Kitschelt, Lothar Rudolf Moriz

Lothar Kitschelt

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20.5.1910 Wien – 30.10.1944 Hablainville, Frankreich (laut Toterklärung des LG Wien f. ZRS vom 19.9.1947)

Nach einem abgebrochenen Studium der Rechtswissenschaften studierte Lothar Kitschelt, Sohn des Fabriksdirektors August Eduard Kitschelt und dessen Frau Olga Anna Maria Kitschelt, née Freiin von Hartlich-Wallthor, ab dem Wintersemester 1932/33 Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie an den Universitäten Innsbruck und Wien. Bereits 1933 trat er der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 6,239.371) und übernahm bei dieser verschiedene politische Funktionen, auch nach dem Verbot der Partei in Österreich. Das Polizeikommissariat Wien Innere Stadt arretierte ihn im Februar 1934 für 48 Stunden und im Juni/Juli 1935 für 42 Tage, weil er Plakate der Dollfuß-Schuschnigg-Regierung und der Heimwehr beschädigt hatte. Nach einer Verwarnung durch den Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Wien wurde Kitschelt für das Wintersemester 1935/36 von allen österreichischen Hochschulen verwiesen. Er setzte sein Studium in München fort, wo er 1935 dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund und 1936 der SS beitrat. 1938 promovierte er mit der Dissertation Die frühchristliche Basilika als Darstellung des himmlischen Jerusalem im Fach Kunstgeschichte und kehrte im März 1938 nach Wien zurück. Nach kurzer unbezahlter Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft in der Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe des Kunsthistorischen Museums (KHM) und im Archiv des kunsthistorischen Instituts der Universität Wien holte ihn der kommissarische Leiter des KHM Fritz Dworschak im Juli 1938 als wissenschaftlichen Mitarbeiter zur Betreuung der Geistlichen und Weltlichen Schatzkammer ins Museum. Ende August/Anfang September 1938 war er Teil einer neunköpfigen Delegation, die den Transport der Reichskleinodien aus der Schatzkammer in der Wiener Innenstadt nach Nürnberg, in die "Stadt der Reichsparteitage", begleitete. Im Dezember 1939 war Kitschelt mehrere Tage als leitender Beamter und Protokollführer am geheimen Bergungsort Steinbach tätig. Am 23. Dezember 1939 heiratete er die ehemalige Leiterin des Baureferats im KHM, Helene Buchwieser, die er beim Umbau der Schatzkammer kennengelernt hatte. Anfang 1940 wurde er zur Wehrmacht einberufen. Trotz Dworschaks Hinweis auf Kitschelts wichtige Arbeit für die Schatzkammer, u. a. sollte er die Objekte des aufgelösten Deutschen Ordens weiter betreuen, lehnte es die Reichsstatthalterei 1941 ab, den Antrag auf Kitschelts UK-Stellung beim Wehrbezirkskommando zu befürworten. Auch ein mehrwöchiger Arbeitsurlaub wurde ihm verwehrt. Ab 1. November 1944 galt Kitschelt, der in Frankreich, südöstlich von Nancy im Kriegseinsatz gewesen war, als vermisst. Am 6. Juni 1945 erfolgte seine Entlassung aus dem KHM aufgrund seiner "illegalen" Tätigkeit für die NSDAP gemäß Verbotsgesetz § 14. Am 19. September 1947 erklärte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien Lothar Kitschelt rückwirkend mit 30. Oktober 1944 für tot. Dessen ungeachtet erschien noch am 11. September 1948 eine Suchmeldung über den Vermissten Kitschelt in der Zeitung Welt am Abend.

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Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

N. N., Kitschelt, Lothar (1910-1944), Kunsthistoriker, in: Österreichisches Biographisches Lexikon ab 1815 3, Lfg. 14, 1964, 358, URL: doi.org/10.1553/0x002828c8.

N. N., Kannst Du Auskunft geben? über die Vermißten, in: Welt am Abend, 11.9.1948, 2, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=waa&datum=19480911&seite=2 (3.12.2020).

Publikationen der Person / Institution

Lothar Kitschelt, Die frühchristliche Basilika als Darstellung des himmlischen Jerusalem, Dissertation Universität München 1938.

Archivalien

KHM-Archiv, III 824, PA Lothar Kitschelt; Direktionsakten: 242/KL/1938, 9-7/KL/1941.

OeStA/AdR, UWK, BMU, Personalakten, K. 08/104, Lothar Kitschelt.

UAW, Nationale (Inskriptionsformulare) der Philosophischen Fakultät, Wintersemester 1933/34 bis Sommersemester 1935; Disziplinarakt, Senat S 185.739.

Wien Innere Stadt, Lutherische Stadtkirche, Taufbuch 1910, S. 59, Nr. 100, URL: data.matricula-online.eu/de/oesterreich/wien-evang-dioezese-AB/wien-innere-stadt-lutherische-stadtkirche/TFB67/?pg=62 (3.12.2020).

WStLA, Historische Wiener Meldeunterlagen, Meldeauskunft Lothar Kitschelt.
WStLA, Gauakten, A1, Personalakten des Gaues Wien, Lothar Kitschelt.