Klinger, Serafine

Serafine Klinger

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2.8.1871 Wien  – 15.2.1943 Ghetto Theresienstadt

née Strauss

Serafine Strauss kam 1871 als zweites Kind des Börsenagenten Ludwig (Louis) Strauss und dessen Frau Gabriele, née Stern, zur Welt. Ihr Bruder, der spätere Komponist Oskar Nathan Strauss (Straus), wurde 1870 geboren, ihre Schwester Anna, verehelichte Goldberger, 1874. 1894 heiratete Serafine im Wiener Stadttempel den Rechtsanwalt Norbert Klinger. Das Ehepaar hatte drei Kinder: Margarethe (Grete), die bereits 1921 verstarb, Lily, ab 1927 verehelichte Deutsch und Julius Erich, der 1936 Charlotte Morgenstern heiratete und nach dem Studium der Rechtswissenschaft in die Kanzlei seines Vaters eintrat. Serafine Klinger besaß eine zum Teil von ihren Onkeln, Julius und Alfred Stern, geerbte Kunst- und Antiquitätensammlung mit insgesamt 76 Kunstobjekten vorwiegend aus dem 17. und 19. Jahrhundert mit Schwerpunkt auf Werken von Jacob und Rudolf Alt. Die Kunstsammlung wurde in der Wohnung und Kanzlei der Familie Klinger am Schottenring 9/12–13 aufbewahrt.

Nach dem “Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 war das Ehepaar Klinger aufgrund seiner jüdischen Herkunft der NS-Verfolgung ausgesetzt. Norbert und Julius Erich Klinger mussten im Juli 1938 ihre Anwaltskanzlei aufgeben und besaßen in Folge kein geregeltes Einkommen mehr. Franz Kieslinger, Experte des Dorotheums für mittelalterliche Kunst, bewertete die Kunstsammlung mit rund 12.000 Reichsmark. Serafine Klinger sah sich im August 1938 gezwungen, über Vermittlung des Kunsthändlers Benno Geiger vier Aquarelle Rudolf von Alts sowie vier Aquarelle Jakob Alts um 3.850 Reichsmark an Reichsamtsleiter Ernst Schulte Strathaus zu verkaufen, der im Auftrag Martin Bormanns einen größeren Bestand an Jakob und Rudolf Alt-Bildern erwerben sollte. Der Verkaufserlös ging auf ein Sperrkonto. Serafine und Norbert Klinger mussten im Juli 1939 in eine Wohnung in Wien 19, Hofzeile 12, umziehen. Ihren Kindern Julius Erich Klinger und Lily Deutsch war im Jänner bzw. Juli 1939 noch die Flucht in die USA gelungen. Serafine und Norbert Klingers Kunstsammlung, soweit noch vorhanden, vertrauten sie entfernten Verwandten, dem Ehepaar Katharina und August Makart, an. Norbert Klinger verstarb am 5. Dezember 1941 im Spital der Israelitischen Kultusgemeinde. Serafine Klinger wurde am 24. September 1942 von ihrer letzten Meldeadresse in Wien 9, Liechtensteinstraße 92 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort starb sie am 15. Februar 1943 laut offiziellem Totenschein an einer Lungenentzündung.

Der in Wien verbliebene Teil der Kunstsammlung Serafine Klingers wurde laut Katharina Makart bei Plünderungen vernichtet bzw. gestohlen. 1946 forderten Lily Delt (vormals Deutsch) und Julius Erich Klinger die Rückstellung der entzogenen Alt-Bilder. Fünf der acht Bilder waren in der Sammlung Bormann im Salzbergwerk Altaussee geborgen und wurden 1949 zwar restituiert, doch das Niederösterreichische Landesmuseum erwirkte mithilfe des Ausfuhrverbotsgesetzes von 1923 eine Sperre für das Rudolf von Alt-Aquarell Holzschiff auf der Donau vor Dürnstein samt Vorkaufsrecht, woraufhin das Werk zum Preis von 4.000 Schilling an das Land Niederösterreich veräußert wurde. Erst 2020 wurde das Bild basierend auf den Ergebnissen der Provenienzforschung an die RechtsnachfolgerInnen nach Serafine Klinger restituiert und schließlich für die Landessammlungen Niederösterreich erneut angekauft.

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Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Walter Koschatzky, Rudolf von Alt, Wien-Köln-Weimar 2001.

Sopie Lillie, Was einmal war, Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, Wien 2003.

Barbara Sauer/Ilse Reiter-Zatloukal, Advokaten 1938. Das Schicksal der in den Jahren 1938 bis 1945 verfolgten österreichischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Wien 2010.

Georg Gaugusch, Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800–1938, Band A–K, in: Jahrbuch der Heraldisch-Genealogischen Gesellschaft "Adler" 16 (2011).

Andreas Strobl (Hsg.), Rudolf von Alt … genial, lebhaft, natürlich und wahr, Berlin 2015.

DÖW, Opferdatenbank des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, Eintrag zu Serafine Klinger, URL: www.doew.at (24.1.2017).

Andreas Liška-Birk, "Ein erlesenes Werk von lokalgeschichtlichem Standtpunkt" Dürnstein an der Donau aus der Hand Rudolf von Alt, In: Eva Blimlinger (Hrsg.), ... (k)ein Ende in Sicht, 20 Jahre Kunstrückgabegesetz in Österreich, Wien 2018, 155–162.

Theresia Hauenfels/Andreas Liška-Birk, Liminale Objekte am Beispiel der Provenienzforschung, in: Verband österreichischer Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker (VöKK) (Hrsg.), An der Schwelle. Liminalität in Theorie und kunsthistorischer Praxis Tagungsband zur 20. Tagung des Verbandes österreichischer Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker, Wien 2024, 67–79, URL: repository.akbild.ac.at/de/alle_inhalte/query/27263 (09.08.2024).

Archivalien

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 39/1, PM Norbert und Serafine Klinger.

BArch Koblenz, Österreich-Claims, B323/718, Seraphine Klinger Wien.

NÖLA, Ankaufsakt, Zl III/2-2/62m-55, Rudolf von Alt "Holzschiff auf der Donau vor Dürnstein".

OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 5.619 Lily Deutsch.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 5.667, Serafine Klinger.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 7.068, Charlotte Klinger.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 25.209, Norbert Klinger.
OeStA/AdR, E-uReang, FLD Zl. 8.150, Dr. Julius Klinger.
OeStA/AdR, E-uReang, FLD, Zl. 14.313, Charlotte Klinger, Julius Erich Klinger.
OeStA/AdR, E-uReang, FLD, Zl. 16.414, Seraphine (Serafine) Klinger.
OeStA/AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds 8.667, Norbert Klinger, Eric Klinger.
OeStA/AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds 10.288, Serafine Klinger, Lily Delt.
OeStA/AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds 10.289, Norbert Klinger, Eric Klinger.
OeStA/AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds 11.282, Serafine Klinger, Lily Delt.
OeStA/AdR, E-uReang, KKBG 1 Nr. GA-S-106-302/Allg, Dr. Eric Julius Klinger und Lily Delt.
OeStA/AdR, E-uReang, KKBG 2 Nr. KK 10179, Charlotte Klinger.

WStLA, Historische Wiener Meldeunterlagen, Meldeauskunft Serafine Klinger, Charlotte Klinger, Lily und Richard Deutsch, Julius Erich Klinger, Wilhelm Emil Morgenstern, Laura Haftel.
WStLA, BG Döbling, 2A 126/42 Verlassenschaft Norbert Klinger und 2A 487/34 Verlassenschaft Serafine Klinger, geb. Stern.
WStLA, M.Abt. 119, A41, VEAV C 184 B, 1. Bez., Lily Delt und Julius Erich Klinger.
WStLA, M.Abt. 119, A41, VEAV Nr. 6, 3. Bez., Charlotte Klinger.
WStLA, BG Landstraße, 6P 487/34 bzw. 13P 28/40, Pflegschaft Wilhelm Emil Morgenstern.