Grünbaum, Elisabeth

Elisabeth (Lilly) Grünbaum

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28.4.1898 – 5.10.1942 deportiert nach Minsk, vermutlich ermordet 9.10.1942 Maly Trostinec

née Elisabeth Herzl

Elisabeth Grünbaum, die das jüngste von insgesamt acht Kindern war, entstammte einer gutbürgerlichen jüdischen Wiener Familie und wuchs in der Praterstraße im 2. Wiener Gemeindebezirk auf. Ihr Vater Bernhard Herzl war Goldschmied, in dessen Geschäft in der Wiener Innenstadt Ecke Sterngasse 3 / Rabengasse 2 auch ihr Bruder Maximilian Herzl (1878–1946), der sich alsbald in Antwerpen niederlassen sollte, und ihr Schwager Sigmund Lukacs (1877–1971), Ehemann ihrer Schwester Mathilde, involviert waren. Eine weitere Schwester, Anna (1882–1948), war mit dem Pretiosenhändler Berthold Reis (1878–1953) verheiratet. 1919 heiratete Elisabeth, genannt Lilly, den um 18 Jahre älteren Schauspieler und Kabarettisten Fritz Grünbaum. Das Ehepaar wohnte seit 1926 in der Rechten Wienzeile 29/III/11. Als im September 1928 der Ehemann von Lilly Grünbaums Schwester Ida (1881–1935), Adolf Koppel (1865–1928), verstarb, lebte Ida zeitweise bei ihnen. Im Grab des Ehepaars Koppel sollte Fritz Grünbaums Urne aus Dachau wenige Jahre später bestattet werden.

Als Fritz Grünbaum im Mai 1938 verhaftet und in der Folge ins Konzentrationslager Dachau eingewiesen wurde, ließ seine Frau die gemeinsame Aufenthaltsbewilligung für Belgien, die ihnen Max Herzl organisiert hatte, verfallen. An den Veränderungsanzeigen in beider Vermögensanmeldungen, die Lilly für sich und ihren Mann ausfüllen musste, lässt sich ablesen, wie sich ihre Vermögen im Laufe weniger Monate rapide verringerten. Die Spediteurskosten, deren Begleichung sie im Juni 1939 bekanntgab, könnten darauf hindeuten, dass sie die Kunstsammlung ihres Mannes, die sie zuvor bei der Spedition Schenker einlagern hatte lassen, von dort ausgelöst hat. Die Frage, was in der Folge mit der Sammlung geschehen ist bzw. wie sie die Folgejahre zumindest in Teilen bis zu ihrem Verkauf nach Kriegsende durch Lillys Schwester Mathilde Lukacs überdauern konnte, ist bis heute ungelöst. Elisabeth Grünbaum bemühte sich derweil nach Kräften, ihren Mann aus dem Konzentrationslager freizubekommen. Die Quotennummer für die Ausreise in die USA ließ sie abermals verfallen, weil sie das Land nicht ohne ihn verlassen wollte. Bereits am 31. Oktober 1938 war sie aus der gemeinsamen Wohnung in der Rechten Wienzeile ausgezogen und zu ihrer Freundin Elsa Klauber in die Hofzeile 27 in Wien 19 übersiedelt. Nach dem Tod von Elsas Ehemann Paul Klauber zogen die beiden Frauen am 15. April 1939 in das Wohnhaus in der Kaasgrabengasse 15, ebenfalls im 19. Bezirk. Unmittelbar nach Fritz Grünbaums Tod in Dachau im Januar 1941 versuchten Lilly Grünbaum und Elsa Klauber, nachdem Elsas frühere Fluchtversuche fehlgeschlagen waren, ein letztes Mal zu fliehen, und zwar nach Shanghai. Doch die Ausreise gelang den beiden Freundinnen nicht mehr. Am 26. November 1941 mussten sie in eine "Sammelwohnung" in Wien 1, Werdertorgasse 5/2/4a, am 8. August 1942 in eine weitere in der Marc-Aurel-Straße 5/7 übersiedeln. Von dort aus wurden sie am 5. Oktober 1942 nach Minsk deportiert und wohl wenige Tage später bei Maly Trostinec ermordet. Kurz zuvor hatte Elsa Klauber ihrer Tochter Annemarie, die mit einem Kindertransport nach England entkommen war, einen Abschiedsbrief geschrieben, in dem sie auch erwähnte, mit Lilly zusammen zu sein. Den Brief übersandte eine Freundin der beiden Frauen, Margarethe Hassel, der Adressatin nach dem Krieg, als sie sicher war, dass Elsa und Lilly nicht mehr zurückkommen würden.

Obwohl Mathilde Lukacs zeitlebens auf der Suche nach dem Verbleib ihrer Schwester sein sollte, stellte sie im Juni 1954 den Antrag auf Todeserklärung Elisabeth Grünbaums, um – so ihre Begründung – im Verlassenschaftsverfahren nach Fritz Grünbaum ihr Erbrecht nachweisen zu können. Diesen Antrag zog sie ohne Angabe von Gründen jedoch kurz darauf wieder zurück. Zwei Jahre zuvor hatte sie Kontakt zur Berner Galerie Kornfeld aufgenommen und in der Folge Teile der Kunstsammlung ihres Schwagers verkauft. Die Todeserklärung Elisabeth Grünbaums erfolgte letztlich 1962 auf Antrag des im Nationalsozialismus ebenfalls verfolgten Kunsthändlers Emil Rosner. Eine von ihm behauptete Verwandtschaft zu Fritz Grünbaum kann jedoch nicht bestätigt werden.

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Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Sophie Lillie, Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens (= Bibliothek des Raubes 8), Wien 2003.

Archivalien

Archiv der IKG Wien, Bestand Wien, A/VIE/IKG/II/KAR/FIN/AUS/Devisenstelle, Konto-D-Karteikarten Elsa Klauber (gem. mit Elisabeth Grünbaum).

BDA-Ausfuhr, Zl. 5501/1938, Elisabeth Grünbaum.

Belgisches Innenministerium, Service des étrangers, Akt Friedrich und Elisabeth Herzl, Nr. A 292.121.

DÖW, UNRRA Tracing Bureau for Austria, Master List of missing and deported Persons, Ref. Nr. 2324 C.

International Committee of the Red Cross, Tracing Agency Archives, Karteikarte zu Gruenbaum, Elisabeth, née Herzl, DACC 36.055.

ITS Digital Archives, Bad Arolsen, Gestapo Transportlisten, Deportationsziel Minsk, Abgangsliste des 44. Transportes, Nr. 412, Grünbaum Elisabeth.

ITS Digital Archives, Bad Arolsen, T/D – 245.854-857.

OeStA/AdR, E-uReang, FLD, Zl. XLIV/412, Elisabeth Grünbaum.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 34.662, Elisabeth Grünbaum.

Sécurité Sociale, Service des Victimes de la Guerre, Service Archives et Documentation, Brüssel, Personal File Elisabeth Grünbaum.

WStLA, LG für Zivilrechtssachen Wien, 48T 892/54, Elisabeth Grünbaum.
WStLA, LG für Zivilrechtssachen Wien, 48T 626/62, Elisabeth Grünbaum.