als Alleininhaberin aufschien. 1974 legte sie ihren Gewerbeschein zurück.

Author Info
AutorIn
Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Radiobeitrag von Gabriele Anderl in der Ö1-Sendereihe "Dimensionen": "Im Tarnungswege" erworben. Die Arisierung der Wiener Galerie Harding. Sendetermin: 19.12.2018, URL: oe1.orf.at/programm/20181219/538494/Im-Tarnungswege-erworben (13.6.2022).

Archivalien

GISA Servicestelle, Magistratsabteilung 63 der Stadt Wien, Firmenblatt und Generalkatasterblatt Galerie Harding; Galerie Helene Harding; Helene Silverio.

OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 22.001, Arnold Harding.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 22.002, Alfred Harding.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, H. 2272, Galerie Harding.

WStLA, Handelsgericht Wien, A 43, Registerakten, A 43, 163 a, Galerie Harding.
WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr 1128/48, Eduard Nierscher