Irtl, Adolf

Adolf Irtl

Info
Zusatzinformationen

31.1.1867 Hermannstadt / Sibiu – 27.5.1947 Wien

Adolf Irtl studierte Medizin und eröffnete nach seiner Promotion zum Doktor der Medizin und der Chirurgie im Jahr 1892 eine Arztpraxis in Wien 9, Alser Straße 16. 1904 heiratete er Alice, née Pellar, eine ehemalige Solistin des Hofoperntheaters in Wien. 1905 erfolgte seine Ernennung zum Hoftheaterarzt des k. k. Hofburgtheaters (ab 1918 Burgtheater), wo er bereits seit 1901 gearbeitet hatte und bis 1937 tätig sein sollte. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, an dem er als Militärarzt teilnahm, bekleidete er zudem die Position eines Hofarztes der späteren Kaiserin Zita von Bourbon-Parma und wurde 1919 in den Personalstand des Staatsamtes für soziale Verwaltung (ab 1920 Bundesministerium für soziale Verwaltung) aufgenommen, aus dem er bereits 1923 als Regierungsrat wieder ausschied. Irtl war in der Zwischenkriegszeit in zahlreichen Standes- und Interessensorganisationen der Ärzteschaft in verschiedenen Positionen aktiv, so etwa bei der Wiener Ärztekammer und bei der Gesellschaft der Ärzte in Wien (GdÄW). Bei der GdÄW war er seit 1906 Mitglied und übte dort ab 1923 das Amt des Vermögensverwalters sowie eines Verwaltungsrates bis zum "Anschluss" im März 1938 aus. Zudem engagierte er sich in dem seit dem Jahr 1904 bestehenden antisemitisch ausgerichteten Verein deutscher Ärzte sowie im 1908 von den "Alldeutschen" gegründeten antisemitischen und deutschnationalen Deutschen Klub. In der politischen Beurteilung für das Gaupersonalamt der NSDAP hieß es im April 1940 über Irtl rückblickend: "Schon im Jahr 1919 wandte er sich dem nationalen Gedanken zu und trug offene antisemitische Gesinnung zur Schau". Seit 1. März 1938 war Irtl Parteianwärter, bewarb sich nach dem "Anschluss" um die Aufnahme in die NSDAP-Ortsgruppe Wien-Stadtpark und trat dem NS-Ärztebund bei. Nachdem der Medizinhistoriker Isidor Fischer im März 1938 aufgrund seiner jüdischen Herkunft vertrieben worden war, übernahm Irtl dessen Funktion als Bibliothekar und Leiter der Bibliothek der GdÄW. In den folgenden Monaten kontaktierte Irtl schriftlich die aus rassistischen Gründen vom NS-Regime vertriebenen Ärzte und ehemaligen Mitglieder der GdÄW an deren Fluchtdomizilen, um ihre offenen Mitgliedsbeiträge einzutreiben. Noch im März 1938 erfolgte durch den Gauobmann des NS-Ärztebundes (Gau Wien) seine Ernennung zum Vermögensverwalter und durch den Stillhaltekommissar seine Bestellung zum kommissarischen Leiter der GdÄW. Bis Oktober 1938 versuchte Irtl den Bestand der Bibliothek der GdÄW und die Weiterführung der GdÄW beim Dekanat der Medizinischen Fakultät, beim Beauftragten des Reichsärzteführers (Rudolf Ramm), bei der Gauamtsleitung für Volksgesundheit sowie beim Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten zu sichern, wofür er die Neugründung der Gesellschaft nach nationalsozialistischen Grundsätzen vorzubereiten versuchte. Mit 17. Mai 1938 wurde die GdÄW in das Wiener medizinische Doctoren-Kollegium integriert, am 16. Dezember 1938 der Reichsärztekammer München unterstellt und die Liegenschaft der GdÄW dieser einverleibt. Ab Februar 1939 bestand als Nachfolgeorganisation der GdÄW und der anderen aufgelösten medizinischen Ärztevereine nur mehr die neu gegründete Wiener medizinische Gesellschaft, der die Wiener medizinische Bibliothek – Billrothhaus angeschlossen und vom nunmehrigen Vorstand Irtl bis April 1945 weitergeführt wurde. In den Jahren 1941 bis 1943 publizierte Irtl in der Wiener medizinischen Wochenschrift jährlich die Jahresberichte über die Wiener Medizinische Bibliothek Billrothaus. In diesen dokumentierte er die durch Ankauf, Schenkungen oder Dubletten-Tauschaktionen erfolgte Bestandserweiterung der Bibliothek, darunter die 1940 bis 1942 resultierten Zuwächse durch Bücherschenkungen des Presseleiters der Pressestelle der Gestapo Wien, Alfons Rosse. Irtl wurde nach der Befreiung Österreichs wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP von seinen Funktionen in der GdÄW enthoben und verstarb am 27. Mai 1947 in Wien.

Author Info
AutorIn
Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Peter Malina, Die Gestapo als Bücherlieferant. Vorläufige Ergebnisse der Provenienzforschung an der Universität Wien, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Buchforschung (2006) 2, 30–41, URL: www.buchforschung.at/pdf/MB2006-2.pdf (3.12.2020).

N. N., Handbuch des allerhöchsten Hofes und des Hofstaates seiner k. u. k. Apostolischen Majestät für 1918, Wien 1918 (= Österreichisch-kaiserlicher Hofkalender).

N. N., Veränderungen im Status der Aerzte in Wien im Monate Februar 1892. Neumeldungen, in: Wiener Medizinische Wochenschrift (1892) 10, 407, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=wmw&datum=1892&page=212 (3.12.2020).

N. N., Die österreichische Gesellschaft vom rothen Kreuze, in: Pharmaceutische Post 30 (30.5.1897) 22, 276, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=php&datum=18970530&seite=10 (3.12.2020).

N. N., Die Wahlen in die Wiener Ärztekammer, in: Wiener Medizinische Wochenschrift (1911) 38, 2502, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=wmw&datum=1911&page=1271 (3.12.2020).

N. N., Wiener medizinisches Doktoren-Kollegium, in: Internationale klinische Rundschau, 24/26 (1919) 24/26, 143, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=klr&datum=1919&page=147 (3.12.2020).

N. N., Wirtschaftsverband der Angehörigen freier akademischer Berufe in Wien, in: Pharmaceutische Post 53 (5.5.1920) 18, 153, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=php&datum=19200505&seite=5 (3.12.2020).

N. N., Zentralhilfskomitee der Ärzte Österreichs, in: Wiener Medizinische Wochenschrift (1920) 10, 483–484, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=wmw&datum=1920&page=225 (3.12.2020).

N. N., Berichte aus den wissenschaftlichen Vereinen, in: Wiener Medizinische Wochenschrift (1923) 43, 1914, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=wmw&datum=1923&page=908 (3.12.2020).

N. N., Amtlicher Teil, in: Wiener Zeitung, 19.2.1923, 1, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=19230219&seite=1 (3.12.2020).

N. N., Die Wahlen in die Wiener Ärztekammer, in: Wiener Medizinische Wochenschrift (1928) 1, 41, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=wmw&datum=1928&page=60 (3.12.2020).

Friedrich Ribar, Die Geschichte der Bibliothek der Gesellschaft der Ärzte in Wien 1837–1987, Wien 1990.

Karl Hermann Spitzy (Hg.), Gesellschaft der Ärzte in Wien 1837–1987, Wien 1987.

Franz Weisz, Die geheime Staatspolizei Staatspolizeileitstelle Wien 1938–1945. Organisation, Arbeitsweise und personale Belange, Dissertation Universität Wien 1991.

Publikationen der Person / Institution

Adolf Irtl, Jahresbericht über die Wiener Medizinische Bibliothek "Billrothaus" 1939, in: Wiener Medizinische Wochenschrift (1940) 24, 451–452, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=wmw&datum=1940&page=485 (3.12.2020).
Adolf Irtl, Jahresbericht über die Wiener Medizinische Bibliothek "Billrothaus" 1941, in: Wiener Medizinische Wochenschrift (1942) 26, 481–482, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=wmw&datum=1942&page=627 (3.12.2020).
Adolf Irtl, Jahresbericht über die Wiener Medizinische Bibliothek "Billrothaus" 1942, in: Wiener Medizinische Wochenschrift (1943) 26/27, 403, URL: anno.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?aid=wmw&datum=1943&page=519 (3.12.2020).

Archivalien

Archiv der GdÄW, Diverse Mappen.

OeStA/AdR, ZNsZ, Gauakt, 23.306, Adolf Irtl.
OeStA/AdR, ZNsZ, Gauakt, Erwin Risak.
OeStA/AdR, ZNsZ, Stiko Wien, 9 AW/2/ Mappe 1, Gesellschaft der Ärzte.

UAW, Med.Fak. Dekanat, 1.259/1937–1938.
UAW, Rektorat, Akten-Sonderreihe des Akademischen Senats, Personalblätter, Senat S 304.1053, Erwin Risak.