Schmidl, Marianne

Marianne Schmidl

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3.8.1890 Berchtesgaden – mit 8.5.1945 für tot erklärt

Marianne Schmidl, eine der ersten Ethnologinnen Wiens, begann noch während ihres Studiums ein Volontariat am Wiener Museum für Volkskunde. Nach ihrer Promotion an der Universität Wien 1915 fand sie zunächst an der Afrikanischen Abteilung des Museums für Länder- und Völkerkunde in Berlin, anschließend am Stuttgarter Lindenmuseum eine Anstellung. 1921 kehrte Schmidl nach Wien zurück, wo sie ab 1922 an der Nationalbibliothek als Referentin für Volkskunde, Naturwissenschaften und Medizin tätig war. Daneben führte sie ihre völkerkundlichen Studien weiter und war außerdem Mitglied der Anthropologischen Gesellschaft sowie des Vereins für Österreichische Volkskunde. Im September 1938 wurde Schmidl im Zuge der Repressionen gegen jüdische Beamte in den dauernden Ruhestand versetzt. Die Vorschreibungen für die sogenannte Judenvermögensabgabe, die sie nicht mehr bezahlen konnte, wurden ihr von ihrem als "arisch" geltenden Schwager Karl Wolf vorgestreckt. Zudem forderte Otto Reche, der ehemalige Leiter des Staatlich-sächsischen Forschungsinstituts in Leipzig, Anfang 1939 die Rückzahlung jener Gelder, die Schmidl ab 1927 für ihre Forschungsarbeit zu afrikanischen Korbarbeiten zur Verfügung gestellt worden waren. Um die Forderungen bezahlen zu können, entschied sie sich dazu, die von ihrer Mutter Maria Schmidl geerbten Kunstwerke zu verkaufen, die zum Großteil von ihrem Urgroßvater, dem Maler Friedrich von Olivier, stammten. Über den Wiener Kunsthändler Christian M. Nebehay und mit Hilfe ihres Schwagers wurden 25 Zeichnungen an das Leipziger Kunstantiquariat C. G. Boerner vermittelt, das die Blätter bei der Auktion vom 28. April 1939 versteigerte. Dabei handelte es sich um Arbeiten von Julius Schnorr von Carolsfeld und den Brüdern Ferdinand und Friedrich von Olivier, die u. a. von der Albertina und verschiedenen deutschen Museen erworben wurden. Marianne Schmidl wurde im April 1942 in das Ghetto Izbica in Polen deportiert und ermordet. Ihr aufgrund der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 von den NS-Behörden eingezogener Anteil des Wiener Hauses in der Wolfganggasse, das sie zusammen mit ihrem Schwager besessen hatte, wurde nach dem Krieg an ihre beiden Nichten zurückgestellt. Die Rückgabe der in der Albertina befindlichen Blätter empfahl der Kunstrückgabebeirat im März 2013. Weitere Restitutionen erfolgten aus den Kupferstichkabinetten Berlin und Dresden, aus der Hamburger Kunsthalle, aus der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München sowie aus der National Gallery of Art in Washington.

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Publikationen zur Person / Institution

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Marianne Schmidl, 8.3.2013, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Schmidl_Marianne_2013-03-08.pdf (3.12.2020).

Katja Geisenhainer, Marianne Schmidl (1890–1942), in: Zeitschrift für Ethnologie 127 (2002), 269–300.
Katja Geisenhainer, Marianne Schmidl (1890–1942). Das unvollendete Leben und Werk einer Ethnologin, Leipzig 2005.
Katja Geisenhainer, Rasse ist Schicksal. Otto Reche (1879–1966). Ein Leben als Anthropologe und Völkerkundler, Leipzig 2002.

Ilse Korotin, "[...] vorbehaltlich eines jederzeit zulässigen Widerrufes genehmigt". Ausgrenzung und Verfolgung jüdischer Wissenschafterinnen und Bibliothekarinnen, in: Ilse Korotin (Hg.), Österreichische Bibliothekarinnen auf der Flucht. Verfolgt, verdrängt, vergessen?, Wien 2007, 103–126.

Christian M. Nebehay, Das Glück auf dieser Welt. Erinnerungen, Wien 1995.

N. N., Sammlung Dr. Schmiedl, in: Hans Tietze (Bearb.), Die Denkmale der Stadt Wien (XI.–XXI. Bezirk) (= Österreichische Kunsttopographie 2), Wien 1908, 330–333.

Hans Tietze, Aus dem Hause Olivier. Glossen über eine Wiener Kunstsammlung, in: Die graphischen Künste. Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst Wien 33, 1 (1910), 9–17.

Publikationen der Person / Institution

Marianne Schmidl, Flachs-Bau und Flachs-Bereitung in Umhausen, in: Zeitschrift für Österreichische Volkskunde 19 (1913), 122–125.
Marianne Schmidl, Zahl und Zählen in Afrika, Wien 1915.
Marianne Schmidl, Altägyptische Techniken an afrikanischen Spiralwulstkörben, in: Festschrift für Wilhelm Schmidt. 76 sprachwissenschaftliche, ethnologische, religionswissenschaftliche, prähistorische und andere Studien, Wien 1928, 645–654.
Marianne Schmidl, Die Grundlagen der Nilotenkultur, in: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 65 (1935), 86–125.

Archivalien

ÖNB, Handschriftensammlung, Schmidl Marie, Cod. Ser. n. 38860.

OeStA/AdR, E-uReang, FLD, Zl. 16851, Marianne Schmidl.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt., VA 50.214, Marianne Schmidl.

WStLA, Landesgericht Wien, Todeserklärung Marianne Schmidl, Zl. 48 T/1384/49.
WStLA, M. Abt. 119, A 41, VEAV C 18, 12. Bez., Marianne Schmidl.
WStLA, Verlassenschaftsakt, Marianne Schmidl, GZ. 1  A 227/50.
WStLA, Historische Wiener Meldeunterlagen, Meldeauskunft Marianne Schmidl.