Blauensteiner, Leopold

Leopold Blauensteiner

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16.1.1880 Wien – 19.2.1947 Wien

Leopold Blauensteiner, Sohn des gleichnamigen Tischlers und dessen Ehefrau Johanna, née Toscano del Banner, studierte nach dem Besuch des Humanistischen Gymnasiums im Stift Melk von 1898 bis 1903 an der Akademie der bildenden Künste in Wien Malerei bei Christian Griepenkerl sowie einige Semester Kunstgeschichte an der Universität Wien und nahm Privatunterricht beim Grafiker und Bühnenbildner Alfred Roller. 1904 heiratete er Frieda (Friederike) Berger, mit der er drei Söhne (Kurt, Hans Klaus und Peter Paul) haben sollte. Ab 1904 beteiligte er sich an Ausstellungen der Secession, 1908 war er für die Kunstschau, eine Leistungsschau der damaligen Wiener Moderne, tätig. Blauensteiner fungierte auch als Vorstandsmitglied des Hagenbundes (1911–1921), den er aber "wegen des Überhandnehmens der jüdischen Elemente" verließ, sowie der Künstlervereinigung Die Hand. Ab 1925 arbeitete er im Auftrag des Bundesdenkmalamtes als Konservator für profane Kunstdenkmale im Bezirk Melk. Als Maler schuf er vor allem Landschaftsbilder und Porträts, größere Ausstellungen fanden in der Secession (1921) sowie im Künstlerhaus (1930) in Wien statt. 1927 erhielt Blauensteiner den Österreichischen Staatspreis, 1932 die Staatspreismedaille und den Berufstitel Professor. Er war ab 1933 Mitglied der damaligen Genossenschaft bildender Künstler Wiens (Künstlerhaus) und von Ende 1937 bis 1941 deren Präsident. Parallel dazu entfaltete er seine illegalen Tätigkeiten auf dem Gebiet der nationalsozialistischen Kulturpolitik, teilweise in enger Zusammenarbeit mit dem Architekten Marcel Kammerer. Seit 1932 Mitglied der NSDAP und Zellenleiter des "Kampfbundes" im Künstlerhaus, wurde er 1936 Referent für bildende Kunst im illegalen Landeskulturamt der NSDAP, ab 1937 Obmann des "Bundes deutscher Maler Österreichs". Ferner war er Mitglied des 1936 wegen nationalsozialistischer Umtriebe aufgelösten Vereins Gemeinschaft Wiener Kunstfreunde und ein Proponent des Deutsch-sozialen Volksbundes, der 1937 die Legalisierung der NSDAP forderte.

Nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 stieg Blauensteiner zum kommissarischen Leiter bzw. ab Juni 1938 zum Beauftragten aller Institutionen für bildende Kunst in Österreich auf, ab August 1939 war er Landesleiter der Reichskammer der bildenden Künste für den Gau Wien. Mit diesen Funktionen hatte er eine Schlüsselposition bei der Gleichschaltung der bildenden Künste sowie der "Entjudung" des Kunst- und Antiquitätenhandels inne. Im Mai 1939 eröffnete Blauensteiner im Künstlerhaus die 1937 erstmals in München gezeigte Ausstellung "Entartete Kunst". Von Mai 1939 bis März 1945 war er Ratsherr in der Scheinvertretung, die den bereits 1934 aufgelösten Wiener Gemeinderat bzw. den Wiener Landtag ersetzt hatte. Zwei seiner drei Söhne (der Kunsthistoriker Kurt Blauensteiner und der Facharzt Hans Klaus Blauensteiner) fielen im Zweiten Weltkrieg.

Nach der Verhaftung Blauensteiners durch die sowjetische Besatzungsmacht am 19. April 1945 wurde im Juni ein Volksgerichtsverfahren wegen "Illegalität" und "Qualifizierter Illegalität" (§§ 10 und 11 des Verbotsgesetzes) gegen ihn eingeleitet. Blauensteiner inszenierte sich als Kritiker des NS-Regimes und österreichischer Patriot, der sich während der NS-Zeit gegen die Abschaffung spezifisch österreichischer Einrichtungen, etwa der Kunstfachschulen, ausgesprochen, österreichische KünstlerInnen und den heimischen Kunsthandel unterstützt, gegen die Ausfuhr von Waldmüller-Gemälden ins "Altreich" sowie die Errichtung von Filialen deutscher Unternehmen in Wien angekämpft und mehreren rassistisch oder politisch verfolgten Personen geholfen habe. Seine Verteidigungsstrategie erwies sich als erfolgreich: Im Juli 1946, einige Monate vor seinem Tod erfolgte die Einstellung der Voruntersuchung gegen ihn gemäß § 109 StPO. Die Ratskammer des Landesgerichts für Strafsachen Wien fällte jedoch den Beschluss, dass Blauensteiner kein Anspruch auf Entschädigung für die Untersuchungshaft zustehe, weil der gegen ihn vorliegende Verdacht nicht zur Gänze entkräftet worden sei.

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Publikationen zur Person / Institution

Fünfter Bericht des amtsführenden Stadtrates für Kultur und Wissenschaft über die gemäß dem Gemeinderatsbeschluss vom 29. April 1999 erfolgte Übereignung von Kunst- und Kulturgegenständen aus den Sammlungen der Museen der Stadt Wien sowie der Wiener Stadt- und Landesbibliothek, 22.11.2004, URL: wien-restitutionsbericht-2004.pdf (19.5.2022).

Wladimir Aichelburg, Das Wiener Künstlerhaus 1861–1986. 125 Jahre in Bilddokumenten, Wien 1986.

Th. Hg., Der Bund deutscher Maler Österreichs, in: Völkischer Beobachter, 17.4.1938, 12, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19380417&query="Leopold+Blauensteiner"&ref=anno-search&seite=12 (15.4.2023).

Ingrid Holzschuh/Sabine Plakolm-Forsthuber, Auf Linie. NS-Kunstpolitik in Wien. Die Reichskammer der bildenden Künste, Katalog zu einer Ausstellung des Wien Museums, Wien 2021.

Monika Mayer, Freiwillige Verschmelzung. Künstlervereinigungen in Wien 1933–1945, in: Jan Tabor (Hg.), Kunst und Diktatur, Bd. 1, Baden b. Wien 1994, 288–293.

Maren Seliger, Scheinparlamentarismus im Führerstaat. "Gemeindevertretung" im Austrofaschismus und Nationalsozialismus. Funktionen und politische Profile Wiener Räte und Ratsherren 1934–1945 im Vergleich, Wien 2010.

Jan Tabor (Hg.), Kunst und Diktatur. Architektur, Bildhauerei und Malerei in Österreich, Deutschland, Italien und der Sowjetunion 1922–1956. Katalog zu einer Ausstellung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung im Künstlerhaus Wien, 2 Bände, Baden (b. Wien) 1994.

Archivalien

Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs, Landesverband Wien / Niederösterreich / Burgenland, M. Leopold Blauensteiner.

WStLA, Künstlerhaus-Archiv, M. Leopold Blauensteiner.
WStLA, NS-Registrierung Leopold Blauensteiner, Zl. 6125, 7. Bezirk.
WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr 404/45, Leopold Blauensteiner.