Nach dem "Anschluss" Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich sahen sich die Tochter des k. k. Stabsarztes Jakob Heissfeld, Lotte, und ihre im selben Haushalt lebende Mutter Valerie Heissfeld aufgrund ihrer jüdischen Herkunft zur Flucht aus Österreich gezwungen, die sie zunächst in die Tschechoslowakei führte. Bereits im September 1938 hatten sie für ihre bei der Spedition Eger & Co. eingelagerten Kunstobjekte um Ausfuhrbewilligungen nach Prag angesucht. Der Großteil durfte abgabefrei ausgeführt werden und passierte die Grenze zur Tschechoslowakei. Während Lotte Heissfeld am 1. März 1939 die Weiterreise nach England gelang, wurde ihre Mutter bald darauf von Brünn ins Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie am 13. April 1942 ums Leben kam. Im selben Jahr verlor Lotte die Protektoratsangehörigkeit zu Böhmen und Mähren, womit der Verfall ihres Vermögens an das Deutsche Reich verbunden war. Offenbar war es ihr aber gelungen, die in die Tschechoslowakei ausgeführten Kunstwerke nach Großbritannien mitzunehmen, da sich mehr als die Hälfte ihrer ursprünglichen Kunstsammlung, die vorrangig Werke österreichischer und deutscher Künstler des 19. Jahrhunderts beinhaltete, nach ihrem Tod 1983 in ihrer Londoner Wohnung befand. Im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung wurden 30 Kunstwerke verzeichnet, die großteils mit der Liste ihres Ausfuhransuchens von 1938 übereinstimmten. Dementsprechend erfolgte 2012 keine Rückgabeempfehlung durch den Kunstrückgabebeirat hinsichtlich des aus der Sammlung Lotte Heissfeld stammenden Werkes Auf der Ligethi Puszta von Theodor Hörmann, welches die Österreichische Galerie 1957 im Wiener Kunsthandel erworben hatte. Der Verbleib des Großteils der Kunstsammlung ihrer Mutter Valerie ließ sich bis heute nicht klären.
Lotte Heissfeld
Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Valerie und Lotte Heissfeld, 2.3.2012, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Heissfeld_Lotte_Valerie_2012-03-02.pdf (3.12.2020).
Sophie Lillie, Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens (= Bibliothek des Raubes 8), Wien 2003.
Anita Stelzl-Gallian, Für immer verloren. Der Sammler Richard Kulka und die Familiensammlung Heißfeld-Kulka, in: Eva Blimlinger/Heinz Schödl (Hg.), Die Praxis des Sammelns, Personen und Institutionen im Fokus der Provenienzforschung (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 5), Wien-Köln-Weimar 2014, 201–220, URL: doi.org/10.7767/boehlau.9783205793564.201.
Archiv der IKG, Matriken.
BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien, K. 37/2, PM Lotte und Valerie Heißfeld.
BDA-Ausfuhr, Zl. 5704/1938 Valerie Heißfeld, Zl. 5703/1938 Lotte Heißfeld.
Národní archiv Praha, Polizeidirektion Prag, Aufenthaltskarte von Valerie Heissfeldova.
Národní archiv Praha, Registratur des Archivbestands der Polizeidirektion Prag, G.Z.: II-10/1944.
Národní archiv Praha, Okkupationsgefangenenakten, Valerie Heissfeld.
OeStA/AdR, E-uReang, FLD, Zl. 12220, Zl. CA XIII – 20.782.
OeStA/AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds 6918, Lotte Heissfeld.
OeStA/AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Abgeltungsfonds Zl. 29.525; Zl. 6283.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 22.148 Lotte Heissfeld.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 38.413 Valerie Heissfeld.
WStLA, Historische Wiener Meldeunterlagen, Meldeauskunft Lotte Heissfeld.
WStLA, M.Abt. 119, A41, VEAV 183, 13. Bez., Lotte Heissfeld.