Posse, Hans

Hans Posse

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6.2.1879 Dresden – 7.12.1942 Berlin

Hans Posse war ein deutscher Kunsthistoriker, der im Juni 1939 von Adolf Hitler als "Sonderbeauftragter für Linz" eingesetzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt konnte Posse, der von 1899 bis 1903 in Marburg und Wien Kunstgeschichte, Geschichte und Germanistik studiert hatte, bereits auf eine erfolgreiche Laufbahn zurückblicken: Nach seiner Promotion begann er als Volontär und wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an der Gemäldegalerie Berlin, die 1904 in das neu erbaute Kaiser Friedrich Museum, heute Bode-Museum, übersiedelte. Als enger Mitarbeiter Wilhelm Bodes stieg er 1909 zu dessen Assistent auf. Davor hatte Posse mehrere Studienaufenthalte v. a. in Italien absolviert und sich wesentlich an der Bearbeitung des Gemäldeverzeichnisses des Kaiser-Friedrich-Museums beteiligt. 1910 wurde der erst 31-Jährige zum Generaldirektor der Dresdener Gemäldegalerie ernannt, eine der bedeutendsten Positionen in der deutschen Museumslandschaft. Während des Ersten Weltkriegs befand sich Posse als Soldat an der Westfront in Frankreich und fertigte dort zahlreiche Zeichnungen an, von denen ein Teil erst vor kurzem wieder entdeckt wurde und deren künstlerische Qualität überrascht. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs blieb Posse Direktor der nunmehr staatlichen Gemäldegalerie in Dresden. Als Leiter des deutschen Beitrags für die Biennale in Venedig 1922 förderte er den von der konservativen Kunstpolitik verschmähten Oskar Kokoschka, der zu diesem Zeitpunkt eine Professur an der Akademie der Bildenden Künste in Dresden innehatte und als Untermieter Posses in einem der Kavaliershäuschen im Großen Garten lebte. Auch in seiner Ankaufspolitik der 1920er- und 1930er-Jahre als Galeriedirektor öffnete sich Posse der Moderne. Umso verwunderlicher, dass Hitlers Wahl auf Posse fiel, als es darum ging einen kunsthistorischen Leiter zur Errichtung des Kunstmuseums in Linz zu finden. Posse wurde 1938 sogar als Direktor in Dresden "zwangspensioniert", erst auf Veranlassung Hitlers erhielt er seine Position zurück. In der Forschung herrscht kein einheitliches Bild über Posses politische Positionierung: Im Feld der Kunstpolitik ging er nicht immer konform mit nationalsozialistischen Vorgaben, ein diesbezüglicher Dissens muss aber noch nicht grundsätzlich auf eine ideologische Distanz schließen lassen. Posse war zum Zeitpunkt seiner Berufung zum "Sonderbeauftragten" und auch danach kein Parteimitglied, im Gegensatz zu seiner Frau Elise, née Käpernick, die bereits 1931 – zu diesem Zeitpunkt noch Posses Haushälterin und nicht mit ihm verheiratet – der NSDAP beitrat. Allerdings hatte Posse 1933, als sich die kunstpolitisch motivierten Angriffe gegen den Museumsdirektor mehrten, einen Antrag auf Parteimitgliedschaft gestellt, der 1934 abgelehnt wurde. Es ist schwer nachzuvollziehen, ob dieser Antrag lediglich gestellt wurde um sich politisch zu schützen. Vielleicht hielt Posse – wie viele im Kunstsektor Tätige – sein Handeln generell für "unpolitisch". Hans Posse wusste jedenfalls – das zeigen nicht zuletzt seine erhaltenen Tagebucheinträge – von Anfang an, dass ein großer Teil der Kunstwerke, die das Linzer Kunstmuseum beinhalten sollte, aus beschlagnahmten und/oder sichergestellten Sammlungen von NS-Verfolgten stammen würde. Eine der ersten Dienstreisen Posses führte nach Wien, wo er die in der Hofburg im Zentraldepot für beschlagnahmte Kunst gelagerten Bestände sichtete und Verteilungspläne erstellte. Posses Zuständigkeit betraf nicht nur die Auswahl für Linz, er verteilte auch – basierend auf den "Wünschen" der jeweiligen Museumsdirektoren – an die bereits bestehenden österreichischen Museen und war damit der Vollstrecker des so genannten "Führervorbehalts“, der Hitler das erste Auswahl- und Zuteilungsrecht von sichergestellter/beschlagnahmter Kunst sicherte. Neben den Beständen aus dem Zentraldepot in Wien, die den ersten Grundstock für das künftige Linzer Museum bildeten, hatte Posse auch Zugriff auf enteignete Sammlungen in den eroberten/besetzten Gebieten, v. a. in Polen, Frankreich und den Niederlanden. Ebenso wie nach Wien reiste Posse auch mehrmals dorthin, um beschlagnahmtes/sichergestelltes Kunstgut zu sichten und eine Auswahl zu treffen. Auch im französischen und holländischen Kunsthandel (in dem viele unter Druck verkaufte Objekte von jüdischen EigentümerInnen gehandelt wurden) erwarb Posse zahlreiche Objekte, unter Ausnutzung fast unbegrenzter Devisenkonten des Sonderstabs für Linz. Posses Tagebuchaufzeichnungen sind Zeugnis eines fast manischen Einsatzes für den "Sonderauftrag Linz". Auch nachdem bei ihm Anfang 1942 ein Mundbodenkarzinom diagnostiziert worden war, setzte er diesen fort. Im Dezember 1942 starb Posse starb an seiner Krebserkrankung in Berlin. Auf Veranlassung Hitlers erhielt er ein Staatsbegräbnis, auf dem Joseph Goebbels die Trauerrede hielt. In Linz wurde ihm die Ehrenbürgerschaft verliehen. Seine Witwe Elise stiftete der Stadt Linz eigenhändige Zeichnungen Posses aus dessen Nachlass sowie dem "Sonderauftrag Linz" einen Teil von Posses privater Grafiksammlung (beides bis dato nicht auffindbar). Nach der interimistischen Leitung durch Posses Mitarbeiter Gottfried Reimer übernahm 1943 der Kunsthistoriker Hermann Voss die Position des "Sonderbeauftragen für Linz". Durch seinen frühen Tod musste Posse sich nach Kriegsende nicht vor den Alliierten verantworten. Die Sondereinheit "Art Looting Investigation Unit" hatte den "Sonderauftrag Linz" in einer ersten Untersuchung 1945 als verbrecherisches Unternehmen eingestuft und für die Strafverfolgung der Verantwortlichen plädiert, was aber nicht umgesetzt wurde. Die Forschung vor allem der letzten Jahrzehnte interessiert sich zunehmend für die Person Posses. Ein von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden 2013 veranstaltetes Symposion beschäftigte sich dabei erstmals mit der gesamten Bandbreite von Posses Tätigkeit als Kunsthistoriker, Museumsdirektor und "Sonderbeauftragter", was bestehende Kontinuitäten ebenso sichtbar machte wie die Widersprüchlichkeiten und Brüche in seiner beruflichen Biografie.

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Publikationen zur Person / Institution

Birgit Kirchmayr, Der Briefwechsel August Zöhrer – Elise Posse im Archiv der Stadt Linz. Eine Fußnote zur Geschichte des "Linzer Führermuseums", in: Walter Schuster/Maximilian Schimböck/Anneliese Schweiger (Hg.), Stadtarchiv und Stadtgeschichte. Festschrift für Fritz Mayrhofer (= Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 2003/2004), Linz 2004, 515–522.

Gilbert Lupfer/Thomas Rudert (Hg.), Kennerschaft zwischen Macht und Moral. Annäherungen an Hans Posse (1879–1942), Köln-Weimar-Wien 2015.

August Zöhrer, Gestalter und Gestalten. Dr. Hans Posse. Der Schöpfer des Linzer Kunstmuseums, in: Linz, Erbe und Sendung, Linz 1943, 7–16.

Archivalien

Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Nachlass Posse.