Hermann Emanuel Kolisch war der Sohn des Bankiers Robert Kolisch und dessen Frau Paula, née Löw. In der elterlichen Wohnung in der Porzellangasse 9, Wien 9, war auch die private Kunstsammlung des Vaters untergebracht. Neben Miniaturen, Porzellan, Bronzen und einer Elfenbeinsammlung befanden sich dort auch zahlreiche Gemälde bedeutender Künstler des 19. Jahrhunderts wie Ferdinand Georg Waldmüller, Friedrich Gauermann, Josef Danhauser und Peter Fendi. Nachdem Robert Kolisch 1920 gestorben war, wurde ein Großteil der Sammlung ab Mai 1921 im Wiener Auktionshaus Glückselig & Wärndorfer versteigert. Hermann Kolisch, der 1932 sein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Wien abgeschlossen hatte, war bis März 1934 in der Kanzlei Hugo Spitzer/Franz Wittenberg und anschließend in der Rechtsabteilung der Vacuum Oil Company A.G. in Wien tätig, wo sein Dienstverhältnis aufgrund seiner jüdischen Herkunft mit September 1938 beendet wurde. Ab April 1939 galt Hermann Kolisch als nach Triest, Italien, abgemeldet. Er flüchtete schließlich nach Shanghai, wo er bis Mai 1941 blieb, und emigrierte in der Folge in die USA, wo er seinen Namen in Harry J. Colish änderte. 1942 heiratete er Ruth Koretz und fand eine Anstellung bei der Socony Mobil Oil Company Inc. in New York. Vor seiner Flucht hatte er die einst seinem Vater gehörenden Kunstwerke bei der Zentralstelle für Denkmalschutz zur Ausfuhr angemeldet, von denen zwei Stück gesperrt wurden; ihr Verbleib ist bis heute ungeklärt. Die für die Ausfuhr freigegebenen Kunstwerke sowie das restliche Umzugsgut sollten jedoch nie bei ihm ankommen, denn das zurückgelassene Vermögen wurde beschlagnahmt und aufgrund der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 als dem Deutschen Reich verfallen erklärt. Obwohl Harry Colish später eine detaillierte Liste zu den einzelnen Positionen seines Umzugsgutes erstellte, konnte keines der dort genannten Kunstwerke ausfindig gemacht werden. Zwei Mappen mit diversen Zeichnungen hatte er vor seiner Flucht der Albertina angeboten, die im Jänner 1939 zwei Zeichnungen von Carl Spitzweg und je eine Zeichnung von Peter Fendi und Friedrich Gauermann erwarb. Hinsichtlich dieser empfahl der Kunstrückgabebeirat im Oktober 2013 die Rückgabe.
Hermann Kolisch / Harry Colish
Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Hermann Kolisch, 8.10.2013, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Kolisch_Hermann_2013-10-08.pdf (3.12.2020).
Auktionshaus für Altertümer Glückselig & Wärndorfer (Hg.), Versteigerung von Mobiliar, Skulpturen, Glas, Keramik, Silber, Metallgegenständen, Waffen, einem Gobelin, Teppichen, Graphik und Miniaturen sowie von Gemälden und Miniaturen aus dem Nachlass des Bankiers Robert Kolisch †, erster Teil und anderem Privatbesitz (Leitung: H. O. Miethke, Dr. Haberfeld), Wien 1921 [Auktion: 17.–20., 23.5.1921], URL: doi.org/10.11588/diglit.22358.
Auktionshaus für Altertümer Glückselig & Wärndorfer (Hg.), Versteigerung von Gemälden, Miniaturen und Handzeichnungen aus dem Nachlass des Börsenrates Robert Kolisch †, zweiter Teil, und aus anderem Privatbesitz (Leitung: H. O. Miethke, Dr. Hugo Haberfeld), von Mobiliar, Textilien, Spitzen, Porzellan, Keramik, Metallgegenständen, Waffen und Teppichen aus dem Nachlass des Hofarchitekten Bartelmus †, erster Teil, und aus anderem Privatbesitz , Wien 1921 [Auktion: 7.–10.11.1921], URL: doi.org/10.11588/diglit.15751.
BDA-Ausfuhr, Zl. 8075/1938, Hermann Kolisch.
BDA-Archiv, Historische Materialien, Wohnungsanforderungen, M. Wien IX, Zl. 51/1921.
Leo Baeck Institute New York, Collection Harry Colish AR 6888.
OeStA/AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds 3330, Harry J. Colish.
OeStA/AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Alter Hilfsfonds, 19.759, Harry J. Colish.
OeStA/AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Neuer Hilfsfonds,15.836, Harry J. Colish.
WStLA, Historische Wiener Meldeunterlagen, Meldeauskunft Hermann Kolisch.