Kien, Julius

Julius Kien

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21.1.1868 Uherský Ostroh, Mähren – 21.6.1949 Sydney

Julius Kien wurde in Uherský Ostroh, Mähren, als drittes von sechs Kindern geboren, seine Familie übersiedelte wahrscheinlich noch im 19. Jahrhundert nach Wien. Er war Inhaber einer Handelsagentur am heutigen Rooseveltplatz in Wien. Laut Vermögensanmeldung, die er aufgrund seiner jüdischen Herkunft gezwungen war, im Juli 1938 abzugeben, besaß Julius Kien ein Haus in Pötzleinsdorf, Wertpapiere, Barvermögen sowie darin nicht näher beschriebene Kunstgegenstände und Bilder. Einen Teil dieser Kunstgegenstände bewertete und übernahm der deutsche Kunsthändler Adolf Weinmüller zum Verkauf. Die Handelsagentur Julius Kien und Co. wurde am 30. November 1938 stillgelegt. Friedrich Röck, Direktor des Museums für Völkerkunde, informierte das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten am 10. März 1939, dass sich in Julius Kiens ethnographischer Sammlung zwei chinesische Begräbnisvasen aus der Sung-Zeit sowie ein Blumen-Hängetopf aus der Ming-Zeit befanden, die für die Ausfuhr gesperrt worden waren und vom bisherigen Besitzer dem Museum für Völkerkunde kostenlos überlassen würden. Am folgenden Tag erging ein Schreiben an Julius Kien, dass das Museum im Einvernehmen mit der Zentralstelle für Denkmalschutz die drei Objekte als Spende übernommen habe und gegen die Ausfuhr der übrigen ethnographischen Sammlungsgegenstände kein Bedenken vorliege. Im März 1939 floh Julius Kien über die Schweiz und London nach Sydney, Australien. Ende März 1939 bat die Direktion des Museums für Völkerkunde die Vermögensverkehrsstelle um Zustimmung zum freihändigen Ankauf der drei Objekte aus dem Eigentum von Julius Kien, zu einem Gesamtpreis von 700 Reichsmark. Ob die drei Gegenstände schlussendlich als Ankauf oder als Schenkung in den Bestand des Museums gelangten, ist den Dokumenten nicht zu entnehmen.

1970 meldeten die Kinder von Julius Kien, Hedwig Spiegel, née Kien (1903–1985), und Friedrich/Frederick Kien (1904–1998), erfolglos Anspruch bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland auf vier Kunstgegenstände an, die im Sonderdruck der Wiener Zeitung vom 2. September 1969 gemäß dem Ersten Kunst- und Kulturgutbereinigungsgesetz publiziert worden waren. Die angemeldeten Eigentumsansprüche standen allerdings nicht in Zusammenhang mit den drei 1939 durch das Museum für Völkerkunde erworbenen Objekten. Diese wurden erst im Zuge der systematischen Provenienzforschung in Folge des Kunstrückgabegesetzes von 1998 behandelt. So stellte sich heraus, dass Etta Becker-Donner, spätere Direktorin des Völkerkundemuseums, im Herbst 1946 auf dem Akt Kien vermerkt hatte, dass sie die Anmeldung dieser Erwerbungen nach der Vermögensentziehungs-Anmeldungsverordnung beabsichtigte, diese geschah aber offenbar nicht. Auf Basis der Ergebnisse der Provenienzrecherchen empfahl der Kunstrückgabebeirat 2001 die Restitution der beiden Begräbnisvasen sowie des Blumen-Hängetopfes durch das Museum für Völkerkunde an die ErbInnen nach Julius Kien, die 2006 erfolgte. Diese verkauften daraufhin die Objekte dem Museum und spendeten den Erlös der Gedenkstätte Yad Vashem.

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Publikationen zur Person / Institution

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Julius Kien, 14.3.2001, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Kien_Julius_2001-03-14.pdf (3.12.2020).

Ildikó Cazan-Simányi, "... ganz auserlesene, nicht mehr erhältliche Stücke ..." Die ethnographischen Objekte des Julius Kien (1868–1949), in: Archiv Weltmuseum Wien 69 [voraussichtlich 2021].

Felicitas Heimann-Jelinek, Jetzt ist er bös, der Tennenbaum. Die zweite Republik und ihre Juden. Jüdisches Museum der Stadt Wien, Wien 2005, 46–47.

N. N., Opfer nationalsozialistischer Verfolgung und Enteignung, Julius Kien, URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Sammler/K/Kien,%20Julius.html (3.12.2020).

N. N., Eintrag Julius Kien, in: Geni A MyHeritage company, URL: www.geni.com/people/Julius-Kien/6000000007375375630 (3.12.2020).

Archivalien

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 47, Zl. 4301/71.

OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 17494, Julius Kien.

WMW-Archiv, Direktionsakten 1938, 1939, 1946, 1971, 1972.
WMW-Archiv, Sammlermappe Julius Kien.