Günther, Karl

Karl Günther

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12.2.1904 Wien – Todesdatum und -ort unbekannt

Karl Günther, Sohn eines Wiener Buchdruckers, trat nach Absolvierung seiner Buchhändlerlehre 1922 als Mitarbeiter in die Firma von Alois Reichmann ein. Schon in den 1920er-Jahren bewegte er sich in völkisch-nationalen Kreisen, war Mitglied im Deutschen und Österreichischen Alpenverein (DÖAV), seit 1927 im Österreichischen Alpenklub sowie im Sudetendeutschen Heimatbund. Seit September 1934 gehörte er der illegalen NSDAP an, war als Anwerber aktiv, bewahrte Schriftstücke sowie ein Waffenlager für die illegale NSDAP bei sich auf und trat 1934 der SA bei. Im August 1937 übernahm er im Auftrag der illegalen Kulturgauleitung der NSDAP das Kulturreferat des 4. Wiener Gemeindebezirkes. Nach dem "Anschluss" erhielt er nachträglich die niedrige NSDAP Mitgliedsnummer 6,241.944 zugeteilt und nutzte seine in der Illegalität aufgebauten Beziehungen als Sprungbrett für weitere Karriereschritte. So wirkte er in der Folge als Wirtschaftsreferent der Ortsgruppe der NSDAP "Alte Wieden", ab September 1938 als Kulturreferent der NSDAP im Kreis III und stieg zum Truppführer der SA Standarte 10/4 auf. Am 15. April 1938 übernahm er die kommissarische Verwaltung der Buchhandlung von Felix Reichmann und verschob in dieser Funktion Bücherbestände aus deren Warenlager an Organisationen der NSDAP. Nachdem das "Arisierungsgesuch" des Buchhändlers Johannes Katzler jenem von Günther vorgezogen worden war und dieser den Betrieb "arisierte", schied Günther aus der Firma aus. Seit Sommer 1938 als Fachreferent für die Gruppe Antiquariat in der Reichsschrifttumskammer Wien tätig, erlangte er mithilfe der Empfehlungsschreiben von selbiger sowie von den zuständigen Referenten der SD und SS im Dezember 1938 von der Vermögensverkehrsstelle die Genehmigung zur "Arisierung" der Buchhandlung Zentralantiquariat Moritz Stern in Wien 6, Mariahilferstraße 1. Als er 1940 zum Kriegsdienst einrückte, führte seine Ehefrau die Firma bis April 1945 fort. Nach der Rückkehr aus dem Krieg zog sich Günther nach Donnersbachwald im Bezirk Liezen in der Steiermark zurück.

Den ersten Anstoß zur strafrechtlichen Verfolgung gab eine im April 1946 von Heinrich Weißhappel von der Korporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler verfasste Sachverhaltsdarstellung an den Magistrat der Stadt Wien. Nachdem Günther im September 1946 in Donnersbachwald verhaftet und in das Landesgericht Wien eingeliefert worden war, kam es im April 1947 zum Prozess beim Wiener Volksgericht, bei dem ihn die Anklage des Registrierungsbetruges gemäß § 8 Verbotsgesetz (VG), des Hochverrates nach §§ 10 und 11 VG, der missbräuchlichen Bereicherung nach § 6 des Kriegsverbrechergesetzes (KVG), sowie der Denunziation gemäß § 7 KVG beschuldigte. Das Volksgericht verurteilte Günther im Juni 1947 nach § 11 (10) VG und § 7 KVG zu dreieinhalb Jahren Haft sowie zum Verfall seines gesamten Vermögens. Vom Anklagepunkt der missbräuchlichen Bereicherung durch die "Arisierung" des Antiquariats Moritz Stern wurde er hingegen freigesprochen. Bereits im Jänner 1949 erfolgte seine vorzeitige Haftentlassung. Nachdem im Mai 1957 aufgrund des Amnestiegesetzes seine Verurteilung getilgt worden war, bemühte er sich erfolglos um die Rückstellung seines verfallenen Vermögens.

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Publikationen zur Person / Institution

Katja Bertz, "Arisierung" im österreichischen Buchhandel. Auf den Spuren der Buchhandlungen Richard Lányi, Alois Reichmann, Josef Kende, Moritz Perles, M. Breitenstein, Heinrich Saar und Dr. Carl Wilhelm Stern, Diplomarbeit Universität Wien 2009.

Sigrid Buchhas, Der österreichische Buchhandel im Nationalsozialismus. Ein Beitrag zur Geschichte des Buchhandels unter besonderer Berücksichtigung Wiens, Diplomarbeit Universität Wien 1993.

Archivalien

Archiv der Wirtschaftskammer Österreich, Gewerbeakt, Central-Antiquariat und Buchhandlung Stern-Verlag.

OeStA/AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Sammelstellen A und B, SSt 6238, Gisela Stern (Getreidemarkt 17).
OeStA/AdR, E-uReang, Hilfsfonds, Sammelstellen A und B SSt 20001, Gisela Stern (Antiquariatsbuchhandlung Mariahilfer Straße 1).
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, Handel, 2.387, Gisela Stern.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, Stat. 1.890, Alois Reichmann.
OeStA/AdR, E-uReang, VVSt, VA 34.462, Gisela Stern.
OeStA/AdR, ZNsZ, Gauakt 96.585, Karl Günther.

WStLA, Handelsgericht, A47, Registerakten, 5742.
WStLA, LG für Zivilrechtssachen Wien, RK 225/1961, Gisela Stern.
WStLA, M.Abt. 119, A41, 418, Bezirk: 6, Gisela Stern.
WStLA, M.Abt. 119, A41, 110, Bezirk: 12, Gisela Stern.
WStLA, Volksgericht, A1, Vg 1e Vr 7370/46, Karl Günther.