Finger, Sepp

Sepp (Josef) Finger

Info
Zusatzinformationen

21.3.1901 Wien – 1962 vermutlich Wien

Josef (Sepp) Finger, der nach dem Abschluss der Handelsakademie den Kaufmannsberuf erlernt hatte, war ab 1919 in einer Wiener Bank beschäftigt. 1926 wanderte er in die Türkei aus, wo er in Ankara und Konstantinopel (Istanbul) lebte, verschiedene Gebiete Kleinasiens bereiste und in den Dienst der Deutschen Orientbank trat. Von 1927 an war er an der Österreichischen Gesandtschaft in der Türkei sowie am Deutschen Archäologischen Institut in Istanbul beschäftigt, auch leitete er eine zoologische Studienreise durch Anatolien. Ende 1934 kehrte er nach Wien zurück und fand eine Anstellung im Österreichischen Verkehrsbüro. Nach dem "Anschluss" Österreichs war er zunächst bei den Feinstahlwerken im niederösterreichischen Traisen, später als Exportleiter in Wien beschäftigt. Finger, der Türkisch und mehrere europäische Fremdsprachen beherrschte, kam 1939 als Dolmetscher in die Druckschriftenprüfstelle der Wiener Gestapo, seit 1939 gehörte er auch dem Sicherheitsdienst der SS (SD) an. Die SS-Führerschule besuchte er 1941 in Fulda, im selben Jahr erfolgte seine Beförderung zum SS-Obersturmführer. 1943/44 publizierte Finger im Völkischen Beobachter umfangreiche Reiseberichte, vor allem über die Türkei. Bis September 1944 arbeitete er in der Pressezensur bei der Wiener Gestapo am Morzinplatz, später im Amt IV (Geheime Staatspolizei) des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin, ab Februar 1945 im Amt VI, das sich mit der Bekämpfung von KommunistInnen befasste. Zuletzt war er der Sonderabteilung zur Bekämpfung des österreichischen Widerstandes zugeteilt. Von Februar 1946 bis Juli 1947 war Finger im US-amerikanischen Internierungslager Marcus W. Orr in Glasenbach bei Salzburg interniert. Er verschwieg dort wie auch bei der NS-Registrierung seine Karriere bei der Gestapo und lebte schließlich im Raum Saalfelden unter falscher Identität. 1947 erfolgte die Überstellung Fingers an das Gefangenenhaus des Landesgerichts für Strafsachen Wien und die Einleitung eines Volksgerichtverfahrens gemäß den §§ 8, 10 und 11 des Verbotsgesetzes (Registrierungsbetrug, Illegalität und qualifizierte Illegalität) gegen ihn. Finger behauptete, er sei vom Arbeitsamt an die Gestapo vermittelt und dort nur zu "untergeordneten Dienstverrichtungen" verwendet worden. 1949 stellte die Staatsanwaltschaft Wien das Verfahren ein.

Das Museum für Völkerkunde (heute Weltmuseum Wien) hatte zwischen 1935 und 1944 mehrfach Objekte aus dem Kaukasus, Kleinasien, Persien und dem Vorderen Orient von Finger als Geschenke und Ankäufe erworben. Ein NS-verfolgungsbedingter Entziehungshintergrund konnte bei den Objekten nicht festgestellt werden, aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Finger die Objekte bei seinen langjährigen Auslandsaufenthalten erworben. Der Kunstrückgabebeirat nahm eine Sachverhaltsdarstellung über die von Finger stammenden Ethnographika im Weltmuseum am 30. November 2012 und ein Dossier zu Textilien im MAK am 26. September 2014 zur Kenntnis.

Author Info
AutorIn
Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Gabriele Anderl, Provenienzforschung und Kunstrestitution im Weltmuseum Wien, in: Neues Museum. Die österreichische Museumszeitschrift (2013) 3, 15 Jahre Provenienzforschung, 37.

Publikationen der Person / Institution

Sepp Finger, Anatolische Landschaften, Teil II in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 26.5.1944, S. 3, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19440526&seite=3 (3.12.2020), Teil III in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 3.6.1944, S. 3, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19440603&seite=3 (3.12.2020), Teil IV in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 10.6.1944, S. 3, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19440610&seite=3 (3.12.2020), Teil V in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 17.6.1944, S. 3, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19440617&seite=3 (3.12.2020), Teil VI in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 24.6.1944, S. 3, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19440624&seite=3 (3.12.2020).
Sepp Finger, Bauernland Türkei. Wesensart und Lebensgewohnheiten der türkischen Landbevölkerung, in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 25.1.1944, 3, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19440125&seite=3 (3.12.2020).
Sepp Finger, Bosnische Fahrtenbilder, Teil I in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 29.8.1944, 3, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19440829&seite=3 (3.12.2020), Teil II in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 1.9.1944, 3, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19440901&seite=3 (3.12.2020), Teil III in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 28.9.1944, 3, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19440928&seite=3 (3.12.2020).
Sepp Finger, Im Zeichen des Goldenen Horns, in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 24.2.1944, 3, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19440224&seite=3 (3.12.2020).
Sepp Finger, In der mittelalterlichen Türkei. Von zwei deutschen Reisenden gesehen, in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 15.4.1944, 3, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19440415&seite=3 (3.12.2020).
Sepp Finger, Karagöz und Hadschiwad. Vom türkischen Schattenspiel zum Farbfilm, in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 14.3.1944, 3, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19440314&seite=3 (3.12.2020).
Sepp Finger, Tosya. Bild einer anatolischen Kleinstadt, in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 7.12.1943, 3, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19431207&seite=3 (3.12.2020).
Sepp Finger, Türkischer Volkshumor. Von Hodschas und Derwischen, in: Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 2.5.1944, 3, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vob&datum=19440502&seite=3 (3.12.2020).

Archivalien

OeStA/AdR, BKA, Grundzahl 208.526/4–1950.
OeStA/AdR, ZNsZ, Gauakt 156.737, Sepp Finger.

Weltmuseum Wien, Archiv, Inventarbücher.
Weltmuseum Wien, Archiv, Sammlerakt Josef (Sepp) Finger.

WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr 5204/47, Josef Finger.