Leitmeier, Hans

Hans Leitmeier

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24.10.1885 Wien – 8.6.1967 Wien

Hans Leitmeier, Sohn eines Handelsangestellten, promovierte 1908 an der Universität Graz im Fach Mineralogie. Seine akademische Laufbahn begann er 1909 am Mineralogischen Institut der Universität Wien, wo er 1912 die Stelle eines Assistenten annahm und sich 1916 habilitierte. Seit 1921 lehrte er an der Universität Wien und erhielt ebendort 1929 eine außerordentliche Professur. 1925 wurde er mit der Mitgliedschaft in der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina ausgezeichnet. Von 1925 bis 1938 war Leitmeier Sekretär der "volkstümlichen Universitätskurse", die seit 1922 vom deutschnationalen Paläontologen und Paläobiologen Othenio Abel (1875–1946) geleitet und politisiert worden waren. Leitmeier kann dem deutschnational-antisemitischen Karrierenetzwerk "Bärenhöhle" rund um Abel an der Universität Wien zugerechnet werden, das die Besetzung der Professorenstellen an der Universität wesentlich beeinflusste. Nach der Trennung von seiner ersten Ehefrau, der Botanikerin Bertha Bennesch (1886–1974), heiratete Leitmeier Anfang 1934 die geschiedene Anthropologin Daisy Horwitz, née Solomonica, die nur wenige Tage zuvor aus der Israelitischen Kultusgemeinde ausgetreten war. Aufgrund dieser Ehe wurde der Mineraloge nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich per 31. Mai 1938 zwangspensioniert. Leitmeier war dadurch von den akademischen Netzwerken der Universität Wien und der wissenschaftlichen Laufbahn abgeschnitten. Ab Dezember 1938 durfte er die Bibliotheks- und Sammelbestände sowie die Laboratorien der Universitätsinstitute nicht mehr benutzen. Insbesondere musste er seine Forschungen in den Hohen Tauern unterbrechen, die er auch nach 1945 nicht mehr abschließen sollte. Da Leitmeier seine wissenschaftliche Arbeit während der NS-Zeit nicht fortsetzen konnte, verkaufte er zwischen 1941 und 1943 insgesamt 124 Mineralien aus den Hohen Tauern an das Naturhistorische Museum Wien.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Leitmeier am 14. November 1945 zum ordentlichen Professor und Direktor des Institutes für Mineralogie und Petrographie an der Universität Wien ernannt, dem er bis zu seiner Emeritierung 1957 vorstehen sollte. 1946 wählte ihn die Österreichische Akademie der Wissenschaften zum korrespondierenden Mitglied. Nach seiner Ernennung zum Dekan der philosophischen Fakultät der Universität Wien im Studienjahr 1949/50 setzte er sich für die Wiedereingliederung ehemaliger NationalsozialistInnen ein. Seit 2009 ist Hans Leitmeier im Gedenkbuch für Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien eingetragen. 2021 empfahl der Kunstrückgabebeirat jene Mineralien, die Hans Leitmeier an das Naturhistorische Museum in Wien verkaufte hatte, an seine ErbInnen auszufolgen.

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Publikationen zur Person / Institution

Beiratsbeschluss Hans Leitmeier, 5.11.2021, URL: provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Leitmeier_Hans_2021-11-05.pdf (21.11.2022).

Vera M. F. Hammer/Franz Pertlik, Hans Leitmeier (1885–1967). Akademischer Lehrer, Dekan, Forscher und Sammler an der Wende von der analytischen zur experimentellen Mineralogie, in: Mitteilungen der Österreichischen Mineralogischen Gesellschaft 160 (2014) 73–108.

Andreas Huber, Rückkehr erwünscht. Im Nationalsozialismus aus "politischen“ Gründen vertriebene Lehrende der Universität Wien, Wien 2016.

Roman Pfefferle/Hans Pfefferle, Glimpflich entnazifiziert. Die Professorenschaft der Universität Wien von 1944 in den Nachkriegsjahren, Göttingen 2014.

Klaus Taschwer, Geheimsache Bärenhöhle. Wie eine antisemitische Professorenclique nach 1918 an der Universität Wien jüdische Forscherinnen und Forscher vertrieb, in: Regina Fritz/Grzegorz Rossolinski/Jana Starek, Alma Mater Antisemitica. Akademisches Milieu, Juden und Antisemitismus an den Universitäten Europas zwischen 1918 und 1939 (= Beiträge zur Holocaustforschung des Wiener Wiesenthal Instituts für Holocaust-Studien (VWI) 3), Wien 2016, 221–242.

Klaus Taschwer, Braun-schwarze Beziehungsgeflechte. Zur Bedeutung antisemitischer Netzwerke im akademischen Milieu der Zwischenkriegszeit und zu ihren Nachwirkungen nach 1938 und 1945, in: Gertrude Enderle-Burcel/Ilse Reiter-Zatloukal (Hg.), Antisemitismus in Österreich 1933–1938, Wien-Köln-Weimar 2015, 769–784.

Publikationen der Person / Institution

Auswahl:

Hans Leitmeier, Über die Entstehung der Kluftmineralien in den Hohen Tauern, in: Tschermaks mineralogische und petrographische Mitteilungen 1 (1950) 4, 390–413.
Hans Leitmeier, Mineralien des südlichen Venedigergebietes, in: Mitteilungen der Österreichischen Mineralogischen Gesellschaft 11 (1948–1949/1950), 115–122.
Hans Leitmeier, Sind die Ergebnisse geologischer und petrologischer Forschung in den Ostalpen unvereinbar? in: Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt 98 (1955), 33–66.
Hans Leitmeier, Die Probleme der Bildung der "Zentralgneise" in den Hohen Tauern und einiger Mineralparagenesen in den Ostalpen und die Bedeutung von Spurenelement-Analysen zu ihrer Lösung, in: Tschermaks mineralogische und petrographische Mitteilungen 5 (1956) 4, 303–334.

Archivalien

OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 18.476, Hans Leitmeier.
OeStA/AdR, UWK, BMU, Personalakten, Sign. 10, Hans Leitmeier.
OeStA/AdR, ZNsZ, Gauakt Hans Leitmeier.
OeStA/AVA, Unterricht, Allg. Akten 673.18, PA Hans Leitmeier.

UAW, Philosophische Fakultät, PA Hans Leitmeier.