Haberlandt, Arthur

Arthur Haberlandt

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9.3.1889 Wien – 28.5.1964 Wien

Arthur Haberlandt studierte Anthropologie, Ethnologie und Prähistorik an der Universität Wien, promovierte im Jahr 1911, habilitierte sich 1914 mit einer Arbeit über Die Trinkwasserversorgung primitiver Völker und wurde noch im selben Jahr als Privatdozent für Ethnographie an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien zugelassen. Während des Ersten Weltkrieges nahm er an der sogenannten Balkanexpedition im Jahr 1916 teil und wusste dies für das Museum für österreichische Volkskunde, wo er seit seiner Studienzeit tätig war, und sein eigenes wissenschaftliches Weiterkommen zu nutzen. 1918 erfolgte seine Ernennung zum wissenschaftlichen Assistenten und Kustosadjunkten, 1920 zum Kustos des nunmehrigen Museums für Volkskunde. Im Jahr 1924 übernahm Arthur Haberlandt die Stelle des beamteten Direktors von seinem Vater Michael Haberlandt, der ihm auch die Geschäfte als Generalsekretär des Vereins für Volkskunde übergab. In den 1930er-Jahren, vor allem ab 1933/34, war Arthur Haberlandt in seiner Funktion als Direktor des nationalen volkskundlichen Museums in kulturpolitische Projekte involviert. Die Volkskunde und das Museum für Volkskunde erfuhren in diesen Jahren zunehmende Aufmerksamkeit von Seiten der Politik, da sie dem austrofaschistischen Herrschaftssystem hilfreich bei der Konstruktion einer spezifischen "Österreich-Ideologie" waren.

Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 begrüßte Haberlandt in seiner Funktion als Schriftleiter der Wiener Zeitschrift für Volkskunde euphorisch die "Heimkehr ins Reich" und stellte sich, das Haus und das volkskundliche Publikationsorgan hinter die Ziele des NS-Regimes. Tatsächlich profitierte das Museum von den finanziellen Zuwendungen des NS-Staates insbesondere für Neuerwerbungen. Teile der vom NS-Regime entzogenen Sammlungen aus jüdischem Eigentum gelangten vor allem in den Jahren 1938 und 1939 in dessen Bestände. Dabei half, dass das Volkskundemuseum bzw. Arthur Haberlandt zu einigen der Beraubten ein Naheverhältnis hatte, so zu Anna Mautner, Witwe von Konrad Mautner. In Etappen zwischen Juli 1938 und Februar 1939 gelang es dem Direktor, Gegenstände und Archivalien der Sammlung Mautner in das Museum bringen zu lassen, wobei er eng mit der Zentralstelle für Denkmalschutz zusammenarbeitete. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges konnte Haberlandt sein Tätigkeitsfeld als Museumsexperte und Wissenschafter nach Osteuropa ausdehnen. Im November 1939 war er im Auftrag Kajetan Mühlmanns in Krakau und Warschau, um gemeinsam mit anderen Museumssachverständigen zuvor beschlagnahmte Sammlungen und Objekte aus polnischen Museen zu begutachten, Empfehlungen für eine sachgemäße Lagerung der Objekte aber auch für deren Abtransport in das "Altreich" zu geben. Im November 1941 war Haberlandt erstmals im Auftrag des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg (ERR) in Krakau, wo er geraubte volkskundliche Sammlungen aus Osteuropa katalogisierte. 1943 wurde er zum Obereinsatzführer im ERR befördert. Neben seiner Funktion beim ERR konnte Haberlandt weiterhin als Wissenschafter forschen, veröffentlichen sowie Vorträge halten. So veröffentlichte etwa das Deutsche wissenschaftliche Institut in Belgrad seinen Vortrag zu Deutsche und südosteuropäische Volkskunde, den er im September 1943 in Belgrad gehalten hatte. Gut mit den NS-Stellen vernetzt, erreichte er 1944 eine unbürokratische Überführung von Volkskunst-Objekten aus dem besetzten Griechenland nach Wien, darunter Objekte vom Berg Athos, die noch im selben Jahr inventarisiert wurden.

Nach Kriegsende konnte Arthur Haberlandt, obwohl ehemaliges NSDAP-Mitglied, weiterhin aktiv die Museumspolitik leiten, er korrespondierte mit den Behörden und enthob etwa auf Erlass des Staatsamtes für Volksaufklärung seinen Mitarbeiter Robert Mucnjak des Dienstes, da dieser NSDAP-Mitglied gewesen war. Gegenüber den Behörden strich er sein Bemühen um die Sicherheit der Sammlungen in den letzten Kriegstagen hervor, ersuchte um Umbenennung des Hauses in Österreichisches Museum für Volkskunde und erklärte seine "rückhaltlose Einstellung zur Republik Österreich". Gleichzeitig bemühte er sich um die nunmehr "herrenlose Bibliothek" der NS-Forschungsstelle für Mythenkunde. Die Überführung der "Mythenbibliothek" in das Museum sollte jedoch erst sein Nachfolger Heinrich Jungwirth 1946 bewerkstelligen. Haberlandt wurde am 26. Oktober 1945 als Direktor vom Unterrichtsministerium aus dem Dienst enthoben. Nun ohne wissenschaftliche Ämter, publizierte er bis zu seinem Tod im Jahr 1964. Der Bücherbestand der "Mythenbibliothek" befindet sich, wie im Zuge der systematischen Provenienzforschung festgestellt werden konnte, im Eigentum des Bundes. Durch einen 2019 mit dem Verein für Volkskunde abgeschlossenen Leihvertrag stehen die Bücher weiterhin für die Forschung zur Verfügung. Der Bestand weist problematische Provenienzmerkmale auf, u. a. finden sich in einzelnen Büchern Stempel des ERR. Die problematische Erwerbungsgeschichte der Gegenstände vom Berg Athos wurde erstmals im Zuge der Ausstellung heimat:machen. Das Volkskundemuseum in Wien zwischen Alltag und Politik (2017) erforscht und präsentiert. Die Gegenstände aus der Sammlung Mautner übergab das Volkskundemuseum an die RechtsnachfolgerInnen von Anna Mautner und folgte damit einer Empfehlung des Kunstrückgabebeirats 2016.

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Publikationen zur Person / Institution

Olaf Bockhorn, Von Ritualen, Mythen und Lebenskreisen. Volkskunde im Umfeld der Universität Wien, in: Wolfgang Jacobeit/Hannjost Lixfeld/Olaf Bockhorn (Hg.), Völkische Wissenschaft. Gestalten und Tendenzen der deutschen und österreichischen Volkskunde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Wien 1994, 477–526.

Olaf Bockhorn, "Mit all seinen völkischen Kräften Deutsch". Germanisch-Deutsche Volkskunde in Wien, in: Wolfgang Jacobeit/Hannjost Lixfeld/Olaf Bockhorn (Hg.), Völkische Wissenschaft. Gestalten und Tendenzen der deutschen und österreichischen Volkskunde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Wien 1994, 559–575.

Hermann Hummer/Birgit Johler/Herbert Nikitsch, Die Bibliothek des Österreichischen Museums für Volkskunde. Ein Vorbericht, in: Bruno Bauer/Christina Köstner/Markus Stumpf (Hg.), NS-Provenienzforschung an österreichischen Bibliotheken. Anspruch und Wirklichkeit (= Schriften der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 10), Graz-Feldkirch 2011, 459–478, URL: fedora.phaidra.univie.ac.at/fedora/objects/o:290050/methods/bdef:Content/download (3.12.2020).

Birgit Johler, Das Volkskundemuseum in Wien in Zeiten politischer Umbrüche. Zu den Handlungsweisen einer Institution und zur Funktion ihrer Dinge, Dissertation Universität Wien 2017.

Birgit Johler, Behagen in der Kultur. Museologische Praktiken des Museums für Volkskunde im Wien der 1930er Jahre, in: Reinhard Johler/Christian Marchetti/Bernhard Tschofen/Carmen Weith (Hg.), Kultur_Kultur. Denken, Forschen, Darstellen. 38. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde in Tübingen 21.–24. September 2011, Münster-New York-München-Berlin 2013, 131–141.

Leopold Schmidt, Arthur Haberlandt zum Gedächtnis. Nachruf und Bibliographie, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde XVIII/67 (1964), 217–271.

Publikationen der Person / Institution

Arthur Haberlandt, Bericht über die ethnographischen Arbeiten im Rahmen der historisch-ethnographischen Balkanexpedition, in: Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Wien 59 (1916), 736–742.
Arthur Haberlandt, Heimkehr ins Reich!, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 53 (1938), Tafel I.
Arthur Haberlandt, Jahresbericht des Vereines und Museums für Volkskunde für das Jahr 1938, in: Wiener Zeitschrift für Volkskunde 54 (1939), 36–40.
Arthur Haberlandt, Das Museum für Volkskunde in Wien als Haus des Deutschen Volkstums im Donauosten, in: Kurt Oberdorfer/Bruno Schier/Wilhelm Wostry (Hg.), Wissenschaft im Volkstumskampf. Festschrift für Erich Gierach zu seinem 60. Geburtstage überreicht von Freunden, Schülern und Fachgenossen, Reichenberg 1941, 203–209.

Archivalien

ÖMV, Inventarbuch der "Mythenbibliothek", URL: www.volkskundemuseum.at/publikationen/publikation?publikation_id=1567156155284&. (3.12.2020).

ÖMV, Direktionsakten [1918–1950].
ÖMV, Personalakten [1918–1950].

OeStA/AdR, UWK, BMU, 02/5 Hauptreihe 15, Museum für Volkskunde 1940–1965.
OeStA/AdR, RST II, K. Mühlmann, 200.665/38.