Kraus, Hans Peter

Hans Peter Kraus

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2.10.1907 Wien – 1.11.1988 Ridgefield, Connecticut, USA

Hans Peter Kraus wurde am 12. Oktober 1907 als Sohn von Emil und Hilda Kraus (née Rix) in Wien geboren. Nach dem Abschluss der Handelsakademie im Jahr 1925 absolvierte er zwischen 1925 und 1927 eine Lehre bei der Wiener Universitätsbuchhandlung R. Lechner. Danach arbeitete er für die Berliner Buchhandlung Wasmuth und zeitweise für Buchhandlung und Verlag Karl W. Hiersemann in Leipzig. 1932 kehrte er nach Wien zurück und eröffnete in Wien 2, Praterstraße 16/1 eine Antiquariats-Buchhandlung beschränkt auf alte Drucke mit Seltenheitswert mit Ausschluss des offenen Ladengeschäftes, deren Standort zwei Jahre später auf die gegenüberliegende Straßenseite, Praterstraße 17/1, wechselte. Da ihm der Geschäftsbetrieb eines Gassenlokales durch die Korporation der Wiener Buch-, Kunst-, und Musikalienhändler sowie von der Gewerbebehörde verweigert wurde, spezialisierte sich Kraus auf die Herstellung und den Versand von Antiquariatskatalogen. Diese gab er ab 1934 mehrmals jährlich heraus und verschickte sie auch an KundInnen nach Übersee, was dazu führte, dass er im In- und Ausland einen hohen Bekanntheitsgrad erlangte und zu einem der erfolgreichsten Antiquare Wiens avancierte. Kraus spezialisierte sich bei seinen Ankäufen unter anderem auf wissenschaftliche Literatur und antiquarische Landkarten. Während der Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren konnte er seinen Bestand vor allem durch Ankäufe aus großen Privatbibliotheken (Thun-Hohensteinsche Bibliothek, "Teschner Bibliothek"), aus Klosterbibliotheken und öffentlichen Bibliotheken erweitern. Laut seinen Angaben betrug die Bestandsgröße seines Bücherwarenlagers 1938 zirka 32.000 Bücher und Zeitschriften.

Nach dem "Anschluss" wurde er von seinem seit 1932 im Antiquariat tätigen Mitarbeiter Alfred Wolf wegen seiner jüdischen Herkunft bei der Gestapo denunziert. Darauf erfolgte seine Inhaftierung im Gefangenenhaus Rossauer Lände in Wien und danach im KZ Dachau und dem KZ Buchenwald, von wo er im April 1939 mit der Auflage das Land zu verlassen, auf freien Fuß gesetzt wurde. Kurz vor Kriegsbeginn flüchtete er nach Schweden und im Oktober 1939 mit seiner Mutter, der ebenfalls die Ausreise aus Wien gelang, nach New York. Das Antiquariat Kraus wurde am 31.12.1938 liquidiert. Zuvor hatte der ehemalige Mitarbeiter Alfred Wolf bereits das gesamte Bücherwarenlager sowie das Inventar des Geschäftslokales in das von ihm im Dezember 1938 in Wien 1, Schottenring 35 neu gegründete Antiquariat Alfred Wolf – Reise- und Versandbuchhandlung, Antiquariat und Export verlagert.

Kraus brachte im Dezember 1945 durch seinen Rechtsanwalt Friedrich Köhler in Wien eine Strafanzeige gemäß §§ 6 und 7 des Kriegsverbrechergesetzes (Missbräuchliche Bereicherung und Denunziation) gegen Alfred Wolf ein und versuchte die Sicherstellung der Bücherlager und eine Betriebsstilllegung des Antiquariats Alfred Wolf zu erwirken. Am 28. August 1946 kam es durch die US-Militärregierung zur Bestellung eines öffentlichen Verwalters über die jeweils 50 %-igen Geschäftsanteile, die Alfred Wolf und Richard Riedmann zu diesem Zeitpunkt am Antiquariat hielten. Richard Riedmann, der Wolf bei der "Arisierung" des Warenlagers von Kraus unterstützt hatte, fungierte seit 1943 als Geschäftsführer des Antiquariates. Nach dem Inkrafttreten des 3. Rückstellungsgesetzes brachte Kraus einen entsprechenden Antrag bei der Rückstellungskommission Wien ein. In den folgenden Jahren kam es wegen den von Riedmann erfolgreich unternommenen Verschleierungen durch häufig wechselnde öffentliche Verwalter sowie durch Interventionen des politischen Referates im Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung zur Verschleppung der Rückstellung. Zudem waren seit 1944 bis in die ersten Nachkriegsjahre hinein durch Riedmann Buchbestände aus dem Warenlager des Antiquariats nach Deutschland (Aschaffenburg, Homburg) verlagert worden. 1950 kam es schließlich zwischen Kraus und Riedmann, dem es gelungen war, wieder alleine die Geschäfte des Antiquariats Wolf zu führen, da Alfred Wolf seit Kriegsende als vermisst galt, zum Abschluss eines Rückstellungsvergleiches beim Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen. Dieser brachte Kraus zumindest wieder ins Eigentum eines kleinen Teiles seiner ursprünglich 2.000 Bände umfassenden Handbibliothek sowie vier gerahmter Landkarten aus seiner ehemaligen Landkartensammlung.

In den 1960er-Jahren avancierte Kraus in New York zu einem der renommiertesten Antiquare in den USA. Er verstarb am 1. November 1988 in Ridgefield, Connecticut. Nach seinem Tode führte seine Ehefrau noch weitere 15 Jahre das Antiquariat in der 16 East 46th Street in New York. Jene Bücher, die nach 1938 durch das ehemalige Institut für Geschichte der Medizin vom Antiquariat Alfred Wolf angekauft worden waren und dem Bücherwarenlager von Hans Peter Kraus zugeordnet werden konnten, wurden von der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien 2014 zur Restitution an die ErbInnen von Hans Peter Kraus empfohlen.

 

Die Recherchen wurden gefördert durch die MA 7 – Kulturabteilung der Stadt Wien, Wissenschafts- und Forschungsförderung.

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Publikationen zur Person / Institution

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Hans Peter Kraus, 15.6.2018, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Kraus_HansPeter_2018-06-15.pdf (3.12.2020).

Walter Mentzel/Harald Albrecht, Die "Antiquariats- und Exportbuchhandlung Alfred Wolf" – ehemals Hans Peter Kraus und Leo Weiser. Die Geschichte eines Raubunternehmens, in: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Sonderband 108 (2012), NS-Raubgut in Museen, Bibliotheken und Archiven. Viertes Hannoversches Symposium, 441–454.

Wolfgang Saxon, Hans Peter Kraus, 81, Book Dealer and Collector, in: The New York Times, 2.11.1988.

Publikationen der Person / Institution

Hans Peter Kraus, A rare book saga. The autobiography of H. P. Kraus, New York 1978.
Hans Peter Kraus, Die Saga von den kostbaren Büchern, Zürich 1982.
Hans Peter Kraus, Alte Technik und Naturwissenschaften. Seltene Bücher aus Schlossbibliotheken und anderen adeligen Besitz (= Antiquariatskatalog 1), Wien 1934.
Hans Peter Kraus, Musikbibliothek Joseph Proksch Prag. Musikliteratur – Frühdrucke – Instrumental- und Vokalmusik. Erstausgabe (= Antiquariatskatalog 2), Wien 1934.
Hans Peter Kraus, Wertvolle Bücher und Handschriften (= Antiquariatskatalog 3), Wien 1935.
Hans Peter Kraus, Periodica 1936 (= Antiquariatskatalog 7), Wien 1936.
Hans Peter Kraus, Manuskripte - Inkunabeln (= Antiquariatskatalog 8), Wien 1936.
Hans Peter Kraus, Philosophie (= Antiquariatskatalog 9), Wien 1936.
Hans Peter Kraus, Jurisprudenz. Bibliotheken Dr. Josef Zalud (Nr. 1-459), Prag – Prof. Dr. Otto von Zallinger, Wien, Deutsche Rechtsgeschichte (Nr. 460-727) (= Antiquariatskatalog 11), Wien 1936.
Hans Peter Kraus, Rara Mathematica et Astronomica (= Antiquariatskatalog 12), Wien 1936.
Hans Peter Kraus, Miscellanea (= Antiquariatskatalog 13), Wien 1937.
Hans Peter Kraus, Bibliographie. Bibliothek Hofrat Dr. Theodor Gottlieb. Kustos der k.k. Hofbibliothek, Wien und anderer Besitz (= Antiquariatskatalog 15), Wien 1937.

Archivalien

Archiv der Wirtschaftskammer Österreich, Gewerbeakt, Hans Peter Kraus.
Archiv der Wirtschaftskammer Österreich, Gewerbeakt, Alfred Wolf – Richard Riedmann.

OeStA/AdR, E-uReang, Hilfsfonds Abgeltungsfonds Zl. 3493 Hans Peter Kraus.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 34993, Hilda Kraus.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 50601, Hans Peter Kraus.

WStLA, Öffentliche Verwaltung (ÖVA), A 23-72, Firmen, Gesellschaften 1951–1968, Alfred Wolf 1946.
WStLA, M.Abt. 119, A41, VEAV, 2. Bez., Zl. 568, Hilda Kraus.
WStLA, M.Abt. 119, A41, VEAV, 2. Bez., Zl. 244, Hans Peter Kraus.
WStLA, M.Abt. 119, A41, VEAV, 1. Bez., Zl. C 290, Hans Peter Kraus.
WStLA, M.Abt. 119, A41, VEAV, 1947 MBA 1, C 290, Hans Peter Kraus.
WStLA, Volksgericht, A1, Vg 4 Vr 2939/1945, Friedrich Richard Riedmann.