Suschitzky, Brüder – Anzengruber Verlag (Wien-Leipzig), Buchhandlung-Antiquariat-Leihbibliothek

Brüder Suschitzky – Anzengruber Verlag (Wien-Leipzig), Buchhandlung-Antiquariat-Leihbibliothek

Info

Das Unternehmen Brüder Suschitzky – Anzengruber Verlag (Wien-Leipzig), Buchhandlung-Antiquariat-Leihbibliothek wurde von dem gelernten Buchhändler Philipp Suschitzky (geb. 14. Dezember 1875) gemeinsam mit seinem Bruder Wilhelm (geb. 22. Dezember 1877) 1901 in Wien 10, Favoritenstraße 57, ursprünglich als Sortiments- und Antiquariatsbuchhandlung (mit angeschlossener Leihbibliothek) gegründet und 1911 durch den Anzengruber-Verlag Brüder Suschitzky erweitert. Mit beiden Unternehmungen verbanden Phillip und Wilhelm Suschitzky ihr Engagement im Umfeld der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs (SDAPÖ). In ihrem Verlagsprogramm wurden u. a. pazifistisch-sozialistische Schriften, Bücher zur Frauenfrage, zum Freidenkertum oder zur Sozial- und Sexualreform veröffentlicht. Bereits Ende der 1920er-Jahre kamen die Buchhandlung und deren Eigentümer aufgrund ihres Verlags- und Sortimentsprogrammes in Konflikt mit politischen Gegnern und waren ab 1933/34 außerdem zunehmend polizeilichen Repressalien (Hausdurchsuchungen, Buchkonfiskationen und Gerichtsverfahren) ausgesetzt. Nach dem Suizid Wilhelm Suschitzkys am 18. April 1934 trat dessen Witwe Adele (née Bauer, geb. 1878) mit einem Anteil von 50 Prozent in die Firma ein.

Die Buchhandlung wurde nach dem "Anschluss" aufgrund der jüdischen Herkunft ihrer InhaberInnen unter kommissarische Verwaltung gestellt. Da eine "Arisierung" des Unternehmens, im NS-Jargon als "jüdisch-marxistisch-pornografischer Betrieb" klassifiziert, durch die Zwangsgilde der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler in der Reichsschrifttumskammer (RSK Landesstelle Österreich) abgewiesen worden war, kam es zur Schließung der Buchhandlung und des Verlages. Am 21. Oktober 1938 stellte der Masseverwalter Herbert Schreiner den Konkursantrag und die Geschäftsräume wurden gesperrt. Das Bücherwarenlager wurde Anfang März 1939 in die Auktionshallen des Handelsgerichtes Wien überführt. Der Verkauf wurde erst am 17. März 1941 endgültig abgeschlossen und die Firma am 9. Dezember 1941 von Amts wegen gelöscht. Mit dem Abverkauf des Warenlagers durch das Handelsgericht Wien kamen die Bücher in den Antiquariatshandel. Eines davon kaufte das Institut für Geschichte der Medizin im Februar/März 1943 vom Wiener Antiquariat Karl Stark. Zu diesem Zeitpunkt war Philipp Suschitzky, der bereits im März 1938 nach Bouafle, Frankreich, geflohen war, nicht mehr am Leben. Er und seine Frau Olga (née Hirschler, geb. 12. Juni 1862) waren am 11. September 1942 von Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden. Adele Suschitzky war 1938 die Flucht nach London gelungen, wo sie 24. Mai 1980 verstarb.

Die Identifizierung des Buches aus der Provenienz Suschitzky erfolgte durch den im Buch sichtbaren Stempelvermerk "Buchhandlung Brüder Suschitzky". Im Mai 2014 erfolgte die Restitution durch die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien an die RechtsnachfolgerInnen nach Phillip und Adele Suschitzky.

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Publikationen zur Person / Institution

Bruno Bauer/Walter Mentzel, NS-Provenienzforschung an der Medizinischen Universität Wien 2013 und 2014. Restitution von Büchern aus dem Antiquariat Hans Peter Kraus sowie der Verlagsbuchhandlung Anzengruber-Verlag, Brüder Suschitzky, in: VÖB (= Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare) 68 (2015) 2, 320–334, URL: fedora.phaidra.univie.ac.at/fedora/objects/o:406866/methods/bdef:Content/download (3.12.2020).

Murray G. Hall, Österreichische Verlagsgeschichte 1918–1938. Belletristische Verlage der Ersten Republik 2, Wien 1984.

Annette Lechner, Die Wiener Verlagsbuchhandlung "Anzengruber-Verlag, Brüder Suschitzky" (1901–1938) im Spiegel der Zeit, Diplomarbeit Universität Wien 1994.

Archivalien

Archiv der Wirtschaftskammer Österreich, Gewerbeakt, Wilhelm und Philipp Suschitzky.

OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, Handel, Zl. 2195/6, Firma Brüder Suschitzky.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, Handel, Zl. 207067, Ansuchen um Veräußerung Firma Brüder Suschitzky.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, Handel, Zl. 2388, Philipp Suschitzky.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 3865, Adele Suschitzky.
OeStA/AdR, E-uReang,VVSt, VA 3866, Philipp Suschitzky.

WStLA, M.Abt. 119, A41, VEAV, 10. Bez., Zl. 139, Adele Suschitzky.