Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen

Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen

Grundrissplan mit farbig markierten Räumen
Info
Zusatzinformationen

Wien 1, Hofburg, Neue Burg, 1. Stock

Das Zentraldepot wurde im Herbst 1938 eingerichtet, um Objekte aus beschlagnahmten Wiener Kunstsammlungen, deren EigentümerInnen als Juden und Jüdinnen verfolgt wurden, an einem zentralen Ort zu verwahren. Initiator des Depots war der kommissarische Leiter des Kunsthistorischen Museums (KHM) in Wien Fritz Dworschak, dessen Bemühungen darauf abzielten, die bis dahin an verschiedenen Stellen gelagerten künstlerischen und kulturellen Werte unter seinem Dach zusammenzuführen. Walter Stahlecker, Leiter der Wiener Sicherheitspolizei, entsprach schließlich dem wiederholten Wunsch Dworschaks, und die Einrichtung des Zentraldepots erfolgte auf Kosten des Kunsthistorischen Museums im ersten Stockwerk der Neuen Burg. In den Räumlichkeiten des Zentraldepots wurden Kunstobjekte der SammlerInnen Emmi Aldor, Bernhard Altmann, Alois Bauer, Oscar Bondy, Leo Fürst, David Goldmann, Rudolf Gutmann, Felix Haas, Felix Kornfeld, Moritz Kuffner, Wally Kulka, Otto Pick, N. Pilzer, Valentin Viktor Rosenfeld, Alphonse Rothschild, Louis Rothschild, Alfons Thorsch sowie Objekte unbekannter Herkunft verwahrt, teils in den Räumen aufgestellt, teils in Kisten verpackt. Unter der Leitung von Leopold Ruprecht, dem Direktor der Waffensammlung des Kunsthistorischen Museums, und mit Unterstützung weiterer staatlicher Museen (Heinrich Leporini / Albertina, Ignaz Schlosser / Staatliches Kunstgewerbemuseum in Wien) wurde der Bestand katalogisiert sowie zu einem wesentlichen Teil fotografisch dokumentiert. Ein vorläufiges Inventar vom Sommer 1939 umfasste – ohne Medaillen und Münzen – etwa 8.000 Objekte. Die Verfügungsgewalt über die gelagerten Kunstgegenstände lag auf Basis des sogenannten Führervorbehaltes bei Adolf Hitler. Dessen Sonderbeauftragter zum Aufbau des Kunstmuseums Linz, Hans Posse, traf seine Auswahl aus dem Bestand des Depots für das geplante Museum. Darauf folgte die Verteilung der noch zur Verfügung stehenden Kunstobjekte an interessierte Museen, die sich mit umfangreichen Listen um Zuweisungen bemühten. Friedrich Plattner, Staatskommissar für Erziehung, Kultus und Volksbildung und Leiter der Abteilung III des Amtes des Reichsstatthalters war bereits im September 1939 von Gauleiter Josef Bürckel unter anderem mit der treuhändigen Verwaltung der beschlagnahmten Kunstgüter beauftragt worden. Dieser entzog dem Kunsthistorischen Museum die Verwaltung des Zentraldepots und übergab diese Aufgabe im Juli 1940 mit Ermächtigung der Reichskanzlei dem kommissarischen Leiter der kunstgeschichtlichen Abteilung des Instituts für Denkmalpflege Herbert Seiberl. Zugleich führte die Übergabe des Zentraldepots zur Entmachtung von Dworschak, der bestrebt war, Einfluss auf die Verteilung der Bestände zugunsten seines Hauses zu nehmen. Bereits mit Kriegsbeginn waren die ersten Bestände aus dem Zentraldepot geborgen worden, 1941 begann die sukzessive Auflösung des Depots und die Objekte wurden an andere Orte wie z. B. in das Reichskunstdepot – das aufgehobene Stift – Kremsmünster verbracht. Bei einer Begehung der Räume in der Neuen Burg im Mai 1945 wurden Restbestände des Zentraldepots vorgefunden. Viele, jedoch bei weitem nicht alle, der beschlagnahmten Objekte wurden nach dem Krieg an die EigentümerInnen bzw. deren ErbInnen zurückgestellt. Der Verbleib mancher Stücke, vor allem von Einrichtungsgegenständen, war unklar. Im Gegenzug für die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung für die restliche Sammlung forderten österreichische Bundesmuseen in der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre ausgewählte Kunstgegenstände als Widmungen für ihre eigenen Bestände an. Diese wurden erst infolge des Kunstrückgabegesetzes von 1998 restituiert. Die heute in den Archiven des Bundesdenkmalamts und des Kunsthistorischen Museums verwahrten Zentraldepotkarteien sowie ein im KHM-Archiv überlieferter annotierter Beschlagnahmekatalog bilden daher wichtige Quellen, um die Wege der Objekte systematisch weiter zu verfolgen. Sie wurden vom KHM und der Kommission für Provenienzforschung in Form einer Online-Edition im Dezember 2017 erstmals publiziert.

Author Info
AutorIn
Veröffentlichungsdatum
Publikationen zur Person / Institution

Online-Edition der Karteien zum sogenannten Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen in Wien: www.zdk-online.org.

Theodor Brückler (Hg.), Kunstraub, Kunstbergung und Restitution in Österreich 1938 bis heute, Wien-Köln-Weimar 1999.

Digitalisierung und Online-Publikation der Zentraldepotkartei(en), in: Kunsthistorisches Museum Wien, URL: www.khm.at/erfahren/forschung/forschungsprojekte/historische-projekte/digitalisierung-und-online-publikation-der-zentraldepotkarteien/ (3.12.2020).

Herbert Haupt, Jahre der Gefährdung. Das Kunsthistorische Museum 1938–1945, Wien 1995.
Herbert Haupt, Die Rolle des Kunsthistorischen Museums bei der Beschlagnahme, Bergung und Rückführung von Kunstgut in den Jahren 1938–1945, in: Theodor Brückler (Hg.) Kunstraub, Kunstbergung und Restitution in Österreich 1938 bis heute, Wien-Köln-Weimar 1999, 53–75.

Herbert Haupt/Franz Pichorner, Zehn Jahre Provenienzforschung im Kunsthistorischen Museum, in: Gabriele Anderl/Christoph Bazil/Eva Blimlinger/Oliver Kühschelm/Monika Mayer/Anita Stelzl-Gallian/Leonhard Weidinger (Hg.), ... wesentlich mehr Fälle als angenommen. 10 Jahre Kommission für Provenienzforschung (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 1), Wien-Köln-Weimar 2009, 136–149, URL: doi.org/10.7767/boehlau.9783205118862.136.

Birgit Schwarz, Hitlers Sonderauftrag Ostmark. Kunstraub und Museumspolitik im Nationalsozialismus (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 7), Wien-Köln-Weimar 2018, URL: doi.org/10.7767/9783205206965.

Online-Edition der Karteien zum sogenannten Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen in Wien, URL: www.zdk-online.org (3.12.2020).

Archivalien

BDA-Archiv, Restitutionsmaterialien: K. 8, M. 1, M. 3, M. 7, M. 10; K. 50/3; Zentraldepotkartei, Alphonse Rothschild, 1–546, 547–1300, 1301–2100, 2101–2900, 2901–3564; Zentraldepotkartei, Louis Rothschild, 1–500, 501–964; Zentraldepotkartei, Rudolf Gutmann, 1–887; Zentraldepotkartei, Diverse.

KHM-Archiv, 25/KL/1940; 238/KL/1938; 255/KL/1938; 275/KL/1939; 25/KL/1940; I 52, 6/WS/1942; XIII 68; XIII 69; XIII 70; XIII 71; XIII 75.; XIII 76; XIII 77; XIII 78; XIII 79; XIII 80.