Noll, Rudolf

Rudolf Noll

Museumsausweis mit Porträt, Schwarz-Weiß-Foto
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17.4.1906 Gänserndorf – 27.4.1990 Wien

Rudolf Noll studierte klassische Archäologie und Philosophie an der Universität Wien und reichte im Dezember 1929 seine Dissertation Studien zu den Anfängen der Karikatur in der griechischen Vasenmalerei ein. Er war Mitglied der Akademischen Legion und der deutsch-völkischen Fraktion der Wiener Studentenschaft. Nach der Promotion 1930 arbeitete er einige Monate als Bibliothekar am Archäologisch-epigraphischen Seminar der Universität Wien und schloss ein Volontariat in der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums (KHM) in Wien an. 1932 bearbeitete er die archäologischen Bestände im Ferdinandeum in Innsbruck und 1933 inventarisierte er Steinskulpturen der Antikensammlung, bevor er im selben Jahr als Beamter des höheren wissenschaftlichen Dienstes ins KHM aufgenommen wurde. 1935 engagierte er sich als Dienststellenleiter für die wissenschaftlichen Beamten bei der Vaterländischen Front, "um einen echten 'Vaterländer' auszuschalten", wie er 1938 bei seinem Antrag auf NSDAP-Mitgliedschaft angab. Bereits kurz nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich sorgte Noll als von der Gauleitung Wien ernannter "Betriebszellenleiter" für regelmäßige Appelle und Turnveranstaltungen im Museum sowie für die politische Überwachung der MitarbeiterInnen, ab August 1938 auch in der Funktion eines Vertrauensmannes des Reichsbundes der Deutschen Beamten. Im Vorfeld der Volksabstimmung über den "Anschluss" organisierte er die am 26. März 1938 in Saal VII der Gemäldegalerie eröffnete Propagandaausstellung Zum 10. April 1938. Im Mai 1938 absolvierte er einen Luftschutz-Ausbildungslehrgang in Berlin und wurde Luftschutzbeauftragter des KHM. Da Noll im Juni 1938 angab, bereits von 1932 bis zum Verbot der NSDAP Mitglied des Kampfopferringes gewesen zu sein, seine Mitgliedskarte jedoch anlässlich einer Hausdurchsuchung verbrannt zu haben, erhielt er rückwirkend die NSDAP-Mitgliedsnummer 6,127.590 mit Eintrittsdatum 1. Mai 1938. Gemeinsam mit dem Numismatiker und Parteigenossen Fritz Manns nahm Noll 1939 an den Ausgrabungen des römischen Carnuntum/Petronell in Niederösterreich teil und unternahm im selben Jahr Studienreisen nach Berlin, Frankfurt am Main und Bad Homburg. Zwar galt er als Luftschutzreferent im Herbst 1939 als unabkömmlich, er ließ die UK-Stellung jedoch im darauffolgenden Jahr aufheben, um im Dezember 1940 zur Wehrmacht bei einer Einheit der Luftnachrichtentruppe einzurücken. 1941 erfolgte seine Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit und zum Kustos im KHM.

Von 1945 bis Anfang 1947 befand sich Noll in jugoslawischer Kriegsgefangenschaft. Als ehemaliges NSDAP-Mitglied war er im Juli 1945 des Dienstes enthoben worden und schied nach seiner Rückkehr nach Wien 1947 "mangels eines freien Dienstpostens" als Kustos aus dem KHM aus. Zwar beantragte er bereits wenige Wochen später die Wiederaufnahme in den Bundesdienst mit der Begründung, dass er seine Zugehörigkeit zur NSDAP nie missbraucht, keine persönlichen Vorteile daraus gezogen und sich nicht bereichert habe, doch blieb ihm vorerst die Rückkehr verwehrt. Noll lebte anfangs mit seiner Familie von der Kriegsversehrtenrente, 1948 bis 1952 verdiente er seinen Lebensunterhalt als Platzanweiser in einem Kino, bis er nach weiteren Bewerbungen, aufgrund seiner fachlichen Kompetenz und einer frei werdenden Stelle infolge der Pensionierung von Direktor Fritz Eichler Ende 1952 als Vertragsbediensteter in die Antikensammlung des KHM zurückkehren konnte. 1955 erfolgte seine Ernennung zum wirklichen Mitglied des Österreichischen Archäologischen Instituts sowie zum Kustos 2. Klasse. Nach der Suspendierung von Eichlers Nachfolger als Leiter der KHM-Antikensammlung Rudolf Sunkowsky wegen Herstellung und Verkaufs von Falsifikaten übernahm Noll 1956 de facto dessen Funktion, formal stieg er 1957 zum Kustos 1. Klasse, 1958 zum Leiter und 1963 schließlich zum Direktor der Antikensammlung auf. Im selben Jahr verlieh ihm die philosophische Fakultät der Universität Wien die Lehrbefugnis für klassische Archäologie mit besonderer Berücksichtigung der römischen Provinzialarchäologie und den Titel Honorarprofessor. Seit 1961 war Noll ordentliches Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts, ab 1966 korrespondierendes und ab 1970 wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Ende 1971 ging Noll in Pension, lehrte jedoch noch an der Universität Wien bis 1980. 1972 erhielt er den Kulturpreis des Landes Niederösterreich, 1982 den Wilhelm Hartel-Preis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

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Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Herbert Haupt, Jahre der Gefährdung. Das Kunsthistorische Museum 1938–1945, Wien 1995.
Herbert Haupt, Getroffen, doch nicht vernichtet. Das Kunsthistorische Museum im Kriegjahr 1945. Eine Chronologie der Ereignisse in Bildern, Wien 2005.

Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Rudolf Noll, in: Verzeichnis der künstlerischen, wissenschaftlichen und kulturpolitischen Nachlässe in Österreich, URL: data.onb.ac.at/nlv_lex/perslex/NO/Noll_Rudolf.htm (3.12.2020).

N. N., Rudolf Noll, in: Wien Geschichte Wiki, URL: www.geschichtewiki.wien.gv.at/Rudolf_Noll (3.12.2020).

Susanne Hehenberger/Monika Löscher, Akteurinnen und Akteure im Kunsthistorischen Museum Wien. Personelle Kontinuitäten und Brüche 1933/34 – 1938 – 1945, in: Tanja Baensch/Kristina Kratz-Kessemeier/Dorothee Wimmer (Hg.), Museen im Nationalsozialismus: Akteure – Orte – Politik, Köln-Weimar-Wien 2016, 129–146.

Publikationen der Person / Institution

Rudolf Noll, Führer durch die Sonderausstellung Der Grosse Dolichenusfund von Mauer a. d. Url, Wien 1938.
Rudolf Noll, Eugippius, Das Leben des hl. Severin, Lateinisch und Deutsch. Übersetzung, Kommentar, Einleitung und Anhang: Denkmäler des frühen Christentums in Österreich, Linz 1947.
Rudolf Noll, Die Kunst der Römerzeit in Österreich, Salzburg 1949.
Rudolf Noll, Frühes Christentum in Österreich. Von den Anfängen bis um 600 n. Chr., Wien 1954.
Rudolf Noll, Vom Altertum zum Mittelalter. Spätantike, altchristliche, völkerwanderungszeitliche und frümittelalterliche Denkmäler der Antikensammlung, Wien 1958.
Rudolf Noll, Römische Siedlungen und Straßen im Limesgebiet zwischen Inn und Enns (Oberösterreich), Wien 1958.
Rudolf Noll, Griechische und lateinische Inschriften der Wiener Antikensammlung. Ein Verzeichnis, Wien 1962.
Rudolf Noll, Neues zu altbekannten Kunstwerken der Wiener Antikensammlung, Wien 1970.
Rudolf Noll, Das Heroon von Gölbaşi-Trysa. Ein fürstlicher Grabbezirk griechischer Zeit in Kleinasien, Wien 1971.

Archivalien

AÖAW, PA Rudolf Noll; NL Rudolf Noll, K. 5, M. 3, Schriftenverzeichnis, Lebenslauf.

KHM-Archiv, III 1212, PA Rudolf Noll; III 2130, Parte Rudolf Noll; III 1755, PA Rudolf Sunkowsy; Direktionsakten, 19/KL/1938, 20/KL/1938, 21/KL/1938.

OeStA/AdR, UWK, BMU, Personalakten, K. 03/117, Rudolf Noll.
OeStA/AdR, ZNsZ, Gauakt 12532, Rudolf Noll.

UAW, PH RA 10436, Rigorosenakt Rudolf Noll, 6.12.1929, Promotion: 30.5.1930.

WStLA, Historische Wiener Meldeunterlagen, Meldezettel Rudolf Noll, URL: www.wien.gv.at/actaproweb2/benutzung/archive.xhtml?id=Akt+++++93660314-c5b4-4f1d-9a1a-8144b8c955f8VERA#Akt_____93660314-c5b4-4f1d-9a1a-8144b8c955f8VERA (3.12.2020).