Schmid, Bartholomäus

Bartholomäus Schmid

Mann an mit einer Hakenkreuzfahne verkleidetem Rednerpult
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2.8.1906 Prien am Chiemsee, Bayern – 19.7.1990 Baden bei Wien

Deckname "Wecker" (1933–1938)

Bartholomäus Schmid war nach seiner Lehrzeit in Bayern ab Anfang der 1920er-Jahre in Wels und ab 1927 in Wien als Uhrmacher tätig. In den Folgejahren gelang es ihm, einen kleinen Uhrmacherbetrieb in Wien 7, Neubaugasse 31 zu eröffnen und sich ein umfangreiches Netzwerk im deutschnationalen Umfeld von Turnerbund und NSDAP-Vorfeldorganisationen auf- und während der Jahre des Austrofaschismus weiter auszubauen. Nach dem "Anschluss" 1938 machte Schmid rasch Karriere, so erfolgte noch im März des Jahres seine Berufung zum Adjutanten des Wiener Vizebürgermeisters Hanns Blaschke, außerdem übernahm er die kommissarische Bezirksvorstehung Wien Neubau. In seinem beruflichen Umfeld der Uhren- und Juwelenbranche stieg er spätestens ab Mai 1938 zu einem der Protagonisten im Prozess der "Arisierung" der Branche auf. So war er zentral an der Schaffung der "Arisierungsstelle" sowie der Einkaufs- und Treuhandgenossenschaft (ETG) beteiligt und besetzte in beiden Institutionen zentrale Leitungs- bzw. Aufsichtsfunktionen. Zudem nutzte er die Gunst der Stunde, um auch selbst vom NS-Vermögensentzug zu profitieren: Neben zwei Liegenschaften in Wien "arisierte" er die Uhren- und Juwelenhandlung Ernst Steiner in Wien 7, Mariahilferstraße 62 und erwarb bei der ETG zahlreiche zu Schleuderpreisen angebotene Waren.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges leitete das Wiener Volksgericht zwar Ermittlungen gegen Schmid ein, seine Verurteilung zu zwei Jahren Haft und Vermögensverfall erfolgte 1948 allerdings ausschließlich gemäß der §§ 10 und 11 des Verbotsgesetzes, "Illegalität" und "Qualifizierte Illegalität". Die weiteren Untersuchungen bezüglich des Verdachts der "Missbräuchlichen Bereicherung" nach § 6 des Kriegsverbrechergesetzes schied das Volksgericht zu einem eigenen Verfahren aus, die ermittelnde Staatsanwaltschaft trat jedoch noch im Herbst desselben Jahres von der weiteren Verfolgung zurück. Da Schmid Anfang der 1950er-Jahre die Wiederaufnahme jenes Verfahrens, das mit seiner Verurteilung geendet hatte, erwirken konnte, hob das Wiener Volksgericht am 26. Oktober 1953 das Urteil aus dem Jahr 1948 auf. Die Ermittlungen traten damit in den Stand der Voruntersuchungen zurück, nur um im November 1953 auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 109 der Strafprozessordnung eingestellt zu werden – mit weitreichenden Folgen. Ernst Steiner, der ursprüngliche Eigentümer des von Schmid "arisierten" Betriebes, hatte bereits 1949 einen Rückstellungsantrag gemäß dem Zweiten Rückstellungsgesetz bei der zuständigen Finanzlandesdirektion (FLD) für Wien, Niederösterreich und das Burgenland eingebracht. Im Oktober 1952 stellte die FLD das Unternehmen an Steiner zurück – vorerst. Nur ein Jahr später, im Herbst 1953, erfolgte die Aufhebung von Schmids Volksgerichtsurteil. Da es sich bei dem nunmehr aufgehobenen Vermögensverfall um eine Vorbedingung für den Rückstellungsbescheid gehandelt hatte, kam es jetzt auch zur Wiederaufnahme des Rückstellungsverfahrens. Die FLD verfügte in der Folge die Aufhebung des bereits ausgefertigten Bescheides und lehnte nunmehr den durch Steiner eingebrachten Antrag wegen Nichtzuständigkeit ab. Damit sollte das an Ernst Steiner rückgestellte Unternehmen von diesem an dessen "Ariseur" rückgestellt werden. Der Ausgang eines in der Folge anhängigen Verfahrens Steiner gegen Schmid vor der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ist nicht bekannt, da entsprechende Prozessunterlagen nicht erhalten sind.

Aus wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen kommend, hatte der rasante wirtschaftliche Aufschwung Schmids ab 1938 diesem ermöglicht, in zunehmendem Maße auch privat Kunst- und Wertgegenstände zu erwerben. Die von ihm vermutlich in den Jahren zwischen 1938 und 1944 angekauften Gemälde und Zeichnungen hatte Schmid als "Privatbergung" durch die Städtischen Sammlungen Wien in Sicherheit bringen lassen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und deren Rücktransport in die Räumlichkeiten der Städtischen Sammlungen ließ sie das Wiener Volksgericht im Zuge des gegen Schmid anhängigen Verfahrens beschlagnahmen. Drei der ursprünglich geborgenen Objekte fehlten, sie galten als Kriegsverlust. Nachdem der Vermögensverfall gegen Schmid ausgesprochen worden war, übernahm die Magistratsabteilung 62 1950 die noch in den Beständen des Historischen Museums der Stadt Wien befindlichen Objekte und übergab sie dem Dorotheum zur Versteigerung. Das Gemälde Obststilleben mit Vogel von Georg Seitz behielt das Historische Museum als Kostenersatz für Bergung und Lagerung zurück. 1966 tauchten zwei der als Kriegsverlust geltenden Gemälde aus dem Besitz von Schmid in Depots des Landesmuseums Graz, wohin sie irrtümlicherweise verbracht worden waren, wieder auf. Bei einem der beiden handelte es sich um das Werk von Hubertus van Hove mit dem Titel In der Vorratskammer, das Schmid 1944, nachdem es als Teil der Kunstsammlung Gomperz von der Gestapo beschlagnahmt worden war, von dieser erworben hatte. Da die FLD keinerlei Einwände vorbrachte, wurden beide Gemälde an Schmid übergeben. Das Obststilleben von Seitz befindet sich bis dato im Bestand des heutigen Wien Museums. Im Zuge der in den Beständen des Technischen Museums Wien durchgeführten systematischen Provenienzforschung konnte zudem festgestellt werden, dass Schmid diesem im Oktober 1942 eine "moderne Schreibtischuhr" sowie eine "moderne Küchenuhr" geschenkt hatte, beide Objekte waren jedoch nicht mehr auffindbar.

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Publikationen zur Person / Institution

Gabriele Anderl/Edith Blaschitz/Sabine Loitfellner/Mirjam Triendl/Niko Wahl, "Arisierung" von Mobilien (= Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich 15), Wien-München 2004, URL: hiko.univie.ac.at/PDF/15.pdf (3.12.2020).

Ralf Banken, Edelmetallmangel und Großraubwirtschaft. Die Entwicklung des deutschen Edelmetallsektors im "Dritten Reich" 1933–1945, Berlin 2009.

N. N., Erste großdeutsche Versammlung der Uhrmacher in Wien, Redeprotokoll Bartholomäus Schmid, in: Uhrmacherkunst 64 (10.2.1939) 7, 103–104.

Archivalien

OeStA/AdR, E-uReang, FLD 9443, Dr. Ernst Steiner.
OeStA/AdR, Inneres, BMI, Berufungskommission, Schmid Bartholomäus, BK 5452.
OeStA/AdR, ZNSZ, Gauakt 124.923, Bartholomäus Schmid.

TMW-Archiv, Anlage zur Inv. Nr. 16094 und 16095.

Trauungsbuch St. Ulrich (Wien), tom. 73, fol. 21, URL:  https://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/wien/07-st-ulrich/02-73/?pg=23 (4.7.2022).

Wien Museum, Bergeakten, Bartholomäus Schmid.
Wien Museum, Archiv, MA 10-693/47, Bartholomäus Schmid.

WStLA, Gauakten, A1 - 'Gauakten', Personalakten des Gaues Wien, Zl. 229.253, Bartholomäus Schmid.
WStLA, LG für Strafsachen, A11, Vr-Strafakten, Vr 5752/38, Walter Kienast, Gottfried Duda, Karl Maurer.
WStLA, M.Abt. 119, A42 - NS-Registrierung, Bartholomäus Schmid, geb. 2.8.1906.
WStLA, M.Abt. 119, K7 - NS-Registrierung, Namenskartei Bartholomäus Schmid, geb. 2.8.1906.
WStLA, M.Abt. 202, A5 - Personalakten, 1. Reihe, Bartholomäus Schmid.
WStLA, Volksgericht, A1, Vg 3f Vr 3121/45, Stefan Saghy u. a.
WStLA, Volksgericht, A1, Vg 6 Vr 6936/47, Bartholomäus Schmid.
WStLA, Volksgericht, A1, Vg 6c Vr 5864/46, Bartholomäus Schmid.
WStLA, Volksgericht, A1, Vg 7a Vr 9139/46, Othmar Kober u. a.
WStLA, Volksgericht, A1, Vg 8c Vr 124/53, Stefan Saghy, Karl Krepinsky.
WStLA, Volksgericht, A1, Vg 8e Vr 231/53, Bartholomäus Schmid.