Alsberg, Max

Max Alsberg

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16.10.1877 Bonn – 11.9.1933 Samedan, Schweiz

Während der Weimarer Republik betrieb der Strafverteidiger und Rechtsgelehrte Max Alsberg, der seit 1906 in Berlin lebte, zusammen mit Kurt Peschke, Kurt Gollnick und Lothar Welt eine Kanzlei am Nollendorfplatz 1. Nachdem ihm als Juden im Juli 1933 die Zulassung entzogen worden war, floh er in die Schweiz, wo er sich am 11. September 1933 das Leben nahm. Seine Witwe Ellinor (née Sternberg, verwitwete Alsberg, später Böhm, 1888–1965), die vor ihrer Flucht in die Schweiz bis 18. Februar 1934 in Berlin geblieben war, bestellte den Berliner Vermögensverwalter Friedrich Daerneborg zu ihrem Vertreter, der sich um ihre Interessen bei der Auflösung des riesigen Villenhaushaltes in Berlin Grunewald und in Folge bis 1941 um die Abwicklung zahlreicher weiterer Belange kümmern sollte. Daerneborg erstellte ein 74 Seiten umfassendes Verzeichnis über alle Kunst- und Gebrauchsgegenstände sowie die große Bibliothek. Ein Teil der im Keller untergebrachten juristischen Bibliothek war allein mit zwanzig großen Bücherkisten angegeben, wobei dieses Kontingent 1939 nach England gelangen sollte. Während der Großteil von Alsbergs umfangreicher, vorrangig aus hochwertigen Skulpturen, Keramiken, Möbeln, Gemälden und Tapisserien (insgesamt 212 Lots) bestehender Kunstsammlung im Jänner 1934 von dem später ebenso verfolgten Auktionator Paul Graupe versteigert wurde, kamen andere Gegenstände aus dem Haushalt mit Genehmigung der Devisenstelle bei den Berliner Firmen Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus und Auktionshaus Goldschmidt & Co. zur Versteigerung – abzüglich jener Objekte, die Daerneborg zuvor selbst an Verwandte oder Angestellte verschenkt bzw. freihändig verkauft hatte. Auch zwei heute nicht mehr identifizierbare Automobile von Rolls Royce und Goliath waren von ihm verkauft worden. Ellinor Alsberg flüchtete 1939 weiter nach England – ihr Umzugsgut war über die Berliner Spedition Knauer in Basel bzw. bei N.V. Koninklijke Meubeltransport-Maatschappij De Gruijter & Co. in Den Haag eingelagert worden. Im April 1941 wurden diese Güter jedoch von der in den Niederlanden neu eingerichteten NS-Dienststelle "Sammelverwaltung feindlicher Hausgeräte" beschlagnahmt. Gemeinsam mit ihren Kindern Renate und Klaus (später Claude G. Allen, New York) erhielt Ellinor nach 1945 in einem Wiedergutmachungsverfahren Schadenersatzleistungen nach dem deutschen Bundesrückerstattungsgesetz, die sich nicht auf Kunstwerke oder Bücher, sondern lediglich auf die Grundstücke, die Wertpapiere und Sonderabgaben bezogen. 2007 empfahl die Restitutiecommissie der Niederlande die Rückgabe eines wertvollen Teppichs aus dem 18. Jahrhundert, der 1948 im Hamburger Kunsthandel aufgetaucht war. Eine 1961 bei Marlborough London erworbene kunsthistorische Druckschrift in der Bibliothek der Österreichischen Galerie trägt das Exlibris Max Alsbergs, aufgrund fehlender weiterer Angaben empfahl der Kunstrückgabebeirat allerdings keine Rückgabe. Der Verbleib der versteigerten und beschlagnahmten Kunst- und Kulturgüter aus der Sammlung Max Alsbergs ist bis heute nicht geklärt.

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Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Beschluss des Kunstrückgabebeirats, Bibliothek der Österreichischen Galerie Belvedere, 15.5.2014, URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Bibliothek_Oesterreichische_Galerie_Belvedere_2014-05-15.pdf (3.12.2020).

Restitutiecommissie, Recommendation regarding the application for the restitution of an eighteenth-century Savonnerie carpet (NK 1066), 16.4.2007, URL: www.restitutiecommissie.nl/en/recommendations/recommendation_158.html (3.12.2020).

Paul Graupe (Hg.), Kunstbesitz Prof. Max Alsberg †, Berlin – Gemälde und Kunstgewerbe aus einer bekannten süddeutschen Privatsammlung – Verschiedener Berliner Privatbesitz. Versteigerung 131, 29.–30.1.1934, Berlin 1934, URL: doi.org/10.11588/diglit.6198.

Alexander Ignor, Max Alsberg (1877–1933) "Unter den wissenschaftlich arbeitenden strafrechtlichen Praktikern weitaus an erster Stelle", in: Stefan Grundmann/Michael Kloepfer/Christoph G. Paulus (Hg.), Festschrift 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Geschichte, Gegenwart und Zukunft, Berlin 2010, 655–682.

Gerhard Jungfer, Max Alsberg. Verteidigung als ethische Mission, in: Kritische Justiz (Hg.), Streitbare Juristen. Eine andere Tradition, Baden-Baden 1988, 141–151.

Tillmann Krach, Max Alsberg (1877–1933). Der Kritizismus des Verteidigers als schöpferisches Prinzip der Wahrheitsfindung, in: Helmut Heinrichs (Hg.), Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, München 1993, 655–666.

Simone Ladwig-Winters, Rechtsanwaltkammer Berlin (Hg.), Anwalt ohne Recht. Das Schicksal jüdischer Anwälte in Berlin nach 1933, Berlin 2007.

Curt Riess, Der Mann in der schwarzen Robe. Das Leben des Strafverteidigers Max Alsberg, Hamburg 1965.

Jürgen Taschke (Hg.), Max Alsberg (1877–1933) (= Schriftenreihe Deutsche Strafverteidiger e. V. 40), Baden-Baden 2013.

Publikationen der Person / Institution

Max Alsberg, Justizirrtum und Wiederaufnahme, Berlin 1913.
Max Alsberg, Der Prozeß des Sokrates im Lichte moderner Jurisprudenz und Psychologie, Mannheim 1926.
Max Alsberg, Große Prozesse der Weltgeschichte, Berlin 1928.
Max Alsberg, Drama: Voruntersuchung, Berlin 1930.
Max Alsberg, Philosophie der Verteidigung, Mannheim-Berlin-Leipzig 1930.
Max Alsberg (Hg.), Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, Kriminalistische Monatshefte.

Archivalien

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam/Vermögensverwertungsstelle des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg, Aktenmaterial zu Ellinor Alsberg, geb. Sternberg, Rep. 36A II 595, 596; Rep. 36A Nr. D324, W385, S. 2/3, 4/5, Bericht über die Interessenvertretung und Vermögensverwaltung in den Jahren 1934–1941 vom 5.11.1941.

Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, Berlin, Ref. B1.

Deutsches Biographisches Archiv (DBA), II 22,246-255; III 12,76-108; 1032,170.

Jüdisches Biographisches Archiv (JBA), I 90,306-309; II 19,341-369.

LAB, Wiedergutmachungsakten, B Rep. 025 (A - B) - Wiedergutmachungsämter von Berlin [Buchstabengruppe A - B], 1 WGA 644/49, 4 WGA 821/50, 4 WGA 822/50, 4 WGA 823-826, 1 WGA 1090/50, 5 WGA 1182/50, 43 WGA 1835/55.