Friedländer, Alice

Alice Friedländer

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21.4.1864 Wien – 10.3.1949 Los Angeles
née Alice Politzer

Alice Friedländer war das einzige Kind des Wiener Ohrenarztes und Universitätsprofessors Adam Politzer und seiner Frau Julie, née Rosenfeld. Ausgebildet am Wiener Konservatorium war sie als Schauspielerin und Konzertpianistin tätig und editierte auch mindestens eine Notensammlung zu Tänzen von Franz Schubert für den C. F. Peters-Verlag in Leipzig. Am 6. Mai 1884 heiratete sie im Wiener Stadttempel Richard Fleischl von Marxow (1853–1901), die Ehe wurde drei Jahre später geschieden. In den 1880er-Jahren trat Alice Friedländer mehrfach auf Bühnen in Deutschland auf, u. a. am Deutschen Theater und am Königlichen Schauspielhaus in Berlin. Am 28. Oktober 1888 heiratete sie, ebenfalls in Wien, den Sänger, Musikwissenschaftler und Honorarprofessor Max Friedländer (1852–1934) und lebte in der Folge mit ihm in Berlin. Das Paar hatte vier Kinder. Der Sohn Franz (1896–1989), seit 1919 auch unter dem Namen Franz Friedländer Röhn bekannt, war das einzige noch lebende Kind der Familie, als Adam Politzer 1920 starb. Alice Friedländer und ihr Sohn erbten Teile seiner umfangreichen Kunstsammlung. Große Teile der Kollektion kamen in mehreren Etappen in Wien und Berlin zur Versteigerung, zuletzt im Februar 1928 beim Wiener Auktionshaus Albert Kende; möglicherweise im Zusammenhang mit dem Tod Julie Politzers im Januar 1928.

Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft durch das NS-Regime verfolgt, emigrierte Alice Friedländer aus Deutschland. Im Sommer 1938 gelang ihr die Flucht in die USA, wo sie am 24. Juni 1938 einreiste und noch am selben Tag den Antrag auf Einbürgerung stellte, dem erst am 9. November 1945 stattgegeben werden sollte. Vor ihrer Emigration hatte sie im Januar 1938 ihr Grundstück in Berlin-Eichkamp verkauft und u. a. in Wien, im Salzkammergut und zuletzt zur Miete bei Valerie Wolffenstein in der Ringstraße 77 in Berlin-Lichterfelde gelebt. Im Dezember 1938 und April 1939 erfolgten Einziehungen aus ihrem und dem Vermögen ihres Sohnes für die "Judenvermögensabgabe" in Höhe von 6.666,67 und 2.300 Reichsmark. Auf Betreiben des Oberfinanzpräsidenten Berlin wurde im Juli 1941 auch das von ihrem Vater Adam Politzer geerbte und in gemeinsamen Besitz mit ihrem Sohn Franz befindliche Grundstück in der Gonzagagasse 19 in Wien 1 beschlagnahmt. Im Juni 1942 beantragte die Gestapo Berlin den Vermögensverfall zugunsten des Deutschen Reiches und zwar neben dem Grundstück in Wien auch für einen Posten "Umzugsgut", der spätestens seit Juni 1941 bei der Spedition Otto Noerenberg, Berlin-Lichterfelde, lagerte und zur Versteigerung vorgesehen war. Der Wert der Kunst- und Einrichtungsgegenstände wurde in einer Vermögensanzeige vom 23. Mai 1942 auf 17.790 Reichsmark beziffert. Am 29. Mai 1942 erfolgte eine Auktion von Mobiliar über das Versteigerungshaus Union, Inhaber Leo Spik, mit dem Erlös von 18 Reichsmark. Am 9. und 16. Februar 1943 wurde eine weitaus größere Anzahl an Objekten in den Versteigerungsräumen auf der Neuen Schönhauser Straße 16 in Berlin verauktioniert. Der Erlös betrug 71.005,50 Reichsmark.

Alice Friedländer starb am 10. März 1949 in Los Angeles. 1967 beantragte ihr Sohn Franz Friedländer Wiedergutmachungsleistungen in der Bundesrepublik Deutschland. Er erhielt eine Entschädigungszahlung für den Hausrat, die Wertpapiere und Alice Friedländers Anteil am Grundstück in der Gonzagagasse in Wien. Aufgrund der NS-Verfolgung Alice Friedländers und ihres Sohnes stehen Kunstwerke aus der ehemaligen Sammlung Adam Politzers, die möglicherweise im Eigentum von Alice Friedländer bzw. in dem ihres Sohnes geblieben waren und nach 1938 in Museen und öffentliche Sammlungen gelangten, weiterhin im Fokus deutscher wie österreichischer Provenienzforschung.

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Publikationen zur Person / Institution

Glückselig & Wärndorfer, Wien, Versteigerung der Gemäldesammlung Hofrat Professor Adam Politzer, 7. bis 9.12.1920, URL: digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/glueckselig1920_12_07 (28.4.2022).

Amsler & Ruthardt, Berlin, 103. Auktion, Sammlung des in Wien verstorbenen Hofrats Prof. Dr. A. Politzer, 18. bis 20.5.1922, URL: digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/amsler_ruthardt1922_05_18 (28.4.2022).

Ignaz Schwarz, Wien, Sammlung Hofrat Professor Dr. Politzer,12. bis 14.6.1922, URL: digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/schwarz1922_06_12 (28.4.2022).

Albert Kende, Wien, 92. Kunstauktion, Nachlässe Hofrat Professor Dr. Adam Politzer, Wien, Hofrat Franz Breitfelder, Wien und Wiener Privatbesitz, 23. bis 25.2.1928, URL: digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kende1928_02_23 (28.3.2022).

Archivalien

Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 36 A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg (II), Nr. 10224.

Landesarchiv Berlin, Wiedergutmachungsakten Alice Friedländer, B-Rep025-07, Nr. 1242-67.

Landesamt für Bürger- und Organisationsangelegenheiten (LABO), Berlin, Abteilung 1 – Entschädigungsbehörde, Entschädigungsamt Berlin, Entschädigungsakten Röhn, Dr. Franz, Nr. 342.840.

OeStA/AdR, E-uReang, FLD, Zl. 14784, Alice Friedländer.

WStLA, BG I Verlassenschaften Politzer, Julie und Adam.

WStLA, M.Abt. 119, A41, VEAV Zl. 126,1. Bez., Franz Röhn.