Illner, Fritz

Fritz Illner

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23.3.1885 Wien – vermutlich 1944 Vernichtungslager Auschwitz (1959 für tot erklärt)

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Der 1885 in Wien geborene Fritz Illner erlernte den Beruf eines Straßenbauingenieurs. 1920 heiratete er Anna Glas, mit der er zwei Töchter – Herta (geboren am 27. Dezember 1921) und Rita (geboren am 19. Dezember 1923) – bekommen sollte. Berufsbedingt verbrachte Fritz Illner längere Zeit im Ausland. Vermutlich während seines Arbeitsaufenthalts in der Türkei zwischen 1928 und 1931 sammelte er vier Fossilien – drei Ammoniten und einen Inoceramus (Muschelart) aus der Kreidezeit – auf. Ab 1933 lebten Fritz und Anna Illner in Nizza. Ihre Kinder blieben vorerst bei ihrer Tante, der Schwester von Anna Illner, Irma Bondy in Wien.

Nach dem "Anschluss" Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich war die Familie in Wien antisemitischer Verfolgung ausgesetzt. Die Kinder verließen schließlich im November 1938 gemeinsam mit ihrer Tante Wien und flüchteten nach Nizza; der Verbleib von Irma Bondy ist ungeklärt. Vor der Flucht aus Wien hatte Irma Bondy die Fossilien ihres Schwagers in dessen Auftrag am 13. Juni 1938 an die Geologisch-Paläontologische Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) verkauft. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges war die Familie Illner auch in Frankreich nicht mehr sicher. Als deutschsprachige AusländerInnen galten die Illners nun als "Staatsangehörige der Feindmächte“ (ressortissants ennemis) und wurden vorübergehend im Mai 1940 im Internierungslager in Gurs (Camp de Gurs) festgehalten. Bald durfte die Familie das Lager verlassen und unter polizeilicher Aufsicht auch wieder in Nizza wohnen, wo Herta und Rita Illner bis zum Erhalt weiterer Aufenthaltsbewilligungen von Ende September bis Anfang Oktober 1942 in einer Kaserne interniert waren. Infolge der Besetzung Nizzas durch die deutsche Wehrmacht im September 1943 nahm die Gestapo Anna und Fritz Illner am 18. März 1944 fest. Ihre Kinder hatten offensichtlich vorab von der drohenden Verhaftung erfahren und konnten mit gefälschten Dokumenten untertauchen. Zunächst im Sammel- und Durchgangslager Drancy interniert, wurden die Eltern am 13. April 1944 ins Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und wahrscheinlich unmittelbar nach der Ankunft ermordet.

Die Töchter überlebten die nationalsozialistische Verfolgung und konnten bereits im April 1945 nach Nizza zurückkehren. Während Rita heiratete und nach Israel auswanderte, blieb Herta bis 1958 in Nizza, ehe sie sich bei ihrer Schwester in Israel aufhielt. Auf Antrag von Rita Grabowski wurden ihre Eltern Anna und Fritz Illner 1959 für tot erklärt. 1960 kehrte Herta Illner nach Wien zurück, wo sie 1993 verstarb. Basierend auf den Ergebnissen der systematischen Provenienzforschung in der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des NHM empfahl der Kunstrückgabebeirat im Oktober 2019 die Restitution der Sammlung an die RechtsnachfolgerInnen nach Fritz Illner. Auf deren Wunsch fand die Ausfolgung der Objekte im Dezember 2022 durch die österreichische Botschaft in Tel Aviv statt und die Fossilien wurden dem Steinhardt Museum of Natural History der Universität Tel Aviv als Leihgabe überlassen.

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Publikationen zur Person / Institution

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Fritz Illner, 18.10.2019, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Illner_Fritz_2019-10-18.pdf (18.06.2023).

Christian Eggers, Unerwünschte Ausländer. Juden aus Deutschland und Mitteleuropa in französischen Internierungslagern 1940–1942 (= Reihe Dokumente – Texte – Materialien, Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin 42), Berlin 2002.

Serge Klarsfeld, Vichy – Auschwitz. Die "Endlösung der Judenfrage" in Frankreich (= Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart 10), Darmstadt 2007.

Serge Klarsfeld, Le Mémorial de la déportation des Juifs de France, Paris 1978.

Claude Laharie, Gurs 1939–1945, un camp dʾinternement en Béarn. De lʾinternement des républicains espagnols et des volontaires des Brigades internationales à la déportation des Juifs vers les camps dʾextermination nazis. Biarritz 2005.

Claude Laharie, Die Internierungslager in Südfrankreich in der Vichy-Zeit (1940–1944), in: Edwin M. Landau/Samuel Schmitt (Hg.), Lager in Frankreich. Überlebende und ihre Freunde. Zeugnisse der Emigration, Internierung und Deportation, Mannheim 1991, 11–34.

Dario Alejandro Luger, Case Study. The Fritz Illner collection. Provenance research in the Natural History Museum Vienna, in: Newsletter of the Network of European Restitution Committees on Nazi-Looted Art 16 (2023), 52–53.

Dario Alejandro Luger, Von Anatolien über Wien nach Tel Aviv – Zur Geschichte und Restitution der Sammlung Fritz Illner, in: Pia Schölnberger/Birgit Kirchmayr (Hg.), Restituiert. 25 Jahre Kunstrückgabegesetz in Österreich (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 9). (In Druck.)

Renée Poznanski, Denis Peschanski, Benoît Pouvreau, Drancy. Un camp en France, Paris 2015.

Archivalien

NHM, Archiv der Geologisch-Paläontologischen Abteilung, Einlauf-Journal IV 1928–1939, Eintrag Nr. 17, 13.6.1938.

WStLA, LG für Zivilrechtssachen, A26 – 48T – Todeserklärungen; Kraftloserklärungen: Anna Illner 48 T 1257/57, Todeserklärung von Anna Illner, geb. Glas, 6.2 1959.
WStLA, LG für Zivilrechtssachen, A26 – 48T – Todeserklärungen; Kraftloserklärungen: Fritz Illner: 48T 1256/57, Todeserklärung von Ing. Fritz Illner, 6.2. 1959.
WStLA, Opferfürsorgeakt Herta Illner.
WStLA, Opferfürsorgeakt Rita Ruth Grabowski.
WStLA, Historische Wiener Meldeunterlagen, Meldeauskunft Fritz Illner.