Feist, Hermine

Hermine Antonie Feist

Büste, Porträtkopf
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20.12.1855 Berlin – 17.11.1933 Berlin
née Wollheim

Hermine Feist war verheiratet mit dem Kaufmann und Kunstliebhaber Otto Feist, nach dessen Tod 1912 seine Sammlung bestehend aus Alten Meistern, italienischen Möbeln, Kleinbronzen, Majoliken und Steinarbeiten auf die beiden gemeinsamen Söhne Ernst und Hans überging. Sie ließen jedoch ihrer Mutter, die selbst leidenschaftlich Porzellan, alte Spitzen und Schmuck sammelte, die Verfügungsgewalt. Feists Porzellansammlung galt als eine der größten in Europa mit Figuren, Vasen und Tafelgeschirr aus den Manufakturen Meißen, Höchst, Frankenthal, Nymphenburg, Wien, Ludwigsburg, Fulda und Limbach, die sie in zahlreichen Vitrinen in der von ihrem Vater, dem Industriellen Caesar Wollheim, Gründer und langjähriger Inhaber einer Kohlengroßhandlung, geerbten Villa in der Bergstraße 5 am Wannsee präsentierte. 1914 und 1915 schenkte sie dem Berliner Schlossmuseum (dem späteren Kunstgewerbemuseum) eine Wiener Porzellantasse und eine Nymphenburger Porzellanfigur. Durch Kriegsanleihen, Inflation und ihren aufwändigen Lebensstil verfügte Hermine Feist kurz nach dem Ersten Weltkrieg über kein eigenes Vermögen mehr und musste Darlehen aufnehmen. Im November 1933 starb sie. Zur Schuldentilgung gingen Teile ihrer Sammlung an die Dresdner Bank über, die diese 1935 an das Schlossmuseum Berlin weiterverkaufte. Zur Deckung der Schulden bei der offenen Handelsgesellschaft (OHG) Caesar Wollheim schlossen Ernst und Hans Feist im Oktober 1936 einen Vergleich mit Arnold Kunheim als Vertreter der Firma ab, in dessen Folge sechs Kleinbronzen im Wert von 50.000 Reichsmark an die OHG Caesar Wollheim übergingen, die sie im Juni 1939 bei Hans W. Lange versteigern ließ. Darunter befand sich auch eine Kaiserbüste aus dem 16. Jahrhundert, die in weiterer Folge die Wiener Kunsthändlerin Marianne Novakovic erwarb und im Juni 1943 an das Kunsthistorische Museum (KHM) weiterverkaufte.

Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft sahen sich beide Söhne den Verfolgungsmaßnahmen in der Zeit des Nationalsozialismus ausgesetzt: Nach der Festnahme von Ernst Feist im Zusammenhang mit den Novemberpogromen 1938 wurde er ins KZ Sachsenhausen deportiert. Seine Entlassung erfolgte zwar nur wenige Wochen später, doch verstarb er kurz darauf. Hans Feist emigrierte Anfang 1940 in die Schweiz, wo er als freiberuflicher Schriftsteller von Vorträgen und Übersetzungen lebte. Nach 1945 stellten die Erben nach Hermine Feist einen Anspruch auf Wiedergutmachung, der am 8. Dezember 1959 in folgenden Vergleich mit der neu gegründeten Stiftung Preußischer Kulturbesitz mündete: ein kleiner Teil der Kunstsammlung wurde restituiert, der Großteil jedoch finanziell abgegolten, allerdings waren nicht alle Objekte von diesem Vergleich erfasst. Der Rest der Sammlung gilt bis heute aufgrund der Kriegsereignisse als zerstört oder verschollen. In seiner Sitzung im Mai 2013 sprach sich der Kunstrückgabebeirat gegen eine Rückgabe der Kaiserbüste, nun als Darstellung eines Herkules im Bestand des KHM geführt, aus, da die angefallenen Schulden und der daraus resultierende Verkauf durch die Brüder Feist in keinem Zusammenhang mit der NS-Machtübernahme gestanden hatten.

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Publikationen zur Person / Institution

Beiratsbeschluss Otto Feist, 3.5.2013, URL: provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Feist_Otto_2013-05-03.pdf (17.7.2023).

Anna-Carolin Augustin, Berliner Kunstmatronage, Sammlerinnen und Förderinnen bildender Kunst um 1900, Göttingen 2018.

Auktionskatalog Hans W. Lange, Gemälde und Kunstgewerbe aus einer bekannten Privatsammlung in Berlin-Wannsee, verschiedener Kunstbesitz: Versteigerung am 22. und 23. Juni 1939 Berlin, 1939: URL: digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/lange1939_06_22.

Michael Dorrmann, Eduard Arnhold (1849–1925). Eine biographische Studie zu Unternehmer- und Mäzenatentum im Deutschen Kaiserreich, Berlin 2002.

Christiane Keisch, Hermine Feist, Berlin (1855–1933). Eine Leidenschaft fürs Porzellan, in: Glück, Leidenschaft und Verantwortung. Das Kunstgewerbemuseum Berlin und seine Sammler, Ausstellungskatalog, Berlin 1996, 32–35.

Sven Kuhrau, Der Kunstsammler im Kaiserreich. Kunst und Repräsentation in der Berliner Privatsammlerkultur, Berlin 2005.

Archivalien

Archiv der Wirtschaftskammer Österreich, Gewerbeakt, Marianne Novakovic.

Brandenburgische Landeshauptarchiv am 14.12.2011, Rep. 36 A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg (II).

Deutsches Literaturarchiv Marbach, Nachlass Hans Feist.

KHM, Kunstkammer, 11/PL/1943/44.

Landesarchiv Berlin: A Rep. 345, Nr. 17120a, A Rep. 345, Nr. 17680a, A Rep. 345, Nr. 17624a, B Rep. 025‐06, Nr. 2356/57.

Leo Baeck Institute, "Rudolf Simonis Collection" Series XIV: Varia undated", Box 9, Folder 10 "Inventory of the Art Collection of Hermine Feist-Willheim", URL: archive.org/stream/rudolfjakobsimonis_01_reel11#page/n1000/mode/up (18.7.2023).