Adametz, Lotte

Lotte Adametz

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25.7.1879 Wien – 3.6.1966 Wien

eigentlich Karoline Adametz

Nach Abschluss der Handelsschule war Karoline Adametz, die sich stets Lotte nannte, durchgehend von 1898 bis 1945 in der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums (NHM) in Wien beschäftigt. Neben ihrer Erwerbsarbeit war sie ab 1898 außerordentliche Hörerin geologischer und paläontologischer Vorlesungen an der Technischen Hochschule Wien und der Universität Wien. Im NHM arbeitete sie ab 1902 an der Revision der paläozoischen und mesozoischen Studiensammlungen. Zwischen 1904 und 1913 bereitete sie im Auftrag des Leiters der Geologisch-Paläontologischen Abteilung Ernst Kittl (1854–1913) umfangreiches Sammlungsmaterial wissenschaftlich auf. So ordnete sie z. B. die Objekte nach damals gültigen taxonomischen Erkenntnissen. 1927 wurde sie in den mittleren Fachdienst befördert. Bis zum Tod des Direktors der prähistorischen und der anthropologischen Abteilung Josef Bayer (1882–1931) beteiligte sich Adametz in ihrer Freizeit an dessen Ausgrabungen und Forschungsreisen. Bayer bestimmte sie in seinem Testament zu seiner Universalerbin und sie schenkte in den folgenden Jahren mehrere Objekte aus seinem Nachlass der Geologisch-Paläontologischen Abteilung. Lotte Adametz stand, wie ihre ebenfalls am NHM tätige Schwester Emilie Adametz, vermutlich schon vor dem "Anschluss" dem Nationalsozialismus nahe und pflegte Kontakt zur illegalen Betriebszelle des NHM. Noch im März oder April 1938 beantragte sie die NSDAP-Mitgliedschaft, die ihr im April 1940 verliehen werden sollte. 1938 inventarisierte und etikettierte sie Fossilien, die Irma Bondy in Vorbereitung ihrer verfolgungsbedingten Flucht im Auftrag ihres Schwagers Fritz Illner an das NHM verkauft hatte. Auf Adametz' Initiative beendete die Geologisch-Paläontologische Abteilung im Sommer 1939 die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem Panstwowy Intsytut Geologiezny in Warschau. Ebenfalls 1939 setzte sie sich bei dem Geologen Fritz Kautsky erfolgreich für die antisemitisch motivierte Umbenennung des von ihm beschriebenen Holotypus von Erycina Suessi, der nach dem Geologen Eduard Suess benannt war, auf Erycina Backlundi ein. 1941 organisierte Adametz den Transport von hunderten ausgesuchten Stücken aus den entzogenen geologischen, zoologischen und mineralogischen Sammlungen des Missionshauses St. Gabriel in Maria Enzersdorf ins NHM. Ab 1941 leitete sie die kriegsbedingten Bergungen und fungierte, wenn auch inoffiziell, als Stellvertreterin des Leiters der Geologisch-Paläontologischen Abteilung Friedrich Trauth.

Lotte Adametz wurde im Zuge der Entnazifizierung im August 1945, rückwirkend ab März 1938, in den dauerhaften Ruhestand unter Kürzung ihrer Bezüge versetzt. Nach der Verabschiedung des Nationalsozialistengesetzes 1947 erreichte sie eine Einstufung als Minderbelastete und legte auch gegen die Kürzung ihrer Bezüge Einspruch ein, dem am 18. Dezember 1951 stattgegeben wurde. Nach ihrer Pensionierung war sie bis zu ihrem Tod in der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des NHM sowie in mehreren wissenschaftlichen Vereinen, wie der Geologischen Gesellschaft, aktiv. Die entzogenen Sammlungen aus St. Gabriel im Bestand des NHM wurden durch den Beschluss des Kunstrückgabebeirats vom 7. Dezember 2007 zur Rückgabe empfohlen und restituiert. Am 18. Oktober 2019 empfahl der Kunstrückgabebeirat die Fossilien Fritz Illners zur Restitution an dessen RechtsnachfolgerInnen.

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Publikationen zur Person / Institution

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Missionshaus St. Gabriel, 7.12.2007, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Missionshaus_StGabriel_2007-12-07.pdf (3.12.2020).

Rupert Hirsch, Wale schwammen über Wien, in: Kreisbote, 19.5.1939, 3.

Brigitta Keintzel (Hg.), Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben – Werk – Wirken, Wien 2002.

Othmar Kühn, Lotte Adametz, in: Mitteilungen der Geologischen Gesellschaft 59 (1966), 255–257.

Brigitta Schmid, Frühe Wissenschaftlerinnen am Naturhistorischen Museum Wien, Dissertation Universität Wien 2017.

Mathias Svojtka, Adametz, Karoline (Lotte), in: Österreichisches Biographisches Lexikon ab 1815, 2011, URL: doi.org/10.1553/0x00280dbb.

Helmut Zapfe, Lotte Adametz †, in: Annalen des Naturhistorischen Museums Wien 69 (1966), 11–13.

Publikationen der Person / Institution

Lotte Adametz, Eine Mammutjägerstation, in: Die Umschau 29 (1925), 470–471.
Lotte Adametz, Kannibalen der Steinzeit, in: Die Umschau 32 (1928), 541–543.
Lotte Adametz, Ergänzungen zu dem vorhergenden Bericht von KYRLE und eine Zusammenfassung der alt- und jungpaläolithischen Höhenstationen Österreichs auf Grund der Ausgrabungen von Josef Bayer, in: XVIth International Geological Congress, Washington D. C. 1933 (1936), 1165–1169.
Lotte Adametz, Eine vielkantige Streitaxt aus dem Überschwemmungsgebiet der Traisenmündung, in: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien 67 (1937), 30–31.
Lotte Adametz, Über ein rätselhaftes Quecksilbervorkommen bei Haugsdorf im Weinviertel, N. Ö., in: Der Aufschluss 7 (1956), 33–36.

Lotte Adametz, Julius Pia, Ein rätselhaftes Quecksilbervorkommen bei Haugsdorf im Weinviertel, Niederdonau, in: Anzeiger der Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse 79 (1942), 33–36.

Archivalien

NHM, Geologisch-Paläontologische Abteilung, Korrespondenzmappen; Inventarbuch 1929–1950; Einlaufjournal IV; Einlaufjournal V.

OeStA/AdR, UWK, BMU, Personalakten, Karoline Adametz.